44/BAESM XXIV. GP

Eingebracht am 12.04.2013
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Europäischer Stabilitätsmechanismus
Vorlage der Bundesministerin für Finanzen

Titel/Gegenstand:

Schriftliche Information der Bundesministerin für Finanzen an den Nationalrat über den Antrag der Republik Zypern auf Stabilitätshilfe mit einer Einschätzung des Antrags aus österreichischer Sicht

Datum:

12. April 2013

Sicherheitseinstufung durch Organe des Europäischen Stabilitätsmechanismus:

-

Dringlichkeit:

Keine Dringlichkeit gemäß § 32h Abs. 2 oder § 74d Abs. 2 GOG-NR

Beschlussfassung in den ESM-Gremien:

-

Nationale Rechtsgrundlage für Übermittlung:

Gemäß § 3 der Anlage 3 zum GOG-NR (ESM-Informationsordnung) hat der zuständige Bundesminister, sobald feststeht, dass eine Vorlage gemäß § 74d Abs. 1 Z 1 GOG-NR betreffend einen Vorschlag für einen Beschluss einem Mitgliedstaat grundsätzlich Finanzhilfe zu gewähren in einer Sitzung des Ständigen Unterausschusses in ESM-Angelegenheiten als Tagesordnungs­punkt behandelt werden soll, dem Nationalrat im Wege des Präsidenten eine schriftliche Information mit einer Einschätzung des Antrags aus österreichischer Sicht zu übermitteln.

Ermächtigung durch den Ständigen Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten gemäß § 32h Abs. 1 Z 1-5 GOG-NR erforderlich:

Nein

Beschluss-Aviso des österreichischen Vertreters im ESM:

-


 

 

Kurzbeschreibung und Erläuterungen:

Am 25. Juni 2012 stellte Zypern formell einen Antrag auf Finanzhilfen, da einerseits der Bankensektor unmittelbar durch die Restrukturierung Griechischer Anleihen (4 Mrd. Euro oder etwa 22 vH des Bruttoinlandsprodukts) stark in Mitleidenschaft gezogen wurde und andererseits die zyprische Wirtschaftsleistung durch die anhaltende Rezession sowie unterbliebene Strukturreformen stark beeinträchtigt ist. Große Herausforderungen gibt es demnach sowohl im Finanzsektor, als auch in strukturpolitischer Hinsicht. In den Eurogruppen vom 16. und 24. März 2013 wurden die Eckpunkte für ein makroökonomisches durch Finanzhilfen in Form von Darlehen finanziertes Anpassungsprogramm, dessen Programmvolumen bis zu 10 Mrd. Euro beträgt, gebilligt. Nach der vorläufigen Genehmigung der Programmdokumente durch die Eurogruppen Finanzminister/innen am 12. April 2013 ist beabsichtigt, nach Absolvierung der nationalen Genehmigungsverfahren am 24. April 2013 die formellen Beschlüsse im ESM-Gouverneursrat herbeizuführen.


 

Schriftliche Information der Bundesministerin für Finanzen an den Nationalrat über den Antrag Zyperns auf Stabilitätshilfe mit einer Einschätzung des Antrags aus österreichischer Sicht

Die Finanzhilfe für die Republik Zypern ist zur Vermeidung noch größerer Schäden unabdingbar und im Interesse Österreichs. Die Tage, an denen in Zypern die Banken geschlossen waren, haben eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig dieser Sektor für die Volkswirtschaft ist. Zypern ist aufgrund der Größe (700 vH des Bruttoinlandsproduktes) und speziellen Struktur seines Bankensektors in Kombination mit einer schwachen Aufsicht besonders exponiert. Ohne Unterstützung von außen wäre ein Zusammenbruch des Bankensystems unvermeidlich, mit •entsprechenden Folgen für die Menschen und die Volkswirtschaft Zyperns.

Trotz der für sich betrachteten relativ kleinen zyprischen Wirtschaft können schwerwiegende Konsequenzen für das gesamte Euro-Währungsgebiet entstehen. Ein gänzlicher Zusammenbruch des zyprischen Bankensektors hätte nicht nur fatale Folgen für die zyprische Volkswirtschaft, sondern würde Ansteckungseffekte - insbesondere auf die Hellenische Republik - auslösen, die die Stabilität der Eurozone im Wege zusätzlicher Rekapitalisierungserfordernisse im Bankensektor der Eurozone und steigender Refinanzierungskosten weiterer Eurostaaten beeinträchtigen würden. Die erheblichen negativen Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Situation der Mitgliedstaaten ergeben sich durch die enge Verbundenheit der Volkswirtschaften der Eurozone und durch die nicht unerhebliche Relevanz auch im gesamteuropäischen Kontext. Ein Kollaps Zyperns könnte zu erneuter Instabilität der Eurozone und der Notwendigkeit zusätzlicher Anpassungsprogramme führen, sowie zu weiteren Wachstumseinbußen und dem Verlust von Arbeitsplätzen. Dies wurde in einer Analyse und Einschätzung zur Systemrelevanz Zyperns von Seiten der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank bestätigt.

Die spezifische österreichische Betroffenheit ergibt sich aus dem Umstand, dass zwar der Handel mit Zypern relativ gering ist, es aber laut Daten der Oesterreichischen Nationalbank Direktinvestitionen von etwa 3 Mrd. Euro und Kredite an Nicht-Banken in Zypern von weiteren etwa 3 Mrd. Euro gibt. In Summe sind also Vermögenswerte von etwa 2 vH des österreichischen Bruttoinlandsprodukts potenziell von der Entwicklung Zyperns betroffen.

Die Größenordnung des Problems für Zypern wird dadurch verdeutlicht, dass im Zuge des Programmes Maßnahmen von etwa 23 Mrd. Euro, das sind etwa 130 vH des zyprischen Bruttoinlandsprodukts umgesetzt werden. Von diesen 23 Mrd. Euro muss Zypern etwa 13 Mrd. Euro selbst schultern. Das Hilfsprogrammvolumen beträgt bis zu 10 Mrd. Euro in der

Programmperiode 2013-2016, wobei der Europäische Stabilitätsmechanismus 9 Mrd. Euro und der IFW bis zu 1 Mrd. Euro bereitstellen sollen. Zypern selbst wird mit den im Vergleich zu früheren Programmen höchsten Eigenleistungen zur Lastenteilung mit der internationalen Gemeinschaft beitragen:

         Restrukturierung des Bankensektors: 10,6 Mrd. Euro werden für die Abwicklung der Laiki Bank und die Restrukturierung der Bank of Cyprus, durch Beiträge der Aktionäre, Anleihebesitzer und Spareinlagenbesitzer mit Spareinlagen über 100.000 Euro bereitgestellt. Für diese Banken gibt es kein Geld aus dem Hilfsprogramm.

         Zusätzliche Steuern: bis zu 0,6 Mrd. Euro durch Anhebung des Körperschaftssteuersatzes, der Kapitalertragssteuer, der Mehrwertsteuersätze und Verbrauchsteuersätze und der Bankenabgabe auf Spareinlagen

         Goldverkäufe der Zentralbank: etwa 0,4 Mrd. Euro

         Privatisierungen: insgesamt 1,4 Mrd. Euro

        Abänderung der Kreditkonditionen des ausständigen Kredits von Russland: bis zu 0,1 Mrd. Euro

Hinzu kommt zur Verminderung des externen Liquiditätsbedarfes ein Roll-over von inländischen, titrierten Schuldtiteln bis zu einem Volumen von etwa 1,0 Mrd. Euro und Roll- over von Treasury Bills. Hinzu kommt auch eine Budgetkonsolidierung von etwa 7 vH des Bruttoinlandsprodukts zur Herstellung der Schuldennachhaltigkeit und der Wiedererlangung des Zutrittts auf die Kapitalmärkte.

Wofür werden die Hilfskredite von bis zu 10 Mrd. Euro verwendet?

         Bis zu 3,4 Mrd. Euro dienen der Finanzierung der Nettoneuverschuldung des Staates bis 2016 (in diesem Ausmaß erhöhen sich die zyprischen Staatsschulden)

         Etwa 4,1 Mrd. Euro dienen der Refinanzierung von abreifenden Altschulden (hier verschiebt sich die Gläubigerstruktur von bisherigen Gläubigern zu ESM bzw. IWF)

         Etwa 2,5 Mrd. Euro sollen für die Rekapitalisierung des Bankensystems, ausgenommen Laiki und Bank of Cyprus, eingesetzt werden (in diesem Ausmaß erhöhen sich die zyprischen Staatsschulden).

Das ökonomische Anpassungsprogramm befasst sich mit den kurz- und mittelfristigen finanziellen, fiskalischen und strukturellen Herausforderungen in Zypern. Die finanzielle Unterstützung wird an ambitionierte Maßnahmen in Zypern geknüpft, die auch makroökonomische Anpassungsmaßnahmen inkludieren. Sie haben zum Ziel, das Land

nachhaltig auf solide Beine zu stellen, die Rückzahlung der Hilfskredite zu sichern und neuerliche Fehlentwicklungen hintanzuhalten:

        Wiederherstellung der Stabilität des zyprischen Bankensektors durch die Restrukturierung und Verkleinerung der Finanzinstitutionen, die Stärkung der Aufsicht und die Verbesserung des Liquiditätsmanagements

        Ambitionierte Fiskalkonsolidierung von etwa 7 vH des Bruttoinlandsprodukts in der Periode 2013 - 2018, zur Erzielung eines nachhaltigen Primärüberschusses im Staatshaushalt samt Korrektur des übermäßigen Budgetdefizits über Reduktion der öffentlichen Ausgaben, Effizienzsteigerungen in der Abgabenverwaltung und eine verbesserte öffentliche Verwaltung

        Umsetzung von Strukturreformen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wirtschaftswachstums sowie zur Reduktion makroökonomischer Ungleichgewichte.

Das MoU enthält insbesondere auf Drängen Österreichs strenge Auflagen für Zypern in Bezug auf die Einhaltung internationaler Standards bei der Geldwäschebekämpfung, die Gewährleistung eines ungehinderten Informationsaustausches mit den Steuerbehörden anderer Mitgliedsstaaten, sowie eine uneingeschränkte Transparenz bei Eigentumsverhältnissen von Unternehmen durch die Einführung eines "trust registers" nach Österreichischem Vorbild. Die Programm-Konditionalität adressiert entscheidenden Schwachstellen in der zyprischen Verwaltung, Aufsicht und Wirtschaftsstruktur und beinhaltet somit entsprechend Art. 12 Abs. 1 ESM-V strenge, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessene Auflagen.

Abschließende Anmerkung zum bisherigen Verlauf der Entwicklungen: Die wirtschaftliche Schieflage Zyperns war schon längere Zeit absehbar. Im Jahr 2010 wurde ein Verfahren bei einem übermäßigen Defizit eröffnet, doch lagen die Probleme Zyperns überwiegend beim Bankensektor, wo es keine entsprechenden europäischen Instrumente gab. Mit der Entwicklung der Bankenunion sollten Fehlentwicklungen vermieden bzw. besser beherrschbar werden. Derzeit steht primär der von Internationalem Währungsfonds und Europäischem Stabilitätsmechanismus gespeiste Rettungsschirm zur Verfügung. Dieser sieht vor, dass ein Land einen Hilfsantrag stellen muss. Die Regeln sehen außerdem vor, dass die Konditionalität des Programmes im Einvernehmen mit dem betroffenen Land festgelegt wird. Dieses ist schließlich der eigenen Bevölkerung verpflichtet. Zweifellos wären die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen in Zypern geringer ausgefallen, hätte Zypern früher einen Antrag gestellt und dem Programm früher zugestimmt. Dass zuletzt nur noch drastische Maßnahmen möglich waren und jetzt zur Genehmigung vorliegen, ist bedauerlich, aber ein weiteres Zuwarten würde den Schaden weiter vergrößern.