100 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über die Regierungsvorlage (77 der Beilagen): Übereinkommen über Streumunition

Das Übereinkommen über Streumunition hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Das Übereinkommen ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG nicht erforderlich ist. Das Übereinkommen sieht gemäß seinem Art. 13 eine vereinfachte Änderung im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Z 1 B-VG vor. Da durch das Übereinkommen keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Streumunition verursacht enormes Leid unter der Zivilbevölkerung in Konfliktgebieten. Während der letzten vierzig Jahre wurden Tausende Zivilisten in mehr als 30 Staaten und Regionen durch diese Waffe getötet oder verletzt. Auch nach dem Ende der Feindseligkeiten tötet oder verstümmelt Streumunition Personen, einschließlich Frauen und Kinder. Die Waffe behindert die wirtschaftliche und soziale Entwicklung unter anderem durch die Zerstörung der Existenzgrundlagen, beeinträchtigt den Wiederaufbau nach Konflikten und verzögert oder verhindert die Rückkehr von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen.

Zudem kann sich der Einsatz von Streumunition nachteilig auf nationale und internationale Bemühungen um die Schaffung von Frieden und um humanitäre Hilfe auswirken. Der Einsatz gefährdet das Personal von Missionen der Vereinten Nationen und humanitären Hilfsorganisationen. Streumunition kann schwerwiegende Folgen in betroffenen Staaten und Regionen nach sich ziehen, die noch Jahre nach der Verwendung der Munition anhalten. Die Räumung gestaltet sich langwierig und kostenintensiv und ist von den betroffenen Ländern aus eigener Kraft meist nicht zu bewältigen.

Nach jahrelangen ergebnislosen Erörterungen eines Verbots von Streumunition im Rahmen des Übereinkommens vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (BGBl. Nr. 464/1980, Konventionelle Waffenkonvention) hat Österreich bei der im November 2006 abgehaltenen Dritten Überprüfungskonferenz der Konventionellen Waffenkonvention gemeinsam mit 26 anderen Staaten die Aufnahme von Verhandlungen über einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag betreffend Streumunition gefordert. Der unbefriedigende Ausgang der Konferenz - beschlossen wurde lediglich ein Diskussionsmandat zu Streumunition - verstärkte den internationalen Ruf nach einem alternativen Verhandlungsforum für ein Verbot von Streumunition.

Im Februar 2007 initiierte Norwegen gemeinsam mit Österreich, Irland, Neuseeland, Mexiko, Peru und dem Heiligen Stuhl den sog. „Oslo-Prozess“ außerhalb des Rahmens der Konventionellen Waffenkonvention. 46 Staaten verpflichteten sich in der „Erklärung von Oslo“ vom 23. Februar 2007 zum Abschluss eines völkerrechtlich verbindlichen Verbots von Streumunition, welche inakzeptable humanitäre Konsequenzen für die Zivilbevölkerung mit sich bringt, bis Ende 2008. Im Mai 2007 wurden bei der internationalen Streumunitionskonferenz von Lima Elemente für einen Vertragsentwurf diskutiert. Die von Österreich im Dezember 2007 organisierte Wiener Streumunitionskonferenz unterstrich mit 138 Teilnehmerstaaten, einem eigenen Forum für Parlamentarier und einem Forum der Zivilgesellschaft die beachtliche Dynamik des internationalen Prozesses gegen Streumunition. Sie stellte einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zu einem Verbotsvertrag dar. Die Diskussion eines gesamten Vertragsentwurfs zeigte erstmals einen Grundkonsens hinsichtlich der humanitären Bestimmungen über die Opferhilfe, der Räumung nicht explodierter Munition, der Zerstörung von Beständen und der internationalen Zusammenarbeit. Der im Lichte der Ergebnisse der Konferenz überarbeitete „Wiener Vertragstext“ wurde von den Teilnehmern der Streumunitionskonferenz von Wellington im Februar 2008 als Basis für die Verhandlungen im Rahmen einer diplomatischen Staatenkonferenz (19. bis 30. Mai 2008 in Dublin) angenommen. Nach zweiwöchigen intensiven Verhandlungen wurde das Übereinkommen über Streumunition schließlich am 30. Mai 2008 in Dublin von 107 Staaten angenommen.

Am 3. Dezember 2008 wurde das Übereinkommen über Streumunition von 94 Staaten in Oslo unterzeichnet. Österreich unterzeichnete das Übereinkommen im Rahmen der Eröffnungszeremonie in Anwesenheit je einer Vertreterin des Parlaments sowie der Zivilgesellschaft gemäß dem Beschluss der Bundesregierung vom 12. November 2008 (vgl. Pkt. 41 des Beschl.Prot. Nr. 70) und der entsprechenden Ermächtigung durch den Herrn Bundespräsidenten.

Die Kernbestimmungen des Übereinkommens sehen folgendes vor:

-       ein umfassendes Verbot von Einsatz, Entwicklung, Herstellung, Erwerb, Lagerung, Zurückbehaltung und der Weitergabe von Streumunition;

-       eine weitreichende Definition, die alle bisher eingesetzten Typen von Streumunition umfasst und nur solche hochtechnischen Typen ausnimmt, die keine mit Streumunition vergleichbare Wirkung entfalten;

-       die Räumung von Streumunitionsrückständen auf dem Gebiet unter der Hoheitsgewalt oder Kontrolle eines Vertragstaates innerhalb von zehn Jahren;

-       die Vernichtung von Beständen an verbotener Streumunition innerhalb von acht Jahren und

-       die Verpflichtung von Staaten, auf deren Gebiet sich Opfer von Streumunition aufhalten, für die Opfer Unterstützungsleistungen in den Bereichen medizinische Versorgung, Rehabilitation und psychologische Betreuung zu erbringen und für deren soziale und wirtschaftliche Eingliederung zu sorgen.

Das Übereinkommen über Streumunition stellt den wichtigsten Abrüstungsvertrag seit dem Übereinkommen über ein Verbot von Antipersonenminen im Jahr 1997 dar und bedeutet eine wesentliche Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts.

Mit dem Bundesgesetz über das Verbot von Streumunition (BGBl. I Nr. 12/2008) wurden die zentralen Anliegen des Übereinkommens in Österreich bereits verwirklicht. Im Zusammenhang mit der Ratifikation des Übereinkommens entstehen für Österreich Kosten aus den nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens vorgesehenen jährlichen Treffen der Vertragsstaaten sowie aus den Überprüfungskonferenzen und allfälligen Änderungskonferenzen. Für Österreich werden dadurch voraussichtlich ab 2009 Kosten entstehen, deren Höhe von der Anzahl der Vertragsparteien und der teilnehmenden Staaten abhängen wird, auf welche die Gesamtkosten in Übereinstimmung mit dem angepassten Beitragsschlüssel der Vereinten Nationen aufgeteilt werden. Als Richtwert kann mit einem Betrag von etwa € 10.000 pro Jahr gerechnet werden. Nach dem gleichen Schlüssel werden die geringfügigen Kosten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für dessen administrativen Aufwand in Umsetzung der Maßnahmen zur Schaffung von Transparenz (Art. 7) und solcher zur Erleichterung und Klarstellung der Einhaltung des Übereinkommens (Art. 8) unter den Vertragsstaaten verteilt werden. Die Höhe der daraus für Österreich entstehenden Kosten kann zur Zeit nicht beziffert werden. Alle Kosten sind aus dem Budget des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten zu bedecken. Dienstreisende anderer Ressorts tragen ihre Kosten innerhalb ihres Wirkungsbereiches.

 

Hinsichtlich der Kundmachung des Staatsvertrages hat die Bundesregierung dem Nationalrat vorgeschlagen, gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, dass die arabische, chinesische, französische, russische und spanische Sprachfassung dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten aufliegen.

 

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 03. März 2009 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Ing. Norbert Kapeller, Mag. Ulrike Lunacek, Petra Bayr, sowie der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger.

 

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

 

Der Außenpolitische Ausschuss vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.

 

Ebenso wurde einstimmig beschlossen, dass die arabische, chinesische, französische, russische und spanische Sprachfassung dieses Staatsvertrages gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten aufliegen.

 


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

1.      Der Abschluss des Staatsvertrages: Übereinkommen über Streumunition (77 der Beilagen) wird gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG genehmigt.

2.      Die arabische, chinesische, französische, russische und spanische Sprachfassung dieses Staatsvertrages sind gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten aufliegen.

Wien, 2009 03 03

                            Ing. Norbert Kapeller                                                              Dr. Josef Cap

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann