Vorblatt

Problem:

Die für Modellversuche vorgesehene Prozentgrenze in § 7 Abs. 7 des Schulorganisationsgesetzes hat sich im Pflichtschulbereich als zu unflexibel erwiesen; sie steht der Berücksichtigung von besonderen regionalen Bedürfnissen entgegen.

Die Betreuung und Evaluierung der Modellversuche hat nach derzeitiger Rechtslage nicht zwingend unter wissenschaftlicher Begleitung zu erfolgen.

Ziel:

Schaffung von mehr Flexibilität bei der prozentmäßigen Obergrenze für Modellversuche an öffentlichen Pflichtschulen unter grundsätzlicher Beibehaltung des 10-Prozent-Limits über alle Bundesländer hinweg.

Mit der Gründung des Bundesinstituts für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens durch das BIFIE-Gesetz 2008 sind die Voraussetzungen für eine wissenschaftliche Begleitung der Modellversuche gegeben.

Inhalt /Problemlösung:

In einzelnen Bundesländern soll Anträgen der Landesschulräte auf Durchführung von Modellversuchen auch dann stattgegeben werden, wenn dadurch zwar das für Pflichtschulen vorgesehene Limit im Bundesland überschritten wird, bundesweit aber dieses Limit eingehalten wird.

Die Anträge der Landesschulräte auf Durchführung von Modellversuchen sollen künftig nähere Angaben über deren wissenschaftliche Begleitung enthalten. Neben dem alle drei Jahre dem Nationalrat gegenüber zu erstellenden nationalen Bildungsbericht soll BIFIE künftig jährlich, jeweils nach dem Durchlaufen eines Modellversuches dem zuständigen Regierungsmitglied einen Ergebnisbericht abstatten.

Alternativen:

Beibehaltung der derzeitigen Rechtslage.

Auswirkungen des Regelungsvorhabens:

Finanzielle Auswirkungen:

Ein dem Entwurf entsprechendes Bundesgesetz verursacht finanzielle Mehraufwendungen für den Bundeshaushalt. Eine nähere Darstellung findet sich in den Erläuterungen, Allgemeiner Teil.

Wirtschaftspolitische Auswirkungen:

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Eine den regionalen Bedürfnissen entsprechende Streuung der Modellversuche sowie deren wissenschaftliche Begleitung werden positive Auswirkungen auf die Weiterentwicklung derartiger Versuche entfalten. Kurzfristig sollen dadurch treffsichere Schulbahnentscheidungen durch die Schülerinnen und Schüler erfolgen, womit positive Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort einher gehen werden.

Auswirkungen auf die Verwaltungslasten für Unternehmen:

Es sind keine Informationsverpflichtungen für Unternehmen vorgesehen.

Auswirkungen in umweltpolitischer Hinsicht, insbesondere Klimaverträglichkeit:

Das Regelungsvorhaben ist nicht klimarelevant.

Auswirkungen in konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

Auswirkungen in konsumentenschutzpolitischer Hinsicht sind nicht gegeben.

Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die vorgesehenen Regelungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Union.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.


Erläuterungen

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

Der vorliegende Entwurf verfolgt zwei wesentliche Ziele:

Zum einen soll die starre 10-Prozent-Regel für Schul- bzw. Modellversuche an Pflichtschulen gelockert werden. Eine Überschreitung in einem Bundesland soll auf Antrag möglich sein, wenn insgesamt (bundesweit) die Modellversuchsklassen nicht mehr als 10 Prozent aller Klassen umfassen.

Zum anderen sollen die bereits begonnenen sowie künftige Modellversuche im Rahmen ihrer Betreuung und Evaluierung wissenschaftlich begleitet werden. Das mit BGBl. I Nr. 25/2008 gegründete Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens (BIFIE) soll hiefür beizuziehen sein. In Zusammenarbeit mit dem BIFIE wurde ein vierstufiges Evaluationskonzept erstellt, welches die wissenschaftliche Komponente der Evaluierung durch die Landesschulräte sicher stellen soll. Nähere Angaben über Details der wissenschaftlichen Begleitung sollen die Landesschulräte im Zuge der Antragstellung auf Durchführung von Modellversuchen gemäß § 7a Abs. 1 treffen.

Finanzielle Auswirkungen:

Personalausgaben:

Die maximale Anzahl der Klassen, an denen Schulversuche durchgeführt werden können, bleibt durch die gegenständliche Novelle unberührt (bei Pflichtschulklassen liegt sie derzeit bei rd. 3.750 Klassen bundesweit). Es wird lediglich in diesem Rahmen eine Flexibilisierung der Grenzen je Bundesland vorgesehen. In Summe können daher für Schulversuche nicht mehr Ressourcen eingesetzt werden als bisher. Da sich Verschiebungen zwischen Bundesländern in der Ressourcenzuteilung insgesamt nicht auswirken, leiten sich aus dieser Novelle keine finanziellen Auswirkungen auf die Personalausgaben des Bundes oder der übrigen Gebietkörperschaften ab.

Sachausgaben:

In § 7a Abs. 4 des Entwurfs ist eine begleitende Evaluierung unter Beiziehung des Bundesinstituts für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens (BIFIE) verpflichtend vorgesehen. In der konkreten Abwicklung wird sich das BIFIE anderer Institutionen bedienen, wodurch das BIFIE selbst im Auftrag und auf Rechnung des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur tätig wird. Eine derartige Vorgehensweise findet ihre rechtliche Deckung in § 2 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Einrichtung eines Bundesinstitutes für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens (BIFIE-Gesetz 2008). Die für die Evaluierung notwendigen finanziellen Aufwendungen, die über die Basisabgeltung des BIFIE gem. § 16 Abs. 1 BIFIE-Gesetz hinausgehen, sind in der folgenden Tabelle dargestellt:

Jahr

Ausgaben (in €)

2009

761.309

2010

74.971

2011

85.000

2012

841.500

 

Für diese zusätzlichen Ausgaben ist eine entsprechende Vorkehrung in den zu beschließenden Bundesfinanzgesetzen bzw. Bundesfinanzrahmengesetzen zu treffen.

Kompetenzrechtliche Grundlage:

Ein dem Entwurf entsprechendes Bundesgesetz gründet sich kompetenzrechtlich auf Art. 14 Abs. 1 B-VG.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Ein dem Entwurf entsprechendes Bundesgesetz unterliegt nicht den besonderen Beschlusserfordernissen des Art. 14 Abs. 10 B-VG.

Der Gesetzentwurf unterliegt der Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften, BGBl. I Nr. 35/1999.

Besonderer Teil

Zu Z 1 (§ 7 Abs. 7):

Auf Grund unterschiedlicher regionaler Gegebenheiten bestehen schon derzeit unterschiedliche Auslastungen der für Modellversuche zur Verfügung stehenden Kontingente. § 7 Abs. 7 SchOG sieht derzeit für Pflichtschulen ein Höchstausmaß von 10 Prozent der Klassen im Bundesland vor. Das Abstellen auf die Bundesländer hat ausschließlich kompetenzrechtliche Hintergründe (Art. 14 Abs. 3 lit. b B-VG: äußere Organisation von öffentlichen Pflichtschulen) und verfolgt nicht die Absicht, im Pflichtschulbereich weniger Modellversuche zuzulassen, als im Bundesschulbereich. Es scheint daher im Sinne der Sache zulässig und zur Erreichung einer bedarfsgerechteren Flexibilität auch geboten, in einzelnen Bundesländern über die derzeitige 10-Prozent-Grenze hinaus Modellversuche zuzulassen, sofern nur bundesweit das angestrebte Maß von 10 Prozent nicht überschritten wird.

Zu Z 2 (§ 7a Abs. 4):

Nach derzeitiger Rechtslage sind die Modellversuche von den Landesschulräten, die deren Durchführung beantragt haben (§ 7a Abs. 1), nach bestimmten, im Gesetz genannten bundeseinheitlichen Kriterien zu betreuen, zu kontrollieren und zu evaluieren. Diese Bestimmung des § 7a Abs. 4 bildet die Grundlage für eine bundesweit durchzuführende Evaluation, sodass an ihr grundsätzlich festgehalten werden soll. Für Modellversuche, die ab dem Schuljahr 2010/11 begonnen werden, haben die Anträge der Landesschulräte bzw. des Stadtschulrates für Wien bereits Ausführungen über die festzulegende wissenschaftliche Begleitung zu enthalten.

Mit der Gründung des Bundesinstituts für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens durch das BIFIE-Gesetz 2008 (in Folge: BIFIE) sind die Voraussetzungen für eine wissenschaftliche Begleitung der Modellversuche gegeben. Es wurde daher ein Evaluationskonzept für die Modellversuche „Neue Mittelschule“ (in Folge: NMS) erarbeitet, wonach die Evaluationsbegleitung sowohl methodisch, als auch inhaltlich nach höchsten wissenschaftlichen Standards durch das BIFIE in Kooperation mit den Landesschulräten in vier Teilprojekten erfolgen soll. Die Ergebnisberichte, welche vom BIFIE dem zuständigen Bundesminister bzw. der zuständigen Bundesministerin vorzulegen sind, sollen jeweils den gesamten vierjährigen Versuchszeitraum umfassen; sie sind somit jeweils binnen sechs Monaten nach dem Ende der Schuljahre 2011/12 bis 2014/15 für die jeweils vorangegangenen vier Jahre (Modellzeitraum) vorzulegen. Die Landesschulräte sollen, in Abstimmung mit dem BIFIE, die näheren Details der wissenschaftlichen Begleitung in ihren Anträgen auf Durchführung von Modellversuchen festhalten. Mit der Entscheidung über die Durchführung eines Modellversuches soll künftig auch die wissenschaftliche Begleitung festgelegt werden. Die vier Teilprojekte des Evaluationskonzeptes sind folgende:

1.      Kompetenzentwicklung und Bildungsverläufe:

Im Teilprojekt Kompetenzentwicklung und Bildungsverläufe geht es vor allem um die Ergebnisüberprüfung (summative Evaluation), mittels derer Effekte der NMS mit den Ergebnissen von Schulen, die nicht am Reformprojekt teilnehmen, verglichen werden sollen. Dabei soll ua. festgestellt werden , in welchem Maße die Ziele der NMS erreicht werden, welche Fördereffekte bzw. Effekte der neuen Lernkultur eingetreten sind, wie sich Schülerkarrieren und fachliche sowie überfachliche Kompetenzentwicklungen darstellen. Eine Vergleichsgrundlage werden in Zukunft auch die Ergebnisse der Bildungsstandarderhebungen bilden.

Prinzipiell sind für zwei NMS-Kohorten drei Erhebungen geplant:

•       Erhebung der kognitiven Leistungsfähigkeit und des sozialen Hintergrundes der Schüler im Modellprojekt am Beginn des Projekts (5. Schulstufe); diese dient vor allem dazu, die Möglichkeit der späteren Untersuchung von differentiellen Fördereffekten in den Modellprojekten Grund zu legen.

•       Erhebung der Kriteriumsvariablen bei den Schülern der 8. Schulstufe an den NMS-Schulen, die noch nicht das Modellprojekt durchlaufen haben (Vergleichswerte, Baseline). Diese Untersuchung erfolgt für die ersten beiden Jahrgänge gemeinsam zum Ende des Schuljahres 2008/09.

•       Erhebung der Kriteriumsvariablen bei den Schülern im Modellprojekt am Ende ihrer Pflichtschulzeit (8. Schulstufe), 2012/13.

2.      Kooperative wissenschaftliche Begleitforschung:

Im Rahmen der kooperativen wissenschaftlichen Begleitforschung soll eine laufende Dokumentation und Information über Prozesse und Ergebnisse des Projekts stattfinden. Zu diesem Zweck wird unter der Verantwortung des BIFIE ein bundesweites Evaluationsnetzwerk aufgebaut und servisiert. Datenerhebung zu ausgewählten Themen sollen sowohl zentral als auch dezentral erfolgen. Die zusammengeführten Ergebnisse werden im Sinne der Gesamtevaluation verwendet, länderspezifische Auswertungen können durchgeführt werden.

Je eine der beiden jährlichen Erhebungen wird als Survey geplant, die andere behandelt ein gemeinsames Thema, kann aber in den Regionen mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen bearbeitet werden. Die Themen dieser kontinuierlichen Untersuchungen werden den zentralen Zielen und Entwicklungsthemen der NMS folgen, wobei den folgenden Fragestellungen besondere Bedeutung zukommen wird:

•       Motivation, Commitment und Problemlösungskapazität der Lehrkräfte und Schulleitungen;

•       Zufriedenheit der Eltern mit der schulischen Förderung ihrer Kinder;

•       Erfolge und Probleme beim Umgang mit Heterogenität in den Lerngruppen unter besonderer Berücksichtigung der Integration behinderter Schüler/innen;

•       Teambildung von Lehrkräften unterschiedlicher Ausbildungsvoraussetzungen;

•       Stärken und Schwächen bei der Förderung von fachlichen und überfachlichen Kompetenzen.

Die Ergebnisse werden in die Metaevaluation einfließen, aber auch der weiteren Verbesserung des Entwicklungsprojektes Neue Mittelschule dienen.

3.      Vertiefende Peer Evaluation ausgewählter Standorte:

Das Peer Review Verfahren bietet die Möglichkeit, Selbstevaluationsaktivitäten strukturiert mit externer Evaluation zu verbinden, vergleichende Metaanalysen standortspezifischer Erfolge und Herausforderungen durch für das BIFIE als zentrale Stelle der NMS-Evaluation ermöglicht.

Mit den Ergebnissen der Peer Reviews sollen die Perspektiven der Schulen in die Metaevaluation einfließen und weiters der praxisnahen, laufenden und unmittelbaren Rückmeldung an die Standorte als Grundlage für die Weiterentwicklung dienen.

4.      Metaanalyse aller Befunde der Evaluation und Begleitforschung zur NMS:

Die Befunde zum Entwicklungsprozess und den Ergebnissen (von unterschiedlichen Institutionen, Projekten und methodischen Ansätzen) sollen zusammenfassend interpretiert werden und die Grundlage für Schlussfolgerungen sowie für die bildungspolitischen Entscheidungen im Anschluss an die Entwicklungsphase bilden. Diese Metaanalyse soll in jährlichen Zwischenberichten sämtliche Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung und sonstige Evidenzen zu Verlauf und Ergebnissen des Entwicklungsprojekts Neue Mittelschule synoptisch darstellen und den Entscheidungsträgern als Steuerungsgrundlage für den weiteren Entwicklungsprozess zur Verfügung stehen.

Zu Z 3 (§ 131 Abs. 22):

Der neue Abs. 22 des § 131 regelt das Inkrafttreten entsprechend den Legistischen Richtlinien 1990 in der Stammfassung. Als Inkrafttretenszeitpunkt ist der der Kundmachung der Novelle im Bundesgesetzblatt Teil I folgende Tag vorgesehen.