1051 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über den Antrag 935/A der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Dr. Peter Sonnberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern

Die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Dr. Peter Sonnberger, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 11. Dezember 2009 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Allgemeiner Teil

Vor nunmehr 20 Jahren wurde im Rahmen der Vereinten Nationen mit dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes (im Folgenden: UN Kinderrechtskonvention) das grundlegende Vertragswerk über den Schutz und die Rechte des Kindes geschaffen, das international die weitest mögliche Anerkennung gefunden hat. In Österreich ist dieses Übereinkommen am 5. September 1992 in Kraft getreten und mit BGBl. Nr. 7/1993 kundgemacht worden; anlässlich der Genehmigung dieses Staatsvertrages hat der Nationalrat seine Erfüllung durch Erlassung von Gesetzen beschlossen. Seither wird über eine Verankerung – zumindest von Teilen – der UN Kinderrechtskonvention in der Bundesverfassung diskutiert.

Auch die Verfassungsentwicklung auf europäischer Ebene erfolgt unter Berücksichtigung der Rechte des Kindes. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Grundrechte-Charta), ABl. Nr. C 303 vom 14.12.2007, S. 1, enthält eine eigene Bestimmung über die Rechte des Kindes (Art. 24).

Der Entwurf zu einem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern folgt im Wesentlichen den Vorarbeiten des Österreich-Konvents, im Rahmen dessen eingehender Ausschussberatungen (Ausschuss 4) Konsens über die Aufnahme der Rechte von Kindern als Menschenrecht in einen neuen Grundrechtskatalog erzielt und ein Textvorschlag konsentiert worden ist (vgl. den Bericht des Österreich-Konvents, Bd. 1, Teil 3, 88 und Bd. 2, Teil 4A, 36 f).

Nachdem der im Österreich-Konvent grundsätzlich erzielte Konsens über die Aufnahme von Kinderrechten als Teil eines neuen Grundrechtskatalogs in weiterer Folge (XXII. Gesetzgebungsperiode, Besonderer Ausschuss zur Vorberatung des Berichtes des Österreich-Konvents sowie XXIII. Gesetzgebungsperiode, Expertengruppe Staats- und Verwaltungsreform im Bundeskanzleramt) nicht realisiert werden konnte, ist die verfassungsrechtliche Verankerung von Rechten von Kindern Gegenstand der nun ergriffenen Gesetzgebungsinitiative.

Mit der B-VG Novelle, BGBl. I Nr. 31/2005, wurde Art. 14 Abs. 5a in das Bundesverfassungsgesetz eingefügt. Demnach "ist Kindern und Jugendlichen die bestmögliche geistige, seelische und körperliche Entwicklung zu ermöglichen, damit sie zu gesunden, selbstbewussten, glücklichen, leistungsorientierten, pflichttreuen, musischen und kreativen Menschen werden, die befähigt sind, an den sozialen, religiösen und moralischen Werten orientiert Verantwortung für sich selbst, Mitmenschen, Umwelt und nachfolgende Generationen zu übernehmen" (Art. 14 Abs. 5a B-VG).

Der Entwurf zu einem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern setzt die mit den vorerwähnten gesetzlichen Maßnahmen eingeschlagene Zielrichtung mit der Verankerung von eigenständigen Grundrechten auf bundesverfassungsrechtlicher Ebene konsequent fort.

Besonderer Teil

Zu Art. 1:

Art. 1 verwirklicht den besonderen Schutz- und Fürsorgeanspruch von Kindern in Verbindung mit dem zentralen, kinderrechtespezifischen Anspruch der vorrangigen Berücksichtigung des „Wohles des Kindes“ (vgl. Art. 3 des VN Übereinkommens über die Rechte des Kindes und Art. 24 Grundrechte-Charta). Gleichzeitig wird – in Übereinstimmung mit der Grundrechte-Charta – klargestellt, dass das Kindeswohl auch mit anderen Rechtsgütern, etwa dem Recht der Eltern auf Wahrung ihres Privat- und Familienlebens abzuwägen ist.

Zu Art. 2:

Art. 2 Abs. 1 stellt ein Leitbild für die personenrechtlichen Beziehungen des Kindes zu seinen Eltern dar (vgl. Art. 9 Abs. 3 des VN Übereinkommens über die Rechte des Kindes; Art. 24 Abs. 3 Grundrechte-Charta); der Vorbehalt im Falle eines Widerspruchs zum Wohl des Kindes findet seine Legitimation und Begrenzung in Art. 8 EMRK (zB im Fall, dass sich ein Elternteil beharrlich weigert, das Kind zu sehen).

Art. 2 Abs. 2 verwirklicht Art. 20 Abs. 1 des VN Übereinkommens über die Rechte des Kindes. Unter einer Herauslösung der Kinder aus ihrem familiären Umfeld sind alle Umstände zu verstehen, bei denen der familiäre Obsorgezusammenhang unterbrochen ist, zB wenn Kinder und Jugendliche zum Schutz ihres Wohles bei einer Pflegefamilie oder in einer sozialpädagogischen Einrichtung untergebracht sind oder aufgrund einer gerichtlichen oder behördlichen Verfügung in Haft sind.

Zu Art. 3:

Das Verbot von Kinderarbeit (Art. 3) entspricht Art. 32 Abs. 1 Grundrechte-Charta. Im Einklang mit dieser Regelung wird klargestellt, dass das Verbot nur bis zur Beendigung der Schulpflicht (vgl. Art. 14 Abs. 7a B-VG) gilt.

Jene geringfügigen Tätigkeiten, welche nach derzeitiger Rechtslage (Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz) auch Kindern gestattet sind, sind als „begrenzte Ausnahmen“ zulässig.

Zu Art. 4:

Mit Art. 4 wird das Recht des Kindes auf Berücksichtigung des Kindeswillens (vgl. Artikel 12 des VN Übereinkommens über die Rechte des Kindes: Berücksichtigung des Kindeswillens) realisiert; siehe auch Art. 24 Abs. 1 Satz 3 Grundrechte-Charta.

Zu Art. 5:

Art. 5 Abs. 1 betrifft den Schutz des Kindes vor jeglicher Form von Gewalt, Bestrafungen, Missbrauch, Misshandlungen und Ausbeutung (vgl. Art. 19 Abs. 1, Art. 32 und 34 des VN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes sowie Art. 32 Abs. 2 Grundrechte-Charta). Ziel dieser Bestimmung ist der Schutz von Kindern vor allen Formen von Gewalt zur Disziplinierung und Ausbeutung oder (sexuellen) Befriedigung von Erwachsenen. Maßnahmen zur Sicherung des Kinderwohls durch Einsatz körperlicher Kraft wie das Festhalten von Kleinkindern in gefährlichen Lebenssituationen (z.B. im Straßenverkehr) sind davon nicht umfasst. Ebenso nicht erfasst ist die Ausübung gesetzeskonformen staatlichen Zwangs.

Art. 5 Abs. 2 gewährleistet – nach Maßgabe der Gesetze – das Recht auf Rehabilitation im Sinne von Art. 39 iVm Art. 19 Abs. 2 VN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes.

Zu Art. 6:

Art. 6 betrifft die Rechte von Kindern mit Behinderung, Satz 1 orientiert sich insbesondere an Art. 23 Abs. 2 UN-Kinderrechtskonvention; siehe auch Art. 26 Grundrechte-Charta. Zu Satz 2 siehe Art. 2 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention und Art. 21 Abs. 1 Grundrechte-Charta sowie Art. 7 Abs. 1 letzter Satz
B-VG.

Zu Art. 7:

Art. 7 enthält einen Gesetzesvorbehalt nach dem Vorbild des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Er stellt klar, dass Beschränkungen der Rechte und Ansprüche aus Art. 1, 2, 4 und 6 dieses Bundesverfassungsgesetzes nur aus bestimmten, dem Art. 8 Abs. 2 EMRK entsprechenden Gründen gestattet sind. Beispielsweise können straf- oder fremdenrechtliche Maßnahmen einzelne Rechte eines Kindes beschränken. Zu denken ist aber auch an Fälle, in denen dem Anspruch des Kindes berücksichtigungswürdige Interessen der Eltern entgegenstehen.“

 

Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag erstmals in seiner Sitzung am 9. November 2010 in Verhandlung genommen. Nach der Berichterstattung durch die Abgeordnete Angela Lueger und Wortmeldungen der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Mag. Wilhelm Molterer, Tanja Windbüchler-Souschill und Mag. Ewald Stadler wurden die Verhandlungen vertagt.

Die Wiederaufnahme der Verhandlungen erfolgte am 13. Jänner 2011 mit einem Hearing, an dem als Experten Univ.-Prof. DDr. Christoph Grabenwarter, Sektionschef Dr. Gerhard Hesse, Dr. Dietmar Payrhuber, Mag. Helmut Sax und Martin Stiglmayr teilnahmen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Mag. Ewald Stadler, Tanja Windbüchler-Souschill, Mag. Harald Stefan, Angela Lueger, Mag. Alev Korun, Dr. Peter Wittmann und Mag. Silvia Fuhrmann sowie der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wilhelm Molterer, Mag. Harald Stefan und Mag. Ewald Stadler einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Art. 1, erster Satz und Art. 2 Abs. 2 des Gesetzentwurfes bezog.

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf in der Fassung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wilhelm Molterer, Mag. Harald Stefan und Mag. Ewald Stadler mit Stimmenmehrheit angenommen.

 

Ferner beschloss der Verfassungsausschuss mit Stimmenmehrheit folgende Feststellungen:

„Zu Artikel 5:

Der Verfassungsausschuss stellt zu Abs.1 fest, dass das Ziel dieser Bestimmung der Schutz jedes Kindes unter anderem vor körperlicher Bestrafung ist.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2011 01 13

                                 Angela Lueger                                                              Dr. Peter Wittmann

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann