1267 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Unterrichtsausschusses

über die Regierungsvorlage (1256 der Beilagen): Bundesgesetz mit dem das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften geändert wird

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis G 58/10 ua. vom 25. September 2010 die Wortfolge „als Religionsgemeinschaft durch mindestens 20 Jahre, davon mindestens 10 Jahre“ in § 11 Abs. 1 Z. 1 des Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften, BGBl. I Nr. 19/1998 als verfassungswidrig aufgehoben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte zuvor in EGMR Nr. 40825/98 vom 31. Juli 2008 entschieden, dass diese Regelung nicht im Einklang mit den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Der Verfassungsgerichtshof und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte haben darauf hingewiesen, dass das Erfordernis des Bestandes durch 20 Jahre, davon 10 Jahre als religiöse Bekenntnisgemeinschaft, nicht ausreichend auf die individuelle Situation der verschiedenen Konfessionen eingeht. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll daher das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften im Sinne der zitierten Judikatur angepasst werden. Ergänzend soll für den Fall der Aufhebung einer Anerkennung, die derzeit bereits möglich aber nicht geregelt ist, ein Verfahren vorgesehen werden, das auch eine Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts einfach und rasch ermöglicht.

Die Neuregelung geht von den Grundsätzen der Selbsterhaltungsfähigkeit und des gesicherten Bestandes einer religiösen Bekenntnisgemeinschaft auf Dauer aus. Die Regelung soll die bewährte pauschalierte Betrachtungsweise, wonach die Zahl der Mitglieder und der Zeitraum des bisherigen Bestandes ausreichend sind um einen gesicherten Bestand anzunehmen, beibehalten. Eine umfangreichere qualitative Prüfung wäre mit erheblichem Aufwand für Anerkennungswerber und Behörde verbunden. Da die bisherige Regelung vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und vom Verfassungsgerichtshof als nicht ausreichend sachlich differenziert und damit letztendlich als gleichheitswidrig erkannt wurde, weil ungleiche Sachverhalte gleich behandelt wurden, soll die Regelung mehrere alternative Möglichkeiten vorsehen. Ein Kriterium ist dabei die Einbindung in eine größere, international tätige, Gemeinschaft. Zu dieser Einbindung müssen weitere Merkmale treten, die entweder in einem langen Bestand der internationalen Gemeinschaft oder einem längeren Bestand dieser und der Tätigkeit in Österreich durch einige Jahre bestehen können.

Es ergeben sich daher drei grundsätzliche Modelle. Das erste, geht davon aus, dass sich eine neue Bewegung in Österreich bildet oder hier tätig wird. Hier sind als Bestandszeit 20 Jahre allgemein und in organisierter Rechtsform 10 Jahre vorgesehen, davon mindestens 5 Jahre als religiöse Bekenntnisgemeinschaft. Für den Nachweis, dass die Gemeinschaft in der Lage ist mittelfristig in organisierter Form tätig zu sein, sollte dies als ausreichend betrachtet werden. Die Rechtsform als religiöse Bekenntnisgemeinschaft kann durch einen zumindest 100-jährigen Bestand der Konfession allgemein und 10 Jahre Tätigkeit in Österreich in organisierter Form ersetzt werden. Bei einem Bestand durch 100 Jahre kann davon ausgegangen werden, dass zumindest zwei Generationenwechsel der Anhänger und Träger der Gemeinschaft stattgefunden haben und daher ein gewisses Mindestmaß an Bestandswahrscheinlichkeit erreicht wird. Das Kriterium der bisherigen Tätigkeit in Österreich kann durch einen allgemeinen Bestand von zumindest 200 Jahren ersetzt werden, da bei Gemeinschaften, die bereits so lange bestehen zumindest 4 bis 5 Generationenwechsel stattgefunden haben und der Bestand sohin als gesichert bewiesen ist. Gleichzeitig stehen über solche Gemeinschaften ausreichend öffentlich zugängliche Informationen zur Verfügung, die eine Beurteilung der Gemeinschaft ohne vorherige Tätigkeit in Österreich zulassen. Die Einbindung in eine internationale Gemeinschaft wäre im Kontext der religiösen Lehre zu beurteilen. Es sind daher nicht zwingend Organisationsstrukturen und wortidente Lehren erforderlich, wenn die Art der Einbindung für den Zweck der Regelung, ausreichende Information zur Beurteilung des dauerhaften Bestandes und von Lehre und Praxis im Hinblick auf § 11 Z  3 ausreicht.

Von den derzeit anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften wäre bei allen zumindest einer der Tatbestände erfüllt, da sie alle seit zumindest dem 19. Jhd., somit seit mehr als 100 Jahren, bestehen und in unterschiedlicher Form in internationale Glaubensgemeinschaften eingebunden sind. Weiters sind alle seit mehr als 10 Jahren in unterschiedlicher Form in Österreich tätig.

 

Der Unterrichtsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 21. Juni 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen der Berichterstatterin Abgeordneten Andrea Gessl-Ranftl die Abgeordneten Dr. Harald Walser, Stefan Petzner und Werner Amon, MBA sowie der Ausschussobmann Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, dagegen: G, B) beschlossen.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1256 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2011-06-21

                             Andrea Gessl-Ranftl                                                      Dr. Walter Rosenkranz

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann