1526 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (1505 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (Strafgesetznovelle 2011)

 

Im Sinne des Regierungsprogramms für die XXIV. Gesetzgebungsperiode, in welchem im Kapitel Justiz im Punkt E.6. unter der Überschrift „Überprüfung der Strafrahmen im gesamten materiellen Strafrecht“, die Überprüfung der Stimmigkeit des Systems der Strafrahmen unter besonderer Berücksichtigung von Gewalttaten festgeschrieben ist, sollen nunmehr in konsequenter Fortschreibung der Maßnahmen zum 2. Gewaltschutzgesetz, BGBl I Nr. 40/2009, Strafschärfungen bei strafbaren Handlungen gegen unmündige Personen für derartige strafbare Handlungen vorgesehen werden.

Zum Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch sollen darüber hinaus weitere Maßnahmen im Bereich des Sexualstrafrechts ergriffen werden, die auch der innerstaatlichen Umsetzung internationaler Vorgaben, insbesondere des Übereinkommens des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch, CETS 201, dienen sollen.

Schließlich soll – gleichfalls teils als Maßnahme zum Kinderschutz, teils aber auch darüberhinausgehend – die österreichische Strafgerichtsbarkeit über Auslandstaten insbesondere im Bereich des Sexualstrafrechts, aber auch beim Menschenhandel, bei Zwangsehen sowie bei Genitalverstümmelungen erweitert werden.

Um dem Unrecht angemessener begegnen zu können, das durch strafbare Handlungen verwirklicht wird, die unter Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung von volljährigen gegenüber Personen begangen werden, die das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen für derartige Handlungen Strafuntergrenzen eingeführt bzw. diese angehoben werden und bei alternativer Androhung von Geldstrafe und Freiheitsstrafe die wahlweise Androhung der Geldstrafe entfallen. Darüber hinaus soll ausdrücklich hervorgehoben werden, dass in sonstigen Fällen die Tatbegehung unter Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung durch eine volljährige gegen eine unmündige Person bei der Bemessung der Strafe als Erschwerungsgrund herangezogen werden soll.

Im Bereich des Sexualstrafrechts sollen neben der Ausdehnung der Bestimmungen über die inländische Gerichtsbarkeit neue Strafbestimmungen gegen die Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen und zur Strafbarkeit des Betrachtens pornographischer Darbietungen Minderjähriger eingeführt werden, um insofern den Schutz Minderjähriger vor sexueller Ausbeutung zu verbessern.

Im Bereich der extraterritorialen Gerichtsbarkeit sollen sowohl der Deliktskatalog des § 64 Abs. 1 Z 4a als auch die dort vorgesehenen Anknüpfungspunkte für die Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit ausgeweitet werden.

 

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 22. November 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Franz Glaser die Abgeordneten Christian Lausch, Ing. Peter Westenthaler, Mag. Albert Steinhauser, Tanja Windbüchler-Souschill, Dr. Johannes Jarolim, Mag. Harald Stefan, Herbert Scheibner, Mag. Johann Maier und Mag. Daniela Musiol sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf teils mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, B, dagegen: G), teils einstimmig beschlossen.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer und Dr. Johannes Jarolim einen Entschließungsantrag betreffend Evaluierung „Auswirkungen der Änderung der Strafdrohungen bei Gewalt oder gefährlicher Drohung gegen Unmündige“ eingebracht, der einstimmig beschlossen wurde.

Dieser Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Im Zuge der Strafgesetznovelle 2011 soll als Signal zum verstärkten Schutz von unmündigen Personen gegen sie geübte Gewalt oder gefährliche Drohung eine Änderung der Strafdrohung, also die Einführung oder Anhebung von Mindeststrafdrohungen vorgesehen werden (§ 39a StGB).

Besonderes Augenmerk wäre aus Sicht der Antragsteller darauf zu legen, ob diese Maßnahme im materiellen Recht mit nachteiligen Auswirkungen, insbesondere im Fall interfamiliärer Konflikte mit einen Rückgang der Bereitschaft verbunden ist, ärztliche und sonstige Hilfe und Unterstützung zur Vermeidung einer Strafverfolgung in Anspruch zu nehmen.“

 

Ferner beschloss der Justizausschuss einstimmig folgende Feststellung:

„Zu Art. 1 Z 2 (§ 39a StGB):

Der Justizausschuss hält fest, dass es eines Signals, das Unrecht einer Gewaltanwendung gegenüber Unmündigen als schwächste Mitglieder der Gesellschaft und dadurch Gewalt gegenüber diesen besonders schutzwürdigen Personen auch im Straffolgenausspruch zu betonen, nicht bedarf, wenn keine Gewalt ieS, sondern eine Misshandlung iSv § 83 Abs. 2 StGB vorliegt. Ohrfeigen und andere dem Begriff der „Misshandlung“ zu unterstellende Tathandlungen sollen daher noch nicht zu einer Änderung der Strafdrohung führen, wobei diese Ausnahme auch durch einen Umkehrschluss aus § 107b Abs. 2 StGB begründet werden kann, der für die Anwendung dieser Bestimmung Misshandlungen ausdrücklich unter den hier besonders vertypten Gewaltbegriff subsumiert.

Befürchtungen einer Überreaktion sind aus Sicht des Justizausschusses auch dadurch zu entkräften, dass das gesamte Spektrum von Einstellung wegen Geringfügigkeit (§ 191 StPO), diversionellen Maßnahmen (§§ 198 ff. StPO) für unter der Erheblichkeitsschwelle liegende Fälle bis hin zur Möglichkeit, anstelle der Freiheitsstrafe eine Geldstrafe zu verhängen (§ 37 StGB) oder von der außerordentlichen Strafmilderung Gebrauch zu machen (§ 41 StGB) nach Maßgabe der general- und spezialpräventiven Bedürfnisse erhalten bleibt. Es bleibt daher der Beurteilung im Einzelfall überlassen, welche Sanktion als tat- und schuldangemessen zur Anwendung gelangt.“

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1505 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen;

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2011 11 22

                                   Franz Glaser                                                         Mag. Heribert Donnerbauer

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann