1554 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP
Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales
über die Regierungsvorlage (1512 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz und das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 geändert werden (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2011 – SRÄG 2011)
Zu den Art. 1 bis 5
Im Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ist eine Vielzahl von Anregungen zur Novellierung der Sozialversicherungsgesetze vorgemerkt, wobei es sich in erster Linie um Vorschläge der Sozialpartner handelt. Diesen Änderungsanregungen, die großteils der Anpassung an die Rechtsentwicklung innerhalb und außerhalb der Sozialversicherung dienen sollen, ist der gegenständliche Gesetzentwurf gewidmet.
Im Einzelnen beinhaltet der Entwurf folgende Maßnahmen:
1) Ausweitung der Regelung über das Weiterbestehen der Pflichtversicherung während eines Frühkarenzurlaubes für Väter nach § 29o VBG auf die Landes‑Vertragsbediensteten;
2) Streichung der Bestimmungen über die Abstimmungspflicht bezüglich der Informations- und Aufklärungsarbeit nach § 81a ASVG;
3) Anpassung der Bestimmungen über die knappschaftliche Pensionsversicherung an die Regelung über den Anspruch auf berufliche Rehabilitation;
4) Normierung des Anspruches auf Übergangsgeld bei beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation nach § 253e ASVG samt Parallelrecht bereits ab dem Stichtag;
5) Erweiterung der Bestimmung über den Übergang des Pensions(Renten)anspruches auf den Bund bei Unterbringung der leistungsbeziehenden Person in einer Anstalt für geistig abnorme RechtsbrecherInnen auf Fälle der Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Wohneinrichtung;
6) Festlegung, dass das Zielsteuerungssystem nach § 441e ASVG auch Verwaltungskostenziele der Sozialversicherungsträger und des Hauptverbandes zu enthalten hat;
7) Verpflichtung zur Bonitätsprüfung auch bei der Veranlagung in verzinslichen Wertpapieren, die von Mitgliedstaaten des EWR in Euro begeben werden;
8) Rückzahlung der nachentrichteten Beiträge für Ausübungsersatzzeiten, wenn sie nicht als Beitragsmonate berücksichtigt werden;
9) Festlegung der Beitragsgrundlage für Ausbildungsdienst Leistende anstelle der obsoleten Regelung für Zeitsoldaten im Bereich des GSVG und BSVG;
10) Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Verrechnung bzw. Auszahlung von Beitragsguthaben im GSVG;
11) Adaptierung der Regelung im GSVG über die Rechtsstellung der Erb/inn/en in puncto Selbstbehalt;
12) Klarstellung, dass auch der bloße Antrag auf Feststellung der Erwerbsunfähigkeit vorrangig als Antrag auf Rehabilitationsleistungen gilt;
13) Anpassung der Zurechnungsbestimmungen im APG für die Berechnung des Ausmaßes der Invaliditäts-, Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitspension an die Neuregelung des maximalen „Abschlages“ bei diesen Pensionsarten;
14) redaktionelle Bereinigungen.
Darüber hinaus beinhaltet der Entwurf die Übertragung von Leistungen und Anwartschaften des Pensionsinstitutes für Verkehr und öffentliche Einrichtungen auf den jeweils zuständigen Pensionsversicherungsträger.
Dazu ist grundsätzlich Folgendes zu bemerken:
Das Pensionsinstitut für Verkehr und öffentliche Einrichtungen wurde im Jahr 1898 gegründet und vom Gesetzgeber im Jahr 1956 als „Zuschusskasse öffentlichen Rechts“ in das ASVG übernommen (siehe § 479 ASVG in seiner Stammfassung). Das im Wesentlichen im Umlageverfahren finanzierte System des Pensionsinstitutes für Verkehr und öffentliche Einrichtungen geriet - u. a. weil die Zahl der BeitragszahlerInnen zwischen 1980 und 1997 drastisch gesunken war - ab Mitte der 1990er-Jahre in einen erheblichen finanziellen Engpass.
Im Rahmen eines im Jahr 1999 umgesetzten Sanierungskonzeptes, zu dem neben einem beachtlichen finanziellen Beitrag des Bundes auch die LeistungsbezieherInnen und die Anwartschaftsberechtigten (durch Kürzung von Leistungen und Anwartschaften) sowie die DienstgeberInnen einen Beitrag geleistet hatten, sollte das umlagefinanzierte Altsystem auslaufen, neu eintretende Versicherte aber in einem neuen „beitragsorientierten System“ geführt werden.
Das auslaufende „Altsystem“ (sogenanntes leistungsorientiertes System) startete im Jahr 2000 dennoch mit einer finanziellen Unterdeckung von rund 25,5 Mio. €, die - nachdem in den folgenden Jahren insbesondere auch die zugrunde liegende Ertragserwartung nicht erfüllt werden konnte - spätestens ab Vorliegen der versicherungstechnischen Bilanz zum 31. Dezember 2006 die Setzung entsprechender Maßnahmen Mitte 2007 dringend angezeigt erscheinen ließ.
Die erforderlichen massiven Eingriffe in bestehende Leistungen und Anwartschaften, um das Problem systemintern zu lösen, stießen auf evidente verfassungsrechtliche Schranken, weshalb in der Folge in Gesprächen unter Beteiligung des Pensionsinstitutes, des Sozial- und des Finanzressorts Varianten zur Sanierung unter neuerlicher Hilfestellung des Bundes entwickelt wurden.
In diesem Zusammenhang wurde von den erwähnten Bundesministerien insbesondere auch eine umfassende Prüfung der Sachlage durch den Rechnungshof als Basis für eine tragfähige Lösung in die Wege geleitet (vgl. Bericht des Rechnungshofes Bund 2011/4).
Die nunmehr vorgeschlagene Lösung basiert auf der Übernahme sämtlicher Zuschussleistungen und Anwartschaften aus dem im Pensionsinstitut geführten „Altsystem“ (dem leistungsorientierten System nach Abschnitt V der Satzung 2006, verlautbart im Internet unter „www.avsv.at“) in die Höherversicherung nach § 248 ASVG.
Das Nähere dazu (inklusive der finanziellen Auswirkungen) ist den Ausführungen im Besonderen Teil der Erläuterungen zu entnehmen.
In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich das im Entwurf vorliegende Bundesgesetz auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 B‑VG („Sozialversicherungswesen“).
Zu Art. 6
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden im Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz durch Änderungen im EU-Recht erforderlich gewordene Rechtsbereinigungen und Aktualisierungen sowie die Aufhebung überholter Regelungen vorgenommen; unter anderem insbesondere durch
- Bestimmung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger als Verbindungsstelle in zwischenstaatlichen Angelegenheiten;
- Übertragung der Funktion als Zugangsstelle im Rahmen von EESSI („Electronic Exchange of Social Security Information“);
- Festsetzung von Kostenersätzen für die Wahrnehmung dieser Aufgaben. Bestimmung des zuständigen Trägers in zwischenstaatlichen Angelegenheiten;
- Verbesserungen für Personen, die ihre Pensionen nach dem Unionsrecht neu feststellen lassen sowie
- Ergänzende Klarstellungen für die Anwendung der bilateralen Abkommen über soziale Sicherheit
Zusammenfassend kann daher hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen festgehalten werden, dass der Entwurf zwar vor allem durch die Einrichtung einer Zugangsstelle finanzielle Auswirkungen haben kann, diese allerdings seriöserweise nicht geschätzt werden können und auf jeden Fall im Vergleich zu den Gesamtkosten der sozialen Sicherheit nicht ins Gewicht fallen werden. Die Länder können zusätzliche Kosten durch die Einrichtung eigener Verbindungs- und Zugangsstellen vermeiden, indem sie diese Aufgaben durch landesrechtliche Vorschriften auf den Hauptverband übertragen.
In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich das im Entwurf vorliegende Bundesgesetz auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 B‑VG („Sozial- und Vertragsversicherungswesen“ sowie „Pflegegeldwesen“), hinsichtlich der Familienleistungen auf Art. 10 Abs. 1 Z 17 B‑VG) und, soweit Regeln über die Vertretung der Republik Österreich gegenüber ausländischen Stellen betroffen sind, auf Art. 10 Abs. 1 Z 2 B‑VG.
Zu den Art. 7 bis 9
Die Änderungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 dienen insbesondere der auf Grund von Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes erforderlichen gesetzlichen Klarstellung und Gewährleistung der Vollziehbarkeit.
Die Änderung des Arbeitsmarktservicegesetzes zielt auf die Schaffung einer ausreichenden Rechtsgrundlage für die personenbezogene Erfassung des Migrationshintergrundes arbeitsloser Personen.
Die Verlängerung der befristeten Finanzierungsregelung im Bauarbeiter‑Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 gewährleistet stabile Lohnnebenkosten in wirtschaftlich unsicheren Zeiten.
In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützen sich die im Entwurf vorliegenden bundesgesetzlichen Änderungen auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 B‑VG („Sozialversicherungswesen“).
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 23. November 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Johann Hechtl die Abgeordneten August Wöginger, Karl Öllinger, Ulrike Königsberger-Ludwig, Werner Neubauer, Sigisbert Dolinschek, Herbert Kickl, Mag. Christine Lapp und Bernhard Vock sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Renate Csörgits und August Wöginger einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:
„Zu Art. 1 lit. a (§ 658 Abs. 1 Z 1 ASVG):
Mit der vorgeschlagenen Änderung soll eine Zitierung in den Schlussbestimmungen zur 75. ASVG‑Novelle richtig gestellt werden.
Zu Art. 1 lit. b, Art. 2 lit. b und Art. 3 (§ 663 Abs. 4 ASVG; § 342 GSVG; § 332 BSVG):
Die Erhöhung der Pensionen in der gesetzlichen Pensionsversicherung ist im § 108h ASVG geregelt. Der dabei zur Anwendung gelangende Anpassungsfaktor orientiert sich am Richtwert nach § 108f ASVG, dieser wiederum an der Erhöhung der VerbraucherInnenpreise in zwölf Kalendermonaten bis zum Juli des Jahres, das dem Anpassungsjahr vorausgeht.
Für den Richtwert für das Jahr 2012 ist somit das arithmetische Mittel der Inflationsraten August 2010 bis einschließlich Juli 2011 heranzuziehen. Der daraus resultierende Anpassungsfaktor beträgt 1,027, dies entspricht einer (dauerrechtlichen) Erhöhung der Pensionen um 2,7 %.
Abweichend davon soll für das Jahr 2012 folgende abgestufte Pensionsanpassung Platz greifen:
- Nur jene Pensionen, die nicht höher sind als 3 300 € monatlich, werden mit dem Anpassungsfaktor erhöht.
- Pensionen, die den Betrag von 3 300 € übersteigen und nicht höher sind als 5 940 €, werden mit einem Prozentsatz erhöht, der zwischen den genannten Beträgen linear absinkt, und zwar von jenem Prozentsatz, der der Erhöhung mit dem Richtwert entspricht, bis auf den Wert 1,5 %.
- Pensionen, die den Betrag von 5 940 € übersteigen, werden um 1,5 % erhöht.
Der auf Grund einer Höherversicherung erworbene besondere Steigerungsbetrag soll jedenfalls mit dem Anpassungsfaktor erhöht werden, zumal diese Höherversicherung auf Beiträgen beruht, die freiwillig geleistet worden sind.
Zu Art. 2 lit. a (§ 229f GSVG):
Nach Art. 2 Z 8 des 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2010, BGBl. I Nr. 102, wurde das GSVG um einen § 229f erweitert. Diese Paragraphenbezeichnung war allerdings bereits im Rahmen des KünstlerInnensozialversicherungs-Strukturgesetzes, BGBl. I Nr. 92/2010, vergeben worden.
Zur Klarstellung soll die später erlassene Vorschrift die Bezeichnung ‚§ 229g‘ erhalten.“
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Renate Csörgits und August Wöginger mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V dagegen: F, G, B) beschlossen.
Zwei weitere im Zuge der Debatte vom Abgeordneten Karl Öllinger eingebrachte Abänderungsanträge fanden jeweils keine Mehrheit (für die Anträge: G dagegen: S, V, F, B).
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Renate Csörgits, August Wöginger und Karl Öllinger einen Entschließungsantrag betreffend Überführung der Architekten und Ingenieurkonsulenten in das FSVG eingebracht, der einstimmig beschlossen wurde.
Dieser Entschließungsantrag war wie folgt begründet:
„Die Architekten und Ingenieurkonsulenten streben die Überführung ihrer Wohlfahrtseinrichtungen, der Altersvorsorge der Ziviltechniker, in das staatliche Pensionsversicherungssystem (FSVG) an.
Mit der Aufnahme der Ziviltechniker in das FSVG würde ein weiterer Schritt in Richtung der vom Nationalrat in mehreren Entschließungen geforderten Harmonisierung des Pensionsversicherungssystems in Österreich gesetzt.“
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle
1. dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;
2. die angeschlossene Entschließung annehmen.
Wien, 2011 11 23
Johann Hechtl Renate Csörgits
Berichterstatter Obfrau