1584 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP
Bericht
des Verkehrsausschusses
über die Regierungsvorlage (1506 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird
Die EU hat die Regulierung für den Eisenbahnbereich im Wege von zwei neuen Richtlinien weiterentwickelt. Das ist einerseits die neu gefasste Richtlinie 2008/57/EG über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der Gemeinschaft und andererseits die parallele Richtlinie 2008/110/EG zur Änderung der Richtlinie 2004/49/EG über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft. Beide Richtlinien erfordern innerstaatlich gesetzliche Maßnahmen zu ihrer Umsetzung, die im vorliegenden Entwurf vorgesehen sind.
Richtlinie 2008/57/EG:
Die Erkenntnis, dass der Betrieb von Zügen innerhalb des Gebietes der Europäischen Union eine hervorragende Kohärenz von Infrastruktur- und Fahrzeugkennwerten voraussetzt, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten und die internen Regelungen der in ihnen ansässigen Eisenbahnunternehmen sowie in Mitgliedstaaten angewandte technische Spezifikationen innerhalb der Europäischen Union jedoch große Unterschiede aufweisen und dies einem flüssigen Verkehr von Zügen innerhalb der Europäischen Union entgegensteht, hatte zur Erlassung der Regelungen über die Interoperabilität geführt. Das war zunächst die Richtlinie 96/48/EG über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems, und dann die Richtlinie 2001/16/EG über die Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems. Die Richtlinie 2008/57/EG ersetzte diese beiden Richtlinien durch eine neue gesamthafte Richtlinie über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems, die inhaltlich die wesentlichen Instrumente zur Interoperabilität beibehielt und zusammenfasste.
Die Regelungen zur Interoperabilität sind nach den bisher im 8. Teil des EisbG umgesetzten Interoperabilitäts-Richtlinien nur auf das Hochgeschwindigkeitsbahnsystem und das konventionelle Eisenbahnsystem anzuwenden, wie es mit dem transeuropäischen Verkehrsnetz korrespondiert, in das wiederum in Österreich die Hauptbahnen und einzelne vernetzte Nebenbahnen fallen. Die umzusetzende neue Interoperabilitäts-Richtlinie 2008/57/EG bringt es mit sich, dass der Anwendungsbereich der Regelungen zur Interoperabiliät grundsätzlich auf das Eisenbahnsystem schlechthin ausgeweitet werden soll. Gleichzeitig wurde aber erkannt, dass das nicht in allen Fällen geboten erscheint, sodass die Mitgliedstaaten anhand einiger Tatbestände regeln dürfen, was ausgenommen bleiben soll. Davon soll auch in Österreich Gebrauch gemacht werden. Die Abgrenzung der Ausnahmen ist im Detail im § 86 vorgesehen. Bei der Ausnahme der auf die Infrastruktur bezüglichen Teilsysteme gewisser vernetzter Nebenbahnen wird danach differenziert, ob es sich um den Bestand einschließlich von Erweiterungen handelt, oder ob auf diesen Eisenbahnen erst künftig die genannten Merkmale zur Betriebsführung hergestellt werden; in letzterem Fall ist eine Ausnahme nur unter weiter einschränkenden Bedingungen vorgesehen.
Im Ergebnis wären gemäß § 86 künftig in Österreich als Eisenbahnsystem für die Interoperabilität im Wesentlichen folgende Eisenbahnen bzw. Teilsysteme vom 8. Teil des EisbG erfasst: Hauptbahnen; vernetzte Nebenbahnen, die schon bisher als ein Bestandteil des TEN ausgewiesen waren; sonstige vernetzte Nebenbahnen nur, wenn sie nicht nach den Merkmalen im Abs. 2 ausgenommen sind; Anschlussbahnen zu und von Güterterminals und Häfen.
Mit dieser Abgrenzung des Anwendungsbereiches zur Interoperabilität wird ein wirtschaftlich nicht vertretbarer Aufwand für anpassende Investitionen im Bestand dort vermieden, wo der Aufwand im Verhältnis zum Nutzen unverhältnismäßig wäre. Im Ergebnis blieben damit Teilsysteme des größeren Teils der bestehenden Privatbahnen ausgenommen; die allgemein formulierte Ausnahme erfasst aber auch vernetzte Nebenbahnen im Bereich der ÖBB mit den im § 86 Abs. 2 geregelten Merkmalen.
In die Richtlinie 2008/57/EG wurden auch die Regelungen über die Genehmigung von Schienenfahrzeugen vor deren erster Inbetriebnahme und über die Anerkennung im Ausland erteilter Genehmigungen sowie über eine Genehmigung für Typen von Schienenfahrzeugen eingebaut. Es wird richtliniengemäß vom Grundsatz einer einzigen Genehmigung und Anerkennung im Ausland erteilter Genehmigungen ausgegangen. Richtliniengemäß wird dem einzelnen Mitgliedstaat auch die Option zu einer einschränkenden Umsetzung mit detailreichen Vorgaben zu einer teilweisen Anerkennung offen gelassen. Von dieser Option bei der Umsetzung Gebrauch zu machen erübrigt sich in Österreich, zumal es schon bisher im EisbG eine grundsätzliche Regelung gibt, wonach die bei der Ausübung des Zugangs benötigten und in anderen Staaten der EU erteilten Rechtsakte den im Inland erteilten entsprechenden Genehmigungen gleich gehalten werden. Auch Regelung zur Genehmigung von Schienenfahrzeugtypen enthält das EisbG bereits in Gestalt der über die Bauartgenehmigung für Schienenfahrzeuge. Diese gesetzlichen Regelungen lassen freilich das Erfordernis unberührt, dass Besonderheiten aus den österreichischen Vorschriften und für die Benützung der österreichischen Eisenbahnen beim Zugang auch von ausländischen Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Schienenfahrzeugen, für welche die Genehmigung im Ausland erteilt wurde, einzuhalten sind. Dass die Vorkehrungen zu einem sicheren Betrieb von Schienenfahrzeugen und Verkehr auf den Eisenbahnen, die Gegenstand eines Begehrens auf Zuweisung von Zugtrassen sein sollen, insgesamt gewährleistet sind, ist bereits im Verfahren vor der Ausstellung der Sicherheitsbescheinigung jedes Eisenbahnverkehrsunternehmens zu prüfen. Die für die Benützung einer österreichischen Eisenbahn beim Zugang zu erfüllenden spezifischen Anforderungen an die Schienenfahrzeuge ergeben sich aus den Schienennetznutzungsbedingungen, welche jedenfalls einzuhalten sind. Abgesehen davon, dass im EisbG die Regelungen für die Genehmigung der Schienenfahrzeuge und deren Anerkennung bereits enthalten sind, ist eine zusätzliche Regelung zur Interoperabilität für den Fall umzusetzen, dass noch keine Genehmigung vorliegt, aber ein Genehmigungsverfahren bei den Behörden in verschiedenen Staaten parallel eingeleitet wurden. Für den Fall ist im § 106 eine neue Sonderbestimmung für das Bauartgenehmigungsverfahren zur Zusammenarbeit der Behörden vorgesehen.
Im Übrigen sind die meisten Bestimmungen im 8. Teil wie die über die Teilsysteme und die Interoperabilitätskomponenten, über die grundlegenden Anforderungen sowie über die spezifizierenden Regelungen und die Register inhaltlich schon bisher im EisbG für das Hochgeschwindigkeitsbahnsystem einerseits und für das konventionelle Eisenbahnsystem andererseits in gesonderten Hauptstücken enthalten gewesen. Sie werden neu zusammengefasst zur Interoperabilität für das Eisenbahnsystem insgesamt. Was die Regelungstechnik anlangt, wird mangels eines nennenswerten Umsetzungsspielraumes für diesen Teil des EisbG überdies auf einige Anhänge der Richtlinie verwiesen (Gliederung des Eisenbahnsystems in Teilsysteme; Maßnahmen zur Erfüllung der grundlegenden Anforderungen; Inhalt der EG-Erklärung und der EG-Prüferklärung; EG-Prüfverfahren).
Richtlinie 2008/110/EG:
Diese Richtlinie, mit der die Richtlinie 2004/49/EG geändert wird, sieht schwerpunktmäßig ergänzende Bestimmungen zu einer EU-weit harmonisierten Vorgangsweise für die Instandhaltung von Schienenfahrzeugen vor. Ein Halter muss demnach die Zuständigkeit für die Instandhaltung eines von ihm gehaltenen Schienenfahrzeuges ausdrücklich einer Instandhaltungsstelle übertragen. Er kann jedoch die Funktion einer Instandhaltungsstelle selbst ausüben, wenn er die an eine Instandhaltungsstelle gestellten Anforderungen selbst erfüllt. Jede Instandhaltungsstelle hat ein Instandhaltungssystem für Schienenfahrzeuge einzurichten. Für das Instandhaltungssystem für Güterwagen im Besonderen wird darüber hinaus den Vorgaben der Richtlinie folgend ein besonderer Qualifikationsnachweis im Wege einer Zertifizierung verlangt.
Richtlinie 96/82/EG i.d.F. der Richtlinie 2003/105/EG:
Die Umsetzung dieser Richtlinien soll, soweit sie auch den Eisenbahnbereich erfassen, ergänzt werden, indem ein neuer § 30a in das EisbG eingefügt wird. Die Bestimmung wird im besonderen Teil der Erläuterungen dargestellt.
Sonstige Änderungen:
Die vorliegenden richtlinienbedingten Änderungen im EisbG sollen auch zum Anlass genommen werden, einzelne andere Bestimmungen des Gesetzes an Erkenntnisse aus praktischen Erfahrungen anzupassen. Dazu wird auf die jeweiligen Ausführungen zu den einzelnen Bestimmungen im besonderen Teil der Erläuterungen verwiesen.
Der Verkehrsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 30. November 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Wilhelm Haberzettl die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Christoph Hagen, Dr. Martin Bartenstein und Dipl.-Ing. Gerhard Deimek sowie die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures.
Ein Vertagungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser wurde abgelehnt.
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, dagegen: G, B) beschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verkehrsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1506 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2011 11 30
Wilhelm Haberzettl Anton Heinzl
Berichterstatter Obmann