1627 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP
Bericht
des Unterrichtsausschusses
über die Regierungsvorlage (1511 der Beilagen): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Förderung von Lehrgängen für Erwachsene im Bereich Basisbildung/Grundkompetenzen sowie von Lehrgängen zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses
Schätzungen der UNESCO-Kommission Österreich gehen davon aus, dass zwischen 300.000 und 600.000 Menschen in Österreich über keine ausreichenden Kompetenzen in den Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen verfügen, um am sozialen Leben angemessen teilnehmen und am Arbeitsmarkt langfristig bestehen zu können.
Das „Institut für Höhere Studien“ (IHS) errechnete einen Anteil von 280.000 Personen im erwerbsfähigen Alter, die über keinen positiven Pflichtschulabschluss verfügen, wobei laut Berechnung des IHS jährlich rund 5.000 Jugendliche hinzukommen, die ihre Schulpflicht erfüllt, aber keinen positiven Pflichtschulabschluss als Mindestvoraussetzung für einen erfolgreichen Start ins Berufsleben erworben haben.
Bildungsprogramme für Erwachsene, die dazu beitragen, die Chancen der Menschen im Bereich der Basisbildung/Grundkompetenzen zu verbessern, erfordern oftmals einen Kostenbeitrag von den in der Regel sehr einkommensschwachen oder gar armutsgefährdeten Teilnehmer/inne/n, was eine gravierende Hürde für den Besuch solcher Weiterbildungsprogramme darstellt.
Ähnliches gilt für die Bildungsprogramme zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses, die gleichfalls überwiegend mit erheblichen Kosten für die Teilnehmer/innen verbunden sind. Dazu kommt, dass die Angebote zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses qualitativ und quantitativ (z.B. bezüglich der angebotenen Zahl an Trainingseinheiten) je nach Anbieter stark variieren und damit höchst unterschiedliche Drop-out-Quoten mit negativen Spitzenwerten bis zu 70 Prozent aufweisen.
Hauptziel der Vereinbarung ist daher die Implementierung von unentgeltlichen Bildungsangeboten für Erwachsene in den Bereichen
- Basisbildung/Grundkompetenzen
- Nachholen des Pflichtschulabschlusses
im Rahmen eines Länder-Bund-Kofinanzierungsmodells, das eine 50:50 Kostenaufteilung zwischen Land und Bund vorsieht. Als Basis des Förderprogramms werden die curricularen Inhalte, qualitative Mindeststandards und die Finanzierungsgrößen für die beiden genannten Bildungsbereiche jeweils bundesweit einheitlich festgelegt.
Folgende Gesichtspunkte sind für das Länder-Bund-Förderprogramm ausschlaggebend:
1. Gemeinsame Zieldefinitionen
- Zielgruppenspezifische Programmausrichtung für die Bereiche Basisbildung/Grundkompetenzen und Nachholen des Pflichtschulabschlusses
- Bundesweit einheitliche Zugangskriterien für die betroffenen Menschen
- Kohärenz der Fördersysteme von Ländern und Bund in den beiden Förderbereichen
2. Wissenschaftlich fundierte Mengengerüste
- Differenzierte Bedarfsschätzungen je Bundesland
- Zielgrößen je Bundesland
3. Bundesweit einheitliche Durchführungs-Standards durch zentrale Akkreditierung
- Einheitliche qualitative Mindeststandards für
a) die Anbieter (z.B. im Hinblick auf Raumausstattung, Infrastruktur etc.)
b) die Kursinhalte, den Kursaufbau und erforderliche Begleitmaßnahmen (Kompetenzfeststellung zu Maßnahmenbeginn, Curriculum, Beratung und Coaching etc.)
c) die Qualifikation der Trainer/innen (unter Berücksichtigung formaler und nicht-formaler Qualifikationen)
4. Länder-Bund Kofinanzierungsmodell
- Gemeinsam festgelegte Normkostenmodelle für die zwei Programmbereiche
- 50:50 Finanzierung von Bund und Ländern in beiden Programmbereichen
5. Einheitliches Monitoring und gemeinsame Programmevaluierung
6. Laufzeit des Programms: Jänner 2012 bis Dezember 2014
Die Abwicklung des Programms folgt dem Prinzip, dass die Qualität bundesweit einheitlich gesichert wird, die konkrete Förderentscheidung über das Ansuchen eines Bildungsträgers jedoch ausschließlich durch das jeweilige Land erfolgt und der Bund in weiterer Folge seinen Finanzierungsanteil im vertraglich vereinbarten Rahmen an das Land refundiert (One-stop-shop als Prinzip der Förderabwicklung).
Mit diesem Fördermodell wird im Bereich der Erwachsenenbildung ein Weg der partnerschaftlichen Zusammenarbeit beschritten, welcher föderalen Entscheidungsfreiräumen Rechnung trägt und zugleich eine wirkungsorientierte, von Ländern und Bund gemeinsam getragene Bündelung der Ressourcen im Bereich der Erwachsenenbildung erlaubt. Ein wesentlicher Mehrwert des Modells liegt darin, dass sich die verfügbaren Landesmittel und die Mittel des Bundes in ihrer Effektivität wechselseitig verstärken und damit nachhaltige bildungspolitische Wirkungen erzielbar sind, die aus Landes- oder Bundesmitteln allein nicht erzielbar gewesen wären.
Die Vereinbarung wird im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung geschlossen und gründet sich auf Art. 15a Abs. 1 B-VG. Da die Vereinbarung auf mehrjährige Sicht finanzielle Verpflichtungen des Bundes gegenüber den Ländern schafft und daher den Handlungsspielraum des Budgetgesetzgebers einschränkt, bedarf sie der Genehmigung des Nationalrates.
Der Unterrichtsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 15. Dezember 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Franz Riepl die Abgeordneten Anna Franz, Dr. Harald Walser und Stefan Markowitz sowie die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied.
Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieser Vereinbarung zu empfehlen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:
Der Abschluss der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Förderung von Lehrgängen für Erwachsene im Bereich Basisbildung/Grundkompetenzen sowie von Lehrgängen zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses (1511 der Beilagen) wird genehmigt.
Wien, 2011 12 15
Franz Riepl Dr. Walter Rosenkranz
Berichterstatter Obmann