1628 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Unterrichtsausschusses

über die Regierungsvorlage (1617 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert werden

 

1. Das geltende Schulrecht berücksichtigt zwar in vielerlei Hinsicht die besondere Situation von Schülerinnen und Schülern mit Lernschwierigkeiten oder solchen mit Begabungen (zB Frühwarnsystem, Elterninformationen und -gespräche, Überspringen von Schulstufen), sieht jedoch vergleichsweise wenige konkrete Unterstützungsmaßnahmen vor, die eine negative Beurteilung tatsächlich verhindern und eine effektive Lernunterstützung bieten können (dzt. Förderunterricht, Wiederholung ganzer Schulstufen) oder Begabungen fördern. Schullaufbahnverluste einerseits und unentdeckte Begabungen andererseits sind zu vermeidende Folgen.

2. Die Integration von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) erfolgt derzeit in der Polytechnischen Schule auf Grundlage von Schulversuchen und nicht im Regelschulwesen. Zur Förderung des gemeinsamen Unterrichts von Schülerinnen und Schülern mit und ohne SPF im letzten Jahr ihrer Schulpflicht bedarf es der gesetzlichen Verankerung des integrativen Unterrichts in der Polytechnischen Schule und in der alternativ zu besuchenden Haushaltungsschule.

3. Das Schulunterrichtsgesetz regelt die innere Organisation aller Schulen, sofern es sich nicht um Schulen für Berufstätige oder um land- und forstwirtschaftliche Berufs- und Fachschulen handelt. Für Schulen für Berufstätige wurde mit der Novelle zum SchUG-B, BGBl. I Nr. 53/2010, ein neues modulares System eingeführt, das den Studienbedürfnissen erwachsener Studierender eher entspricht. Dieses modulare System gilt jedoch nicht für andere Sonderformen von Schulen, obwohl auch an diesen von den Rahmenbedingungen her modulare Studienangebote sinnvoll wären, was die Vielzahl an Schulversuchen vor allem im Kollegbereich zeigt.

Hauptgesichtspunkte des Gesetzentwurfes:

1. In Österreich werden seit dem Schuljahr 2002 Schulversuche zu einer modularen Oberstufe entwickelt. Diese Schulversuche sehen eine weitreichende Individualisierung der Schullaufbahnen und neue Unterstützungsmaßnahmen bei Lernschwächen vor. Die Evaluierung der Schulversuche seit 2005/06 legt dar, dass die Schulversuche zu einer Reduktion der Schulstufenwiederholungen und der Dropout-Quote führten. Die Schülerinnen und Schüler gaben an, dass sie den Verbleib im Klassenverband bis zur abschließenden Prüfung bei gleichzeitigem Förderunterricht und anderen Nachhol- bzw. Vertiefungsmöglichkeiten, die Möglichkeit des freiwilligen Wiederholens und das Lerncoaching sehr befürworteten. Die Vorbereitung auf die Anforderungen des tertiären Bereichs wäre zielführender, ihre Leistungsmotivation höher. Die Schülerinnen und Schüler entwickeln ein höheres Ausmaß an Eigenständigkeit, Selbstverantwortung und Zeitmanagement. Die Lehrerinnen und Lehrer meldeten zurück, dass bei Teilleistungsschwächen eine bessere Förderung erfolgt und dass individuelle Begabungen der Schülerinnen und Schüler im Ansatz stärker berücksichtigt werden können.

Die vorliegende Novelle verfolgt das Ziel, allen Schülerinnen und Schülern ab der 10. Schulstufe von zumindest dreijährigen mittleren und höheren Schulen („neue Oberstufe“) ein Paket an Maßnahmen zur Förderung und Unterstützung (auch von Begabungen) zur Verfügung zu stellen, um die Schullaufbahnen so kurz und effizient wie nur möglich zu gestalten. Den bestehenden Lernschwächen ist durch Maßnahmen gezielter individueller Förderung, die bei Bedarf auch mit Unterstützung eines Lernbegleiters bzw. einer Lernbegleiterin erfolgen kann, zu begegnen. Defizite sollen durch gezielte Fördermaßnahmen ausgeglichen werden. Die in der Novelle vorgeschlagenen Maßnahmen bewirken besonders bei jenen Schülerinnen und Schülern, die aufgrund ihrer Leistungen als „Risikogruppe“ gelten, neben pädagogischen Vorteilen eine effizientere und damit raschere Erreichung der Bildungs- und Lernziele.

2. Derzeit stellen sich die schulorganisatorischen Rahmenbedingungen für einen gemeinsamen (integrativen) Schulbesuch von behinderten und nicht behinderten Schülerinnen und Schülern wie folgt dar: bis zur 8. Schulstufe ist der integrative Besuch in der Volksschule, der Hauptschule und der AHS-Unterstufe möglich. Als Schulwahl für die 9. Schulstufe stehen den Erziehungsberechtigten von Schülerinnen und Schülern mit SPF neben den Formen der Sonderschule Schulversuche in der Polytechnischen Schule und vereinzelt in einstufigen berufsbildenden mittleren Schulen zur Verfügung.

Mit dem vorliegenden Entwurf sollen in den entsprechenden Gesetzen die Voraussetzungen geschaffen werden, um – gemäß den Schwerpunktsetzungen des Regierungsprogramms – die Integration auf der 9. Schulstufe weiter voranzutreiben. Dazu sollen die Schulversuche zur Integration von Schülerinnen und Schülern mit SPF in der Polytechnischen Schule in das Regelschulwesen überführt werden. Da als Alternative auf der 9. Schulstufe auch die Haushaltungsschule, eine einjährige berufsbildende mittlere Schule, besucht werden kann, soll auch hier die rechtliche Möglichkeit für den integrativen Unterricht geschaffen werden.

3. Im Zuge der umfassenden Neugestaltung der Oberstufe ab der 10. Schulstufe wird eine weitere schulorganisations- und schulunterrichtsrechtliche Änderung durchgeführt. So wird das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige aus Gründen der gleichartigen Organisation und der Zweckmäßigkeit zu einem Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge erweitert, das neben den Berufstätigenformen auch die Tagesformen der Kollegs und der Vorbereitungslehrgänge umfassen soll. Sonderformen mit Jahresgliederung (Vorbereitungslehrgänge) sollen organisationsrechtlich (Lehrplan) in eine Semestergliederung übergeführt werden.

 

Der Unterrichtsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 15. Dezember 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Werner Amon, MBA die Abgeordneten Andrea Gessl-Ranftl, Dr. Harald Walser, Stefan Petzner, Ulrike Königsberger-Ludwig, Mag. Helene Jarmer, Dr. Franz-Joseph Huainigg, Elmar Mayer und Franz Riepl sowie die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied und der Ausschussobmann Dr. Walter Rosenkranz.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, dagegen: F, G, B ) beschlossen.

Ferner beschloss der Unterrichtsausschuss mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G, dagegen: F, B) folgende Feststellungen:

Der Unterrichtsausschuss stellt fest:

Da die Förderung von Schülerinnen und Schülern wie auch die auf individuelle Bedürfnisse und Begabungen abgestimmte professionelle Begleitung in ihrem Lernprozess einen Schwerpunkt der Neuordnung der Oberstufe darstellen, soll im Hinblick auf diese Förderung und Begleitung von Schülerinnen und Schülern mit Lernrückständen und/oder Lernschwächen das Institut der individuellen Lernbegleitung im Schulunterrichtsgesetz verankert werden.

Korrespondierend dazu soll im § 63c des Gehaltsgesetzes 1956 eine Abgeltungsregelung eingeführt werden, die auch für in diesem Bereich eingesetzte I L sowie II L Lehrkräfte gelten soll. Die Übernahme der Aufgabe der individuellen Lernbegleitung ist seitens der Schulleitung innerhalb der hierfür vorgesehenen Ressourcen im Rahmen von einer Schülerin bzw. einem Schüler bis maximal zwei Schülerinnen bzw. Schüler pro Lehrkraft für die Betreuung im erforderlichen Ausmaß angeordnet. Für die Lernbegleitung sollen bis zu acht Stunden pro Semester für ein bis zwei zu betreuende Schülerinnen und Schüler zur Verfügung stehen.

Die Lernbegleiterinnen bzw. die Lernbegleiter haben die ihnen gem. § 55c SchUG zufallenden Aufgaben innerhalb der Betreuungsstunden zu erfüllen. Davon ausgenommen sind eine allenfalls im Rahmen der individuellen Lernbegleitung durchzuführende Besprechung mit einer anderen Lehrkraft bzw. die Teilnahme an Lehrerkonferenzen. Dafür ist keine gesonderte Abgeltung vorgesehen.

Ausgegangen wird von einer „Risikogruppe“ an Schülerinnen und Schülern, die über alle Schultypen rund 32% oder rund 36.600 Personen umfasst.

Die dafür notwendigen Adaptierungen im Gehaltsgesetz sind ehebaldigst einer Beschlussfassung zuzuführen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1617 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2011 12 15

                            Werner Amon, MBA                                                      Dr. Walter Rosenkranz

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann