1658 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten

über die Regierungsvorlage (1388 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten

Das Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Abkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Abkommen keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Die Entwicklungen der letzten Jahre in den Bereichen des internationalen Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität haben die Notwendigkeit einer verstärkten internationalen Zusammenarbeit von Polizei und Justiz verdeutlicht. Diesem Ziel dient in den USA der vom US-Kongress im Jahre 2007 angenommene sog. „09/11 Commission Act“. Die USA sind ein wichtiger Partner Österreichs in der grenzüberschreitenden Bekämpfung von schweren Straftaten. Die Zusammenarbeit mit den USA ist im Zeitalter des visafreien Reiseverkehrs daher auch im Interesse des Schutzes österreichischer StaatsbürgerInnen.

Die USA traten im Jahr 2008 mit dem Vorschlag des Abschlusses bilateraler Abkommen im vorstehenden Sinne an Österreich und an andere europäische Staaten heran. Auch in der Erwägung, dass eine solche verstärkte Zusammenarbeit den Schutz der österreichischen Bürger/innen vor internationaler organisierter Kriminalität erhöhen würde, hat die Bundesregierung am 9. März 2010 (siehe Pkt. 18 des Beschl.Prot. Nr. 52) beschlossen, Verhandlungen über ein Abkommen mit den USA zur  Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten  ( „Agreement on Enhancing Cooperation in Preventing and Combating Serious Crime“, PCSC-Abkommen) aufzunehmen.

Das Verhandlungsmandat der österreichischen Bundesregierung hat hierbei den Abschluss des Abkommens an die Sicherstellung eines aus österreichischer Sicht angemessenen Datenschutzniveaus geknüpft.

Mit Beschluss der Bundesregierung vom 19. Oktober 2010 (sh. Pkt. 18 des Beschl.Prot. Nr. 76) wurde das ausgehandelte Abkommen genehmigt und am 15. November 2010 in Wien unterzeichnet.

Das Abkommen ermöglicht den österreichischen Sicherheitsbehörden eine noch effizientere Zusammenarbeit mit den US-Behörden bei der Bekämpfung schwerer Straftaten einschließlich des Terrorismus.

Der Anwendungsbereich des Abkommens ist auf terroristische und schwerwiegende Straftaten eingeschränkt, die in Artikel 1 des Abkommens definiert werden (Strafdrohung von mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe). Hinsichtlich automatisierter Abfragen von daktyloskopischen Daten bzw. DNA-Profilen gemäß Artikel 4 bzw. Artikel 7 beruht der Informationsaustausch auf dem Prinzip der Einzelabfragen und zwar sowie nach dem sog. Treffer-/Nicht-Trefferprinzip (hit-/no hit-Verfahren). Das Treffer-/Nicht-Trefferprinzip sieht vor, dass beim automatisierten Abruf von daktyloskopischen Daten bzw. DNA-Profilen gemäß Artikel 4 bzw. Artikel 7 zunächst nur die Tatsache eines Treffers durch Übermittlung der passenden daktyloskopischen Daten und DNA-Profilen sowie der dazugehörenden Kennungen, mitgeteilt wird. Die Übermittlung weiterer personenbezogener und sonstiger Daten erfolgt gemäß Artikel 5 bzw. 8 in einem zweiten Schritt nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts. Weiters statuieren die Vertragsparteien in Artikel 10 die Möglichkeit, sich unter genau normierten Bedingungen wechselseitig über schwere Straftaten mit einer transnationalen Dimension und terroristische Straftaten auch ohne vorhergehendes Ersuchen zu informieren, sofern die Interessen einer der beiden Vertragsparteien berührt sind.

Neben allgemeinen Datenschutzgrundsätzen (siehe Artikel 11) werden im Abkommen spezifische Übermittlungs- bzw. Verwendungsbeschränkungen (Artikel 12 und 13) sowie Vorgaben zur Gewährleistung der Datenrichtigkeit (Artikel 14), Dokumentation (Artikel 15) und Datensicherheit (Artikel 16) gemacht. Artikel 17 und 19 beziehen sich auf die datenschutzrechtlichen Optionen der Betroffenen. Artikel 18 sieht zudem die Möglichkeit der Vertragsparteien vor, im Interesse einzelner Betroffener eine Überprüfung von Datenverwendungen durch die Datenschutz- oder sonstige Kontrollbehörden der jeweils anderen Vertragspartei anzuregen.

Mit Artikel 25 wurde eine Suspendierungsklausel in den Abkommenstext aufgenommen, die es erlaubt, die Anwendung von Teilen des Abkommens insgesamt oder von Teilen desselben (zB die Übermittlung von daktyloskopischen Daten via Online-Zugriff) auszusetzen, wenn Verstöße gegen Vertragsbestimmungen feststellbar sind oder wenn sich die Rechtslage in einem der beiden Vertragsparteien so ändert, dass dadurch u.a. der Schutz von übermittelten Daten nicht mehr gewährleistet werden kann.

Das Abkommen steht nicht in Widerspruch zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union. Gemäß Erklärung 36 zum Vertrag von Lissabon (BGBl. III Nr. 132/2009) dürfen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Übereinkünfte mit Drittstaaten oder internationalen Organisationen im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit aushandeln und schließen, sofern diese Übereinkünfte mit dem Unionsrecht im Einklang stehen. In Hinblick auf die Schaffung gemeinsamer Datenschutzstandards sind Verhandlungen zwischen der EU und den USA im Gange. Die allfällige Berücksichtigung deren Ergebnis im bilateralen Verhältnis hängt von der Bereitschaft beider Parteien zu Verhandlungen über eine Abkommensänderung gemäß Artikel 26 ab. Unter diesen Rahmenbedingungen soll das Abkommen den österreichischen Sicherheitsbehörden eine noch effizientere Zusammenarbeit mit den US-Behörden bei der Bekämpfung schwerer Straftaten einschließlich des Terrorismus ermöglichen.

Die Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung stützt sich hinsichtlich der sicherheitspolizeilichen Aspekte der Gefahrenabwehr auf Artikel 10 Absatz 1 Ziffer 7 B-VG (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit) und hinsichtlich der Strafverfolgungsaspekte auf Artikel 10 Absatz 1 Ziffer 6 B‑VG (Strafrechtswesen).

Die Regelungen ergänzen die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die internationale polizeiliche Kooperation (Polizeikooperationsgesetz – PolKG; BGBl. I Nr. 104/1997) sowie die mit den USA bestehenden bilateralen Rechtshilferegelungen auf dem Felde der Strafverfolgung.

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seinen Sitzungen am 24. November 2011 und am 2. Februar 2012 in Verhandlung genommen. An der Debatte am 24. November 2011 beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Nikolaus Prinz die Abgeordneten Werner Herbert, Ing. Peter Westenthaler, Mag. Albert Steinhauser und Hannes Fazekas sowie die Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner. Anschließend wurden die Verhandlungen einstimmig vertagt, um eine Stellungnahme der Datenschutzkommission einzuholen. Anlässlich der Wiederaufnahme der Verhandlungen am 2. Februar 2012 meldeten sich die Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Werner Herbert, Mag. Johann Maier, Mag. Albert Steinhauser und Günter Kößl sowie die Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner zu Wort.

 

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, dagegen: F, G, B) beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Johann Maier, Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der  Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten (PCSC) eingebracht, der mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, dagegen: F, G, B) beschlossen wurde.

Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Der US-Kongress verabschiedete im Jahre 2007 eine Ausführungsgesetzgebung zum sog. ,09/11 CommissionAct‘. Diese sah die Verknüpfung der Teilnahme am ,Visa Waiver-Programm‘ der USA (,visumfreie Einreise‘) mit zusätzlichen Erfordernissen des Informationsaustausches vor. Zu letzteren zählt der Abschluss eines sog. Prüm-like-Abkommens bzw. einer Vereinbarung über den Austausch von Daten zur Erkennung von Terroristen (,terrorismscreeninginformation‘) gemäß der Homeland Security PresidentialDirective 6 (HSPD-6). Nach einer ersten Information im Februar 2008 über diese Anforderungen wurde Österreich vom US Heimatschutzministerium (Department of Homeland Security) im Dezember 2008 offiziell aufgefordert, ein entsprechendes Prüm-like-Abkommen zu schließen. Als Frist zur Erfüllung der besagten Anforderungen wurde von den USA für Österreich der 31. Dezember 2010 festgelegt.

Der österreichische Datenschutzrat hat bereits am 28. November 2008 einstimmig eine Stellungnahme zum ,Prüm-like-Abkommen‘ mit den USA verfasst und den verhandlungsführenden Ministerien übermittelt. Diese Stellungnahme wurde im Rahmen des Konsultationsverfahrens zur Mitteilung der Kommission ,Gesamtkonzept‘ für den Datenschutz in der Europäischen Union neuerlich vertreten.

Nach mehreren Verhandlungsrunden wurden die Gespräche mit den USA im September 2010 abgeschlossen und das Ergebnis mit Beschluss der Bundesregierung vom 19. Oktober 2010 genehmigt. Am 15. November 2010 erfolgte sodann die Unterzeichnung.

Österreich hat bei den Verhandlungen mit den USA zum ,Prüm-like-Abkommen‘ gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag der USA Forderungen des Datenschutzrates durchsetzen können. Dies insbesondere hinsichtlich eines indirekten Rechtschutzes für die Betroffenen durch die Datenschutzkommission (Art. 18) sowie der Aufnahme einer Sistierungs- und Kündigungsklausel (Art. 25 und Art. 24). Damit konnte Österreich im Vergleich etwa zum Abkommen USA-Deutschland aus datenschutzrechtlicher Sicht ein weitaus günstigeres Ergebnis erzielen.

Über 20 Europäische Staaten haben bereits mit den USA ein bilaterales Abkommen über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Strafdaten (PCSC-Abkommen) unterzeichnet. Diese bilateralen Abkommen sind aber nicht ident, sondern je nach Verhandlungsergebnis datenschutzrechtlich unterschiedlich ausgeprägt. Dies führt zu einer in Europa uneinheitlichen Anwendung des Datenaustausches mit den USA und wiederspricht dem Grundsatz eines gemeinsamen Rechtsraumes. Es ist nun Aufgabe der Europäischen Union eine nachdrückliche, glaubwürdige und vor allem wirksame Datenschutzpolitik gegenüber Drittstaaten (z.B. USA) durchzusetzen.

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf das öffentliche Konsultationsverfahren der EU‑Kommission zu einem geplanten Abkommen mit der US-Regierung über den Austausch von personenbezogenen Daten zu Strafverfolgungszwecken. Der Datenschutzrat hat dazu die Auffassung vertreten, dass dieses geplante Abkommen auch für den Datenaustausch aufgrund bilateraler Abkommen der EU-Mitgliedstaaten mit den USA gelten sollte.

Sinnvoll ist es daher diese bilateralen Verträge der Mitgliedstaaten mit den USA durch das derzeit bereits in Verhandlung befindliche Rahmenabkommen der Europäischen Union mit der US-Regierung über den Austausch von personenbezogenen Daten zu Strafverfolgungszwecken zu ersetzen bzw. zu ergänzen. Dieses Rahmenabkommen müsste jedenfalls die der Datenschutz-Konvention des Europarates samt Zusatzprotokoll entsprechenden Mindeststandards normieren.“

 

Ferner beschloss der Ausschuss für innere Angelegenheiten mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, dagegen: F, G, B) die Feststellung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.


 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

1.      Der Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten (1388 der Beilagen) wird gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG genehmigt.

2.      Die angeschlossene Entschließung wird angenommen.

Wien, 2012 02 02

                                 Nikolaus Prinz                                                                       Otto Pendl

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann