1666 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über den Antrag 1780/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert, ein Bundesgesetz über die Durchführung von Europäischen Bürgerinitiativen (Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz – EBIG) erlassen und das Ein­führungs­gesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008, das Bundes­ministerien­gesetz 1986, das Strafgesetzbuch, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundes­präsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Volksbegehrengesetz 1973, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Wählerevidenzgesetz 1973 und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden (EBIG-Einführungsgesetz)

 

Die Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 6. Dezember 2011 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Mit dem Vertrag von Lissabon wurde ein neues Instrument der direkten Demokratie in der Europäischen Union, die Europäische Bürgerinitiative (EBI), eingeführt. Gemäß Art. 11 Abs. 4 des Vertrages über die Europäische Union können Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, „deren Anzahl mindestens eine Million beträgt“ und bei denen es sich um Staatsangehörige einer „erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten“ handeln muss, „die Initiative ergreifen und die Europäische Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht jener Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen.” In der am 16. Februar 2011 in Kraft getretenen Verordnung (EU) Nr. 211/2011 über die Bürgerinitiative (Näheres siehe Begriffsbestimmung in Art. 2 § 1 Z 2 des Entwurfs) wurde bestimmt, dass sieben Staaten eine „erhebliche Anzahl“ im Sinne des Vertrags von Lissabon darstellen; in Österreich werden derzeit mindestens 14.250 Unterstützungsbeurkundungen benötigt, in den anderen Mitgliedstaaten sind – je nach Bevölkerungsgröße – mehr oder weniger Unterstützungsbeurkundungen erforderlich.

Ab dem 1. April 2012 wird es möglich sein, dass Personengruppen bei der Europäischen Kommission eine Europäische Bürgerinitiative registrieren lassen, nach Genehmigung durch die Kommission innerhalb eines Jahres europaweit Unterstützungsbekundungen sammeln und die Bürgerinitiative – bei Vorhandensein einer ausreichenden Zahl an Unterstützungsbekundungen aus ausreichend vielen Mitgliedstaaten – der Kommission vorlegen und in einer öffentlichen Anhörung vorstellen können. Die Regeln für das Sammeln von Unterstützungsbekundungen sowie für das damit im Zusammenhang stehende Prozedere sind in der Verordnung verankert. Bei dieser Verordnung handelt es sich um unmittelbar anzuwendendes Recht der Europäischen Union. Durch einschlägige Bestimmungen der Verordnung werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, für eine innerstaatliche Administrierung der Europäischen Bürgerinitiative Sorge zu tragen. Die innerstaatlichen rechtlichen Rahmenbedingungen sollen hierbei bis zum 1. März 2012 in Geltung gesetzt sein.

Bei Erarbeitung des Entwurfs hat man sich von der Vorgabe der Kommission leiten lassen, nur jene Belange zu regeln, die einer innerstaatlichen Regelung bedürfen. Es galt zu vermeiden, Belange „duplizierend“ in der österreichischen Rechtsordnung zu verankern, die sich klar und deutlich bereits aus der Verordnung ergeben. Unter dieser Prämisse wurde der erwähnte Entwurf wie folgt ausgestaltet:

-       Damit österreichische Behörden bei der Administrierung einer Europäischen Bürgerinitiative überhaupt tätig werden können, wurde eine Änderung des B-VG vorgesehen (Art. 1 des Entwurfs). Die Verankerung der Europäischen Bürgerinitiative in der österreichischen Bundesverfassung erscheint schon wegen Vorgaben der Verordnung für einen innerstaatlichen Rechtsschutz zwingend erforderlich. Mit dem vorgeschlagenen Art. 10 Abs. 1 Z 1a (neu) B-VG soll die Kompetenzgrundlage für die Regelung und Vollziehung Europäischer Bürgerinitiativen durch den Bund geschaffen werden. Aus systematischen Gründen soll der Regelungsinhalt der bisherigen Z 18 in die neue Z 1a überführt werden. Mit einer Änderung des Art. 26a B-VG soll die Zuständigkeit der Wahlbehörden um die Mitwirkung an der Durchführung Europäischer Bürgerinitiativen erweitert werden. Das Ergebnis Europäischer Bürgerinitiativen soll beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 141 B-VG angefochten werden können. Nähere Regelungen sollen bundesgesetzlich getroffen werden können (siehe die in Art. 2 hierzu vorgesehenen Bestimmungen des EBIG).

-       Mit einer Erweiterung des Bundesministeriengesetzes 1986 soll die Zuständigkeit der Bundesministerin für Inneres für die Durchführung der Europäischen Bürgerinitiative – analog zu allen anderen wahlrechtlichen Materien auf Bundesebene – in der Rechtsordnung verankert werden.

-       Um eine verordnungskonforme innerstaatliche Administrierung der Europäischen Bürgerinitiative sicherzustellen, soll auch das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 dahingehend erweitert werden, dass analog zu sämtlichen, innerstaatliche Wahlen regelnden Gesetzeskodifikationen auch das EBIG bei seiner Vollziehung vom AVG ausgenommen wird. Das Verfahren soll ausschließlich im Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz geregelt werden.

-       Mit zwei Kernbestimmungen soll im EBIG den in der Verordnung enthaltenen Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten Rechnung getragen werden:

         -      Überprüfung von Online-Sammelsystemen (Art. 2 § 2 des Entwurfs);

         -      Überprüfung und Bescheinigung von Unterstützungsbekundungen (Art. 2 § 3 des Entwurfs).

         Beide Aufgaben sollen mit dem EBIG – auch hier soll eine Analogie zu anderen bundesweiten Wahlereignissen getroffen werden – in die Verantwortung der Bundeswahlbehörde übertragen werden.

Gemäß Art. 6 Abs. 3 der Verordnung wird ein Organisator, der beabsichtigt, Unterstützungsbekundungen zu einer Europäischen Bürgerinitiative mittels eines Online-Sammelsystems zu sammeln, die Ausstellung einer nach der Verordnung hierfür vorgesehenen Bescheinigung durch einen Mitgliedstaat beantragen können. Zu diesem Zweck wird der Organisator ein Online-Sammelsystem in elektronischer Form vorzulegen haben, das den von der Kommission gemäß den in Art. 20 Abs. 2 der Verordnung genannten Regelungsverfahren verabschiedeten technischen Spezifikationen für die Umsetzung von Art. 6 Abs. 4 der Verordnung entspricht. Die Vorlage eines Online-Sammelsystems soll nur möglich sein, wenn die Kommission die Registrierung der Bürgerinitiative entsprechend Art. 4 Abs. 4 der Verordnung bereits veröffentlicht hat und dem Online-System nicht schon in einem anderen Mitgliedstaat die Ausstellung der genannten Bescheinigung versagt worden ist. Zum Zweck der Überprüfung des Online-Sammelsystems wird sich die Bundeswahlbehörde einer Bestätigungsstelle gemäß § 19 des Signaturgesetzes zu bedienen haben, die in technischer Hinsicht zu beurteilen in der Lage ist, ob das Online-Sammelsystem die erforderlichen technischen Spezifikationen aufweist.

Innerhalb von zwölf Monaten ab der Registrierung wird der Organisator einer Bürgerinitiative, die für eine solche gesammelten Unterstützungsbekundungen österreichischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger der zuständigen Behörde in Österreich zur Überprüfung vorlegen und gleichzeitig die Ausstellung einer Bescheinigung gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung beantragen können (Bescheinigung über die Zahl der gültigen Unterstützungsbekundungen entsprechend dem Muster in Anhang IV der Verordnung). In der Folge wird es Aufgabe der Bundeswahlbehörde sein, die in den vorgelegten Dokumenten und Dateien aufscheinenden Namen der Personen, die eine Unterstützungsbekundung unterschrieben oder auf elektronischem Weg vorgenommen haben, anhand des Identitätsdokumentenregisters auf ihre Identität zu überprüfen. Die Namen der überprüften Personen sollen dann zum Zweck der Vermeidung von Doppelbekundungen in einer Datenbank erfasst werden. In Einklang mit der Verordnung soll in Österreich festgelegt sein, dass sämtliche Unterstützungsbekundungen einer Überprüfung unterzogen werden. Diese Überprüfung wird sich zwar nicht auf die Echtheit der Unterschrift, wohl aber auf die tatsächliche Identität der Person erstrecken. Mit einer Überprüfung in dieser Form können nicht nur Doppel- oder Mehrfach-Unterstützungsbekundungen vermieden werden; vor allem bei online abgegebenen Unterstützungsbekundungen kann so verhindert werden, dass Personen die Namen anderer Personen als Unterstützungswillige zur Überprüfung einreichen. Das Erfordernis der Einreichung der Nummer des Reisepasses oder der Nummer des Personalausweises stellt ein wichtiges Sicherheitsmerkmal dar und entspricht der diesbezüglichen österreichischen Notifikation, die im Anhang III Teil B der Verordnung angeführt ist.

Nach Überprüfung der Unterstützungsbekundungen innerhalb von höchstens drei Monaten wird die Bundeswahlbehörde anhand der erwähnten Datenbank die Zahl der gültigen Unterstützungsbekundungen festzustellen und dem Organisator hierüber eine Bescheinigung gemäß Art. 8 Abs. 4 der Verordnung zu übermitteln haben.

-       Die Mitglieder der Bundeswahlbehörde sollen die Möglichkeit erhalten, das Bundesministerium für Inneres zu ermächtigen, jeweils für eine bestimmte Europäische Bürgerinitiative Amtshandlungen selbstständig und ohne weitere Befassung des Gremiums durchzuführen.

-       Wie oben erwähnt, soll analog zu anderen Wahlereignissen der Rechtsschutz im Fall von Unzukömmlichkeiten bei der Administrierung einer Europäischen Bürgerinitiative mit einer Eigenzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs abgedeckt werden. In Ausführung des mit Art. 1 Z 5 des Entwurfs neu geregelten Art. 141 Abs. 3 B-VG sollen die Voraussetzungen einer Anfechtung des (nationalen) Ergebnisses von Europäischen Bürgerinitiativen vor dem Verfassungsgerichtshof geregelt werden (vgl. die Vorbildbestimmungen des § 18 des Volksbegehrengesetzes 1973, des § 14 Abs. 2 und 3 des Volksabstimmungsgesetzes 1972, und des § 16 des Volksbefragungsgesetzes 1989).

         Dadurch, dass die Durchführung von Europäischen Bürgerinitiativen in Österreich – wie die Durchführung aller anderen Wahlereignisse – vom Geltungsbereich des AVG ausgenommen sein soll, ist mit den nach dem Entwurf vorgesehenen, an die Organisatoren gerichteten Mitteilungen der Bundeswahlbehörde laut den Art. 2 §§ 2 und 3 des Entwurfs für ein Verfahren vor dem VfGH insofern genüge getan, als diese somit nicht den strengen Formvorschriften für Bescheide nach dem AVG zu unterliegen haben.

-       Die Verordnung schreibt vor, dass die Mitgliedstaaten Verstöße gegen die Verordnung durch die Organisatoren einer Europäischen Bürgerinitiative – insbesondere wegen falscher Erklärungen der Organisatoren und wegen Datenmissbrauches – zu ahnden hätten. Nach dem Wortlaut der Verordnung (Art. 14 Abs. 2) müssen die Sanktionen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein. Aus diesem Grund erscheint es angebracht, die Strafbestimmungen der §§ 262 bis 267 StGB, die schon jetzt für innerstaatliche Volksbegehren anwendbar sind, auch auf die Europäische Bürgerinitiative anwendbar zu machen. Mit dieser Ausdehnung werden auch Tatbestände abgedeckt, die nach der Verordnung nicht zwingend als strafbare Handlungen definiert werden müssten, deren Strafbarkeit aber in Zusammenschau mit Delikten insbesondere in Zusammenhang mit Volksbegehren dringend geboten erscheint (insbesondere die Strafbarkeit der Annahme eines Vorteils für die Leistung einer Unterstützungsbekundung). Mit der Herausnahme der Wortfolge „oder sonst“ aus dem § 266 Abs. 1 StGB ist klar gestellt, dass eine doppelte Stimmabgabe, Unterstützung (Volksbegehren) oder Unterstützungsbekundung (Europäische Bürgerinitiative) dann nicht zu ahnden ist, wenn nicht eines der der gestrichenen Wortfolge vorangehenden Tatbilder erfüllt ist. Für „falsche Erklärungen der Organisatoren“ (Art. 14 Abs. 1 lit. a der Verordnung) wurde, für den Fall, dass diese nicht ohnedies gerichtlich zu ahnden wären, eine Verwaltungsstrafbestimmung geschaffen. Sie erstreckt sich auf falsche Angaben, die Organisatoren im Zug der Durchführung der Europäischen Bürgerinitiative auf den einschlägigen Formularen der Verordnung allenfalls machen könnten. Da beim Ausfüllen von Formularen mit unrichtigen Angaben sich in den seltensten Fällen ein Tatort eindeutig bestimmen lassen wird, wurde hierfür einheitlich als Tatort der Sitz der Bundeswahlbehörde angenommen, bei der die einschlägigen Formulare – ausschließlich – einzubringen sind.

-       Viele Tatbestände, die sich im Zusammenhang mit der Sammlung von Unterstützungsbekundungen auf elektronischem Weg ergeben könnten, sind insbesondere durch das DSG 2000 klar abgedeckt und bedürfen daher keiner speziellen Regelung im EBIG. In diesem Zusammenhang ist auch auf die einschlägigen und unmittelbar gültigen Datenschutzbestimmungen in Art. 12 der Verordnung zu verweisen. Im Abs. 1 leg.cit. wird dazu klar festgehalten:

                „Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in Anwendung dieser Verordnung haben die Organisatoren einer Bürgerinitiative und die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats die      Richtlinie 95/46/EG und die auf ihrer Grundlage erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften           einzuhalten."

         Vor dem Hintergrund der unmittelbar anwendbaren Datenschutzbestimmungen gemäß Art. 12 der Verordnung, der ausdrücklichen Anwendbarerklärung der nationalen Umsetzungsmaßnahmen zur Datenschutz-Richtlinie auf die im Zusammenhang mit einer Bürgerinitiative zu tätigenden Datenanwendungen gemäß Art. 12 Abs. 1 der Verordnung und in Anbetracht der Tatsache, dass die Anwendbarkeit des DSG 2000 auf die hier vorgesehenen Datenanwendungen auch innerstaatlich nicht in Frage steht, erübrigen sich spezielle Regelungen. Die mit einer Europäischen Bürgerinitiative in Verbindung stehenden Datenanwendungen sind in das Datenverarbeitungsregister einzutragen und unterliegen allenfalls der Vorabkontrollpflicht durch die Datenschutzkommission.

-       Die Novellierung der die Durchführung von Wahlereignissen betreffende B-VG-Bestimmungen, insbesondere des Art. 26a B-VG, wurde zum Anlass genommen, terminologische Anpassungen betreffend das Wahlrecht im B-VG und damit in den einschlägigen Wahlgesetzen durchzuführen. Darüber hinaus wird im Wählerevidenzgesetz 1973 und im Europa-Wählerevidenzgesetz eine Regelungslücke geschlossen, die nach Inkrafttreten des Wahlrechtsänderungsgesetzes 2011 in zwei Übergangsbestimmungen festgestellt wurde. Konkret werden aufgrund dieser Bereinigung in Hinkunft auch Personen vom Wahlrecht ausgeschlossen sein können, die vor dem Inkrafttreten des Wahlrechtsänderungsgesetzes 2011 (1. Oktober 2011) verurteilt worden sind, deren Verurteilung aber erst nach diesem Zeitpunkt in Kraft getreten ist. Der Ausschluss vom Wahlrecht für diesen Personenkreis erfolgt nach den gleichen Kriterien wie für Personen, bei denen das Urteil schon vor Inkrafttreten des Wahlrechtsänderungsgesetzes 2011 in Rechtskraft erwachsen ist.

         Die in Art. 8 Z 4 vorgesehene Neufassung des § 29 EuWO ist deswegen erforderlich, weil in der geltenden Fassung dieser Bestimmung an die Voraussetzungen des § 41 NRWO für die Wählbarkeit zum Nationalrat angeknüpft wird, was gemäß Art  23a Abs. 3 B-VG in Österreich zum Europäischen Parlament Wahlberechtigte, welche die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, von der Wählbarkeit zum Europäischen Parlament ausschließt.

         Bei allen weiteren Änderungen in wahlrechtlichen Kodifikationen handelt es sich entweder um Bereinigung von Redaktionsversehen bzw. Zitierfehlern oder um terminologische Anpassungen (Herausnahme des Begriffs „fernschriftlich“, Ersetzung der Wortfolge „andere öffentliche Ruhetage“ durch die Wortfolge „gesetzliche Feiertage“, Ersetzung des veralteten Begriffes „Postenlauf“ durch den zeitgemäßeren Begriff „Postlauf“).

-       Eine Bestimmung, die die Bundesministerin für Inneres verpflichten soll, am Tag des Inkrafttretens des EBIG die Kommission entsprechend Art. 15 Abs. 3 der Verordnung über die Zuständigkeit der Bundeswahlbehörde für die Zwecke der Umsetzung von Art. 6 Abs. 3 und für die Zwecke der Umsetzung von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung in Kenntnis zu setzen, rundet den Entwurf des EBIG ab.

Mit dem zu beschließenden Gesetz für die innerstaatliche Administrierung von Europäischen Bürgerinitiativen wird Österreich dahingehend gut gerüstet sein, dass ab dem Frühjahr 2012 – im Fall entsprechender vorangegangener Registrierungen durch die Kommission – in Österreich Unterstützungsbekundungen für Europäische Bürgerinitiativen gesammelt werden können.“

 

Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 7. Dezember 2011 in Verhandlung genommen. Nach der Berichterstattung durch die Abgeordnete Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher und Wortmeldungen der Abgeordneten Ernest Windholz, Mag. Daniela Musiol, Dr. Walter Rosenkranz und Mag. Wolfgang Gerstl hat der Ausschuss einstimmig beschlossen, zum in Verhandlung stehenden Gesetzentwurf schriftliche Stellungnahmen der Obersten Organe und Höchstgerichte, der Bundesministerien, des Datenschutzrates und der Datenschutzkommission, der Landtage der Bundesländer sowie der Ämter der Landesregierungen, der Verbindungsstelle der Bundesländer, des Gemeinde- und Städtebundes, der Kammern und Interessensvertretungen, der Rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten Wien, Graz, Innsbruck, Linz und Salzburg sowie der Institute für Rechtswissenschaften der TU Wien und der Universität Klagenfurt, des Instituts für Österreichisches und Europäisches öffentliches Recht der WU Wien, des Instituts für Produktmanagement, des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte, der Vereinigung der Österreichischen Industrie, des Österreichischen Gewerkschaftsbundes sowie des Umweltdachverbandes, des Ökobüros und der ARGE-Daten einzuholen. Danach wurden die Verhandlungen vertagt.

Die eingelangten Stellungnahmen wurden auf Grund eines Beschlusses des Verfassungsausschusses auch auf der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at veröffentlicht. Darüber hinaus wurden engagierte Initiativen sowie Bürgerinnen und Bürger eingeladen, ihre Meinung zum Gesetzentwurf abzugeben. Auch diese Stellungnahmen wurden mit deren Zustimmung öffentlich gemacht.

 

Die Wiederaufnahme der Verhandlungen des Verfassungsausschusses erfolgte am 2. Februar 2012. Den Beratungen wurden im Sinn des § 40 des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates Mag. Erwin Leitner, Bundesvorstandsvorsitzender mehr demokratie! – die parteiunabhängige initiative, Rechtsanwalt Dr. Eike Lindinger, Mag. Erwin Mayer, Denkstatt GmbH, Univ.-Prof. Mag.Dr. Walter Obwexer, Institut für Europarecht und Völkerrecht, Universität Innsbruck und Mag.Dr. Eckhard Riedl, Bundeskanzleramt beigezogen. Nach den einleitenden Statements der Experten meldeten sich die Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Mag. Daniela Musiol, Mag. Wolfgang Gerstl, Herbert Scheibner, Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher, Mag. Harald Stefan, Mag. Johann Maier und Bernhard Vock sowie die Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner zu Wort.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann und Mag Daniela Musiol einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„ 1.   Mit einer Änderung des Art. 2 § 4 Abs. 1 des Entwurfs soll der Rechtsschutz – gewährleistet durch die Möglichkeit der Anrufung des Verfassungsgerichtshofes – explizit auf Entscheidungen gemäß Art. 2 § 2 Abs. 6 und Art. 2 § 3 Abs. 4 des Entwurfs ausgedehnt werden. Gleichzeitig soll – einem Hinweis des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst Rechnung tragend – in den die Anfechtungsmöglichkeit betreffenden Bestimmungen (Art. 2 § 2 Abs. 6 und Art. 2 § 3 Abs. 4 sowie Art. 2 § 3 Abs. 4 des Entwurfs) nicht mehr von einem „zur Kenntnis bringen“, sondern von einer „schriftlichen Mitteilung“ die Rede sein, um – da auf das Verfahren die Regelungen des AVG keine Anwendung finden – zusätzlich klarzustellen, dass es sich hierbei um beim Verfassungsgerichtshof anfechtbare Rechtsakte handelt.

2.      Aufgrund mehrerer Hinweise im Begutachtungsverfahren, aber auch aufgrund des Erfahrungsaustausches bei zwei Expertentreffen der Europäischen Kommission in Brüssel, sollte – um die für das Sammeln von Unterstützungsbekundungen vorgesehenen Fristen in keinem Fall zu verkürzen – bei der Beantragung der Zertifizierung eines Online-Sammelsystems auf den frühestmöglichen Zeitpunkt abgestellt werden. Somit soll nunmehr nicht erst an die Registrierung bei der Kommission, sondern bereits an die Anmeldung der Bürgerinitiative bei der Kommission gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung angeknüpft werden.

3.      Mit der Änderung des Art. 2 § 3 Abs. 1 des Entwurfs wird – verordnungskonform – sichergestellt, dass einem Organisator für das Sammeln von Unterstützungsbekundungen jedenfalls zwölf Monate Zeit bleibt, auch wenn er sich eines Online-Sammelsystems bedient, dessen Zertifizierung zuvor in Österreich beantragt worden ist. Gleichzeitig wird damit klargestellt, dass die Vorlage der Unterstützungsbekundungen bei der Bundeswahlbehörde nicht innerhalb des Zeitraumes von zwölf Monaten erfolgen muss.

4.      Entsprechend den Änderungen in Art. 2 § 2 Abs. 3 Z 1 und Art. 2 § 3 Abs. 1 des Entwurfs wurde in den Katalog der Gründe für die mögliche Ungültigerklärung einer Unterstützungsbekundung jener Fall aufgenommen, bei dem Unterstützungsbekundungen außerhalb des Fristengefüges der Verordnung gesammelt worden sind.

5.      Mit der Verkürzung der Frist für die Vernichtung der Daten (von einem Monat auf eine Woche) in Art. 2 § 3 Abs. 8 des Entwurfs wird den Vorgaben der Verordnung Rechnung getragen.

6.      Mit der Anpassung des Art. 2 § 6 des Entwurfs wird der Änderung des frühestmöglichen Zeitpunkts für die Beantragung einer Zertifizierung (Art. 2 § 2 Abs. 3 Z 1 des Entwurfs) Rechnung getragen.

7.      Bei den übrigen in Art. 2 des Entwurfs geplanten Änderungen handelt es sich ausschließlich um legistische Verbesserungen oder redaktionelle Bereinigungen, die unter Berücksichtigung von Hinweisen aus dem Begutachtungsverfahren vorgenommen worden sind.

8.      Bei der Vollziehung der anzupassenden Kostenersatz-Bestimmungen (Art. 12 Z 1 und Art. 13 Z 3 des Entwurfs, Bezug habend auf § 12 Abs. 1 des Wählerevidenzgesetzes 1973 sowie auf § 15 Abs. 1 EuWEG) hat sich nach der mit dem Wahlrechtsänderungsgesetz 2007 geschaffenen Rechtslage herausgestellt, dass die Gemeinden erfasste Personen nicht ohne Weiteres automationsunterstützt nach Jahrgängen trennen können. Vielerorts fand diese Trennung daher nicht statt, es wurden – für das Bundesministerium für Inneres nicht überprüfbar – Pauschalentschädigungen für sämtliche Jahrgänge, auch für jenen der Vierzehnjährigen, – geleistet. Die durch die vorgeschlagene Gesetzesänderung entstehenden Kosten müssen daher als marginal betrachtet werden. Überdies erscheint die Ausdehnung der Kostenrückerstattung auf alle in den Evidenzen erfassten Jahrgänge schon deshalb nicht unbillig, weil bei den Gemeinden tatsächlich auch für den in Rede stehenden Jahrgang Verwaltungskosten entstehen können, insbesondere im Fall von Übersiedlungen.“

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann und Mag. Daniela Musiol mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G , dagegen: F, B) beschlossen.

 

Ferner haben die Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann und Mag. Daniela Musiol einen Entschließungsantrag betreffend Verbesserung der Rahmenbedingungen für Europäische Bürgerinitiativen eingebracht, der mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G, dagegen: F, B) beschlossen wurde. Dieser Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Die EU-Verordnung zur Europäischen Bürgerinitiative beruht auf dem Vertrag von Lissabon. Nach Vorgaben des Vertrags von Lissabon wird dieses erste EU-weit zugängliche Instrument der direkten Demokratie nur relativ grob skizziert, so dass der Inhalt der Verordnung vor allem auf den mannigfaltigen Input der Mitgliedstaaten beruht. Österreich hat sich bei der Erstellung des Entwurfs – vertreten durch mehrere Ressorts – aktiv eingebracht und dazu beigetragen, dass die Verordnung eine solide Grundlage für die innerstaatliche Umsetzung der Europäischen Bürgerinitiative darstellt. Hervorzuheben bei den Verhandlungserfolgen, die Österreich, jeweils gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten, erzielt hat, ist vor allem die erst in der Endphase der Entwicklung der Verordnung in den Text aufgenommene zentrale Bereitstellung einer herunterladbaren Software für die Online-Sammelsysteme sowie der Umstand, dass eine Evaluierung der Verordnung bereits nach drei Jahren, und nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, erst nach fünf Jahren stattfinden wird.

Bis zu dieser Evaluierung ist der Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten, abgesehen von Änderungen der Anhänge nach Art. 16 EBI-VO, bei der Ausgestaltung des innerstaatlichen Rechts zur Europäischen Bürgerinitiative relativ gering. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass es in einigen Bereichen nicht gelungen ist, eine hundertprozentige Homogenität der Rechtslage in den einzelnen Mitgliedstaaten zu erwirken. Da ein Teil der Mitgliedstaaten für die Prüfung der Unterstützungsbekundungen an der Staatsbürgerschaft, ein anderer Teil am Wohnsitz anknüpft, sind Mehrfachunterstützungen oder ein Ausschluss bestimmter Personen in einigen Mitgliedstaaten grundsätzlich möglich. Eine europaweit einheitliche Vorgangsweise wäre vor allem bei den Zugangsbedingungen für die Abgabe einer Unterstützungsbekundung sowie bei der Überprüfung der Unterstützungsbekundungen in den einzelnen Mitgliedstaaten durchaus wünschenswert. Eine diesbezügliche Anpassung der Verordnung hätte dabei einerseits dem Erfordernis des europaweit einheitlichen, aber dennoch einfachen Zugangs zur Unterzeichnung einer Unterstützungsbekundung, andererseits aber einer größtmöglichen Datensicherheit Rechnung zu tragen. Als Idealziel wäre hierbei natürlich ein zentrales Clearing der Unterstützungsbekundungen, möglichst unter Bereitstellung eines – von Österreich im Vorfeld zur Beschlussfassung der Verordnung vergeblich eingeforderten – zentralen Online-Sammelsystems durch die Kommission zu betrachten.

Ohne eine solche Regelung muss jeder Mitgliedstaat entsprechend seinen rechtstaatlichen Gepflogenheiten innerstaatlich eine Lösung treffen, mit der er seiner Verpflichtung zur Überprüfung der Unterstützungsbekundungen gerecht wird. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen erscheinen die im Entwurf verankerten Lösungen den oben dargestellten Zielen am ehesten nahezukommen. Dennoch wird das derzeit in Österreich vorgesehene exklusive Erfordernis der Eintragung der Reisepass- oder der Personalausweisnummer für die Sammlung von Unterstützungen von Seiten potentieller Organisator/inn/en als erschwerend empfunden. Im Sinne eines Kompromisses soll daher zumindest versucht werden, dass zukünftig auch noch andere Ausweispapiere zur Überprüfung der Identität und österreichischen Staatsbürgerschaft herangezogen werden können.

Die Sammlung durch die Organisator/inn/en auf der Straße und anderen Orten sowie die Online-Sammlung erspart den Unterstützer/inn/en im Verhältnis zum österreichischen Volksbegehrensgesetz das Aufsuchen der Behörde zur Unterschriftenleistung, allerdings  sind damit für die Organisator/inn/en bedeutend mehr Arbeit und mehr Kosten verbunden. Der Entwurf sieht zwar eine Kostenbefreiung für die behördliche Bescheinigung des Online-Systems sowie die Überprüfung der Unterstützungen vor, aber ein Kostenersatz ist nicht vorgesehen. Im Zuge der Änderung der EBI-Verordnung sollte daher auch in allen Mitgliedstaaten eine einheitliche finanzielle Unterstützung der Organisator/inn/en eingeführt werden.

Aus all den genannten Gründen erscheint es erstrebenswert, dass sich die österreichische Bundesregierung in näherer Zukunft auf europäischer Ebene für eine Änderung der Verordnung in die beschriebenen Richtungen einsetzt.“

 

Schließlich beschloss der Verfassungsausschuss mehrstimmig (dafür: S, V, G, dagegen: F, B) folgende Feststellungen:

Zu § 2 Abs. 5 EBIG:

Der Verfassungsausschuss geht davon aus, dass auf Grund des letzten Satzes lediglich Unterlagen angefordert werden können, die bereits im Zuge der Einreichung des Online-Sammelsystems gemäß Abs. 2 vorzulegen gewesen wären.


 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2012 02 02

                    Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher                                                 Dr. Peter Wittmann

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann