1767 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Gesundheitsausschusses

über den Antrag 1305/A(E) der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer arbeitsbedingter Risiken in der Prävention und bei der Anerkennung von Berufskrankheiten

Die Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 20. Oktober 2010 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Aus einem Bericht der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden bei arbeitsbedingten Unfällen und Erkrankungen (2006) geht hervor, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Beschäftigungsbedingungen auch unterschiedliche Belastungen und Arbeitsbedingungen mit sich bringen. Arbeitsbedingte Risiken für die Gesundheit und die Sicherheit von Frauen wurden sowohl bei der Forschung als auch in der Prävention unterschätzt und im Vergleich zu denen für Männer vernachlässigt. Frauen üben öfter Tätigkeiten im Niedriglohnsektor aus und sind überdurchschnittlich oft in Teilzeit und a-typischen Beschäftigungsverhältnissen zu finden. Mangelnde Gleichstellung von Frauen und Männern sowohl bei der Arbeit als auch außerhalb der Arbeitswelt kann sich negativ auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit auswirken. Zwischen Diskriminierung und Gesundheitsproblemen lassen sich deutliche Zusammenhänge erkennen. So sind Frauen in einem geringeren Ausmaß an Entscheidungsprozessen in den Bereichen Sicherheit und Gesundheits-schutz in der Arbeitswelt beteiligt.

Bereits bei der Risikoanalyse und –prävention werden Risiken für weibliche ArbeitnehmerInnen häufig unterschätzt oder gar nicht wahrgenommen. Bei Gefahren in der Arbeitswelt wird eher an Männer am Bau oder vor dem Hochofen gedacht als an Frauen in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, im Gastgewerbe oder im Büro. Tatsächlich sind jedoch sowohl Frauen als auch Männer an ihren Arbeitsplätzen erheblichen Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Es ist wichtig hier im Sinne des Gender Mainstreamings den Geschlechteraspekt zu berücksichtigen.

Im Bereich der Prävention sind vor allem regelmäßige arbeitsmedizinische Untersuchungen der Beschäftigten wichtig. So geht aus den Tätigkeitsberichten des Arbeitsinspektorats hervor, dass der Anstieg bei der Anzahl der anerkannten Gehörschäden parallel mit dem Anstieg der Zahl der untersuchten Beschäftigten wegen Einwirkung vom Lärm verlief. Im Jahr 2009 wurden 11.032 Männer, jedoch nur 716 Frauen im Rahmen von Eignungsuntersuchungen für eine bestimmte Tätigkeit auf die Einwirkung von Lärm hin untersucht, das entspricht einem Frauenanteil von lediglich sechs Prozent. Es entfallen derzeit mit Abstand die meisten, nämlich 54 Prozent aller Berufskrankheiten, auf durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit. Der Frauenanteil unter jenen ArbeitnehmerInnen, bei denen die Schwerhörigkeit als Berufskrankheit anerkannt wurde, betrug 2009 jedoch lediglich ein Prozent. Dabei arbeiten auch Frauen auch in lauten Branchen. So zeigen Studien, dass der Lärmpegel in Kindergärten oder Restaurants durchaus gesundheitsgefährdende Ausmaße annehmen kann. In jenen Ländern, in denen arbeitsbedingte Erkrankungen des Muskel-Skelett-Apparats als Berufskrankheit anerkennt sind, liegt ihr Anteil bereits bei 45 Prozent der Berufskrankheiten. Frauen sind dänischen und schwedischen Studien zufolge auch durch ihre Tätigkeiten im Pflegebereich überproportional betroffen.

Unter den anerkannten Berufskrankheiten finden sich viele Beispiele, die deutlich auf männerdominierte Branchen zugeschnitten sind: So ist ein Wirbelsäulenschaden nur dann als Berufskrankheit anzuerkennen, wenn er durch Vibrationen von hoher Frequenz, wie sie beispielsweise durch Pressluftwerkzeuge auftreten, hervorgerufen wird. Für Meniskusschäden wiederum wird explizit der Beruf der Bergleute angeführt. Chronische Erkrankungen der Schleimbeutel der Knie- oder Ellenbogengelenke werden dann als Berufskrankheit erkannt, wenn sie durch ständigen Druck oder ständige Erschütterung hervorgerufen wurden. Es ist daher auch wenig verwunderlich, dass diese Berufskrankheiten fast ausschließlich bei Männern anerkannt werden, nicht aber bei Frauen, deren Wirbelsäulenschäden zum Beispiel auf das Heben von PatientInnen in Gesundheitsberufen zurückzuführen ist. Frauen sind bei der Definition von anerkannten Berufskrankheiten eindeutig benachteiligt. In den 1990iger Jahren betrug der Frauenanteil bei den anerkannten Berufskrankheiten noch rund 30 Prozent, so liegt dieser Anteil im Jahr 2009 nur bei 16 Prozent. (Quelle: Tätigkeitsberichte der Arbeitsinspektion)

Eine geschlechtergerechte Überarbeitung der Liste anerkannter Berufskrankheiten ist daher dringend geboten. Die einseitige Betrachtungsweise nur weniger (meist industrieller) Tätigkeiten als gesundheitsbelastend und die Orientierung an männerdominierten Branchen sind überholt und frauendiskriminierend.“

Der Gesundheitsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 18. April 2012 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Judith Schwentner die Abgeordnete Ursula Haubner sowie der Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé und die Ausschussobfrau Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit (für den Antrag: G, B dagegen: S, V, F).

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter August Wöginger gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2012 04 18

                               August Wöginger                                             Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau