1. Problem:
Um grenzüberschreitende Erscheinungsformen von Schwarzarbeit und illegaler grenzüberschreitender Leiharbeit konsequent bekämpfen zu können, bedarf es einer gut funktionierenden zwischenstaatlichen Zusammenarbeit in diesem Bereich. Einige Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben daher bilaterale Verträge zur Bekämpfung der Schwarzarbeit abgeschlossen.
2. Ziel:
Mit dem vorliegenden Staatsvertrag soll die bilaterale Zusammenarbeit der Behörden der Zollverwaltung der Bundesrepublik Deutschland, die für Kontrollen, Prüfungen und Ermittlungen im Bereich der Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler grenzüberschreitender Leiharbeit auf Bundesebene zuständig sind, mit den zuständigen Stellen der Republik Österreich auf eine verlässliche Grundlage gestellt werden. Da illegale Beschäftigung zunehmend ein grenzüberschreitendes Problem darstellt, besteht auf beiden Seiten ein großes Interesse am Zustandekommen des Staatsvertrages.
3. Inhalt, Problemlösung:
Der Vertrag sieht eine umfassende Zusammenarbeit (Amtshilfeleistung) der Kontrollbehörden zur Bekämpfung der Schwarzarbeit im Rahmen ihrer Zuständigkeiten vor; ausgenommen bleiben jedoch vor allem die Amtshilfe zur Einbringung von Abgaben und anderen Geldleistungen sowie die justizielle Rechtshilfe.
4. Alternativen:
Keine.
5. Auswirkungen des Regelungsvorhabens:
5.1 Finanzielle Auswirkungen:
Die Gewährung von Amtshilfe an die Bundesrepublik Deutschland wird in Folge der Bearbeitung von Aktenvorgängen nicht konkret messbare Kosten bei Personal- und Sachaufwand verursachen, denen aber in jenen Fällen, in denen eingeholte Auskünfte aus Deutschland zum Abschluss von Verfahren führen, Einnahmen in nicht vorhersehbarer Höhe gegenüber stehen. Insgesamt ist von einer Kostenneutralität auszugehen.
5.2 Wirtschaftspolitische Auswirkungen:
5.2.1 Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:
Es sind keine Auswirkungen auf die Beschäftigung zu erwarten. Dem Wirtschaftsstandort Österreich kann eine bessere Kontrolle insofern dienlich sein, als illegale Beschäftigung, die mit der Hinterziehung von Abgaben und Sozialversicherung einhergeht, hintangehalten wird.
5.2.2 Auswirkungen auf die Verwaltungskosten für Bürger/innen und für Unternehmen:
Mit dem Gesetzentwurf werden keine Informationspflichten für die Wirtschaft und für Bürgerinnen und Bürger eingeführt. Durch den Vertrag werden Informationspflichten begründet, die sich an die Verwaltung richten.
5.3 Auswirkungen in umweltpolitischer Hinsicht, insbesondere Klimaverträglichkeit:
Das Regelungsvorhaben ist nicht klimarelevant.
5.4 Auswirkungen in konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:
Die verstärkte Kooperation der Kontrollbehörden zur Aufdeckung unangemeldeter Erwerbstätigkeit dient dem Schutz der Arbeitnehmer/innen vor fehlendem Versicherungsschutz sowie vor dem Verschleiern von versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen bei grenzüberschreitender Tätigkeit. Gleichzeitig kann die Zusammenarbeit beitragen, Missbrauch von Transferleistungen, die in einem Vertragsstaat bei gleichzeitigem Arbeitsverhältnis im anderen Vertragsstaat bezogen werden, aufzudecken.
5.5 Geschlechtsspezifische Auswirkungen:
Keine.
6. Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:
Ist gegeben. Eine Unterrichtung der Europäischen Kommission ist erst nach Inkrafttreten des Vertrages vorzunehmen.
7. Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:
Keine.
Erläuterungen
Allgemeiner Teil
Der vorliegende Vertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über Zusammenarbeit und gegenseitige Amtshilfe bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Schwarzarbeit und illegaler grenzüberschreitender Leiharbeit ist gesetzändernd und gesetzesergänzend und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG.
Er enthält keine verfassungsändernden Bestimmungen und hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Vertrages im innerstaatlichen Bereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen.
Da durch den Vertrag keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.
Die Zusammenarbeit der Kontrollbehörden zweier oder mehrerer Staaten durch gegenseitige Leistung von Amtshilfe ist ein Mittel, grenzüberschreitende Erscheinungsformen von illegaler Beschäftigung sowie die auf vielen Gebieten zunehmend festgestellte, eindeutig in organisierter Weise betriebene Schwarzarbeit entschiedener bekämpfen zu können. Besonders betroffen von illegalen Aktivitäten sind die grenzüberschreitende Verschleierung von Arbeitsverhältnissen bei gleichzeitigem Bezug von Transferleistungen in einem anderen Staat sowie die Gründung von Scheinfirmen mit dem Ziel der Hinterziehung von Steuern und Sozialversicherung.
In Österreich liegt das Interesse an einem Amtshilfeverkehr mit Deutschland auch in dem Umstand, dass vermehrt ausländische Staatsangehörige von Scheinfirmen vorgeblich in das jeweils andere Land entsendet werden.
Der Regelungsbereich des Vertrages fällt in die Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten. Der Vertrag sieht aber explizit vor, dass die finanziellen Interessen der Europäischen Union im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten unberührt bleiben.
Der vorliegende Vertrag erfüllt die gesteckten Ziele und trägt der zunehmenden Internationalisierung der organisierten Schwarzarbeit und den damit verbundenen organisierten Zuwiderhandlungen Rechnung.
Besonderer Teil
Zu Artikel 1
Zweck des Vertrages ist die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Schwarzarbeit und illegaler grenzüberschreitender Leiharbeit. Um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden und unterschiedlichen Begrifflichkeiten und Definitionen in den Vertragsstaaten Rechnung zu tragen, werden die in Deutschland und Österreich gebräuchlichen Begriffe „grenzüberschreitender Schwarzarbeit“ und „illegaler grenzüberschreitender Leiharbeit“ verwendet.
Absatz 2 stellt klar, dass die Vorschriften über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen unberührt bleiben. Mit dem Vertrag soll ausschließlich die Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren gestärkt werden.
Zu Artikel 2
In Artikel 2 wird der räumliche Geltungsbereich der Vereinbarung festgelegt.
Zu Artikel 3
Absatz 1 benennt die für die Durchführung des Vertrages zuständigen Stellen in den Vertragsstaaten. Der Vertrag wird auf österreichischer Seite durch die Finanzämter und auf deutscher Seite durch die Zollämter durchgeführt. Rechte und Pflichten für andere Stellen in den Vertragsstaaten werden durch den Vertrag nicht begründet.
Absatz 2 begründet die Pflicht zur Benennung zentraler Stellen, die für die Zusammenarbeit im Rahmen des Vertrages hauptverantwortlich zuständig sind. Durch die Benennung zentraler Anlaufstellen werden Zuständigkeitsprobleme vermieden und darüber hinaus die notwendigen Rahmenbedingungen für einen koordinierten und kontinuierlichen Informationsfluss geschaffen. Auf deutscher Seite wird dies die Abteilung Zentrale Facheinheit der Bundesfinanzdirektion West, die als nachgeordnete Stelle des Ministeriums auch Verbindungsbüro im Sinne des Artikels 4 der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. Nr. L 18 vom 21.01.1997, S. 1) ist, sein. In Österreich ist die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen single point of contact für die Meldung einer Entsendung. Im Sinne des Gleichklangs der Behörden soll daher die Zentrale Koordinationsstelle die Funktion der österreichischen zentralen Stelle übernehmen.
Zu Artikel 4
Nach Artikel 4 ist auch eine direkte Zusammenarbeit der vor Ort tätigen Prüf- und Kontrollbehörden möglich, nachdem sie gegenseitig bekannt gegeben wurden.
Zu Artikel 5
Absatz 1 verpflichtet die zuständigen Ministerien, einander über wesentliche Änderungen der Rechts- und Verwaltungsvorschriften zügig zu unterrichten.
Zu den Aufgaben der zentralen Stellen nach Artikel 3 Absatz 2 gehören der Informationsaustausch über Aufbau und Aufgaben der Prüf- und Kontrollbehörden einschließlich der Benennung zuständiger Ansprechpartner (Ziffer 1) sowie der Informationsaustausch über Prüf- und Arbeitsmethoden (Ziffer 3). Mit der Zusammenarbeitsvereinbarung soll außerdem die Möglichkeit geschaffen werden, präventive Maßnahmen gemeinsam zu planen und durchzuführen (Ziffer 2). Mit der Formulierung „im jeweiligen Zuständigkeitsbereich“ wird deutlich gemacht, dass die Prüf- und Kontrollbehörden der Vertragsstaaten bei der Durchführung der Maßnahmen nur auf ihrem eigenen Hoheitsgebiet hoheitlich handeln dürfen.
Von zentraler Bedeutung ist der Austausch von Informationen – einschließlich personenbezogener Daten – auf Ersuchen im Wege der Amtshilfe sowie die unaufgeforderte Informationsübermittlung in Einzelfällen (Ziffern 4 und 5) und über den weiteren Fortgang einzelner Verfahren, in denen eine Zusammenarbeit stattgefunden hat (Ziffer 6).
Ermöglicht werden soll auch der Austausch von Bediensteten als Hospitanten (Ziffer 7). Diesen ist die Wahrnehmung hoheitlicher Tätigkeiten im Gastgeberland nicht gestattet.
Absatz 2 wurde bewusst so gestaltet, dass die dort benannten Zusammenarbeitsformen erweiterbar sind. Damit kann – im Rahmen der vertraglichen und gesetzlichen Möglichkeiten – flexibel auf praktische Bedürfnisse reagiert werden. Nach Absatz 3 ist auch den vor Ort tätigen Prüf- und Kontrollbehörden ein Zugriff auf das Instrumentarium des Absatzes 2 möglich.
Zu Artikel 6
Für eine zeitnahe und effiziente Bearbeitung von Ersuchen und unaufgeforderten Mitteilungen regelt Artikel 6, welche Angaben unbedingt erforderlich sind.
Absatz 2 berechtigt die ersuchten Stellen, weitere für die Bearbeitung eines Ersuchens erforderliche Informationen anzufordern.
Absatz 3 regelt die Art und Weise der Übermittlung von Ersuchen und unaufgeforderten Mitteilungen (schriftlich, fernschriftlich, elektronisch). Auf die Möglichkeit einer mündlichen Übermittlung wurde verzichtet, um Missverständnisse bei der Informationsübermittlung zu vermeiden und eine nachhaltige Datenübermittlung zu gewährleisten. In dringenden Fällen empfiehlt sich eine elektronische Übermittlung der Daten. Die Übermittlung von Ersuchen und unaufgeforderten Mitteilungen erfolgt formlos.
Nach Absatz 4 muss in bestimmten Fällen die Bearbeitung eines Ersuchens oder einer unaufgeforderten Mitteilung unterbleiben, wenn durch die Bearbeitung ein nicht vertretbarer Verwaltungsaufwand verursacht wird oder innerstaatliche Vorschriften beziehungsweise die Verwaltungspraxis der Bearbeitung entgegenstehen. Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass die Erfüllung der durch nationales Recht festgelegten Aufgaben der jeweiligen Schwarzarbeitsbekämpfungsbehörden durch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit nicht gefährdet wird. Da die Nichtbearbeitung den Ausnahmefall darstellen soll, muss im Fall eines Ersuchens die ersuchende Stelle über die Gründe hierfür informiert werden.
Zu Artikel 7
Artikel 7 bestimmt, dass jeder Vertragsstaat die für seine Stellen aus der Anwendung dieses Vertrages entstehenden Kosten trägt.
Zu Artikel 8
Artikel 8 trifft eine Datenschutzregelung, die die Verwertung, Berichtigung, Aufbewahrung, Löschung von und Auskunftserteilung über übermittelte Daten betrifft.
Zu Artikel 9
Um die erzielten Ergebnisse bewerten und Fragen, die die Auslegung und Anwendung des Vertrages betreffen, gemeinsam klären zu können, bestimmt Absatz 1, dass eine „gemischte Kommission“ in regelmäßigen Abständen zusammentrifft.
Ein außerordentliches Zusammentreten der „gemischten Kommission“ ist im Einvernehmen möglich. Die Kommission wird sich aus Vertretern des österreichischen Bundesministeriums für Finanzen, Abteilung IV/3 (Betrugsbekämpfung) und Stabstelle Finanzpolizei sowie des deutschen Bundesministeriums der Finanzen und der in Artikel 3 genannten zentralen Stellen zusammensetzen. Die „gemischte Kommission“ kann nach Absatz 2 Vertreter anderer nationaler Stellen und anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union einladen, an ihren Arbeiten teilzunehmen. Im Sinne des Regelungsinhaltes des Vertrages betrifft dies in Österreich vorrangig das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz.
Zu Artikel 10
Durch Absatz 1 wird klargestellt, dass der Vertrag jederzeit durch gesonderte völkerrechtliche Verträge geändert werden kann.
Zu Artikel 11
Artikel 11 enthält die Verpflichtung für die Finanzministerien beider Staaten, binnen sechs Monaten nach Inkrafttreten des Vertrages Regelungen für die praktische Durchführung zu treffen.
Zu Artikel 12
Gemäß Artikel 12 veranlasst die Republik Österreich die Registrierung des Vertrages beim Sekretariat der Vereinten Nationen und unterrichtet die Bundesrepublik Deutschland über die erfolgte Registrierung.
Zu Artikel 13
Artikel 13 beinhaltet Regelungen zur Ratifikation und zum Inkrafttreten des Vertrages.
Zu Artikel 14
Artikel 14 enthält Regelungen zur Dauer und zur Kündigung des Vertrages.