Vorblatt

Problem:

Das bestehende Völkergewohnheitsrecht ist für die rechtliche Absicherung einer Leihe von besonders wertvollen oder symbolträchtigen Gegenständen des staatlichen Kulturerbes nicht immer ganz ausreichend. Außerdem besteht gegenüber Albanien keine Möglichkeit, Verletzungen von Völkergewohnheitsrecht vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) geltend zu machen.

Ziel:

Rechtliche Absicherung der wechselseitigen Leihe von Kulturerbe zwecks Ausstellung im jeweils anderen Staat.

Inhalt/Problemlösung:

Abschluss eines Abkommens, welches Immunitätsgarantien, die Anerkennung des Eigentums am Kulturerbe, eine Rückgabeverpflichtung und die Zuständigkeit des IGH vorsieht.

Alternativen:

Keine, es sei denn es wird auf die wechselseitige Leihe von staatlichem Kulturerbe verzichtet oder Rechtsunsicherheit bzw. Nichteinklagbarkeit in Kauf genommen.

Auswirkungen des Regelungsvorhabens:

- Finanzielle Auswirkungen:

Keine. Das Abkommen bildet lediglich den völkerrechtlichen Rahmen für künftige Leihen zwischen den zuständigen Institutionen. Es ermöglicht Leihen, verpflichtet aber nicht dazu. Durch das Abkommen selbst fallen keine Kosten an.

- Wirtschaftspolitische Auswirkungen:

-- Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

-- Auswirkungen auf die Verwaltungskosten für Bürger/innen und für Unternehmen:

Keine.

- Auswirkungen in umweltpolitischer Hinsicht, insbesondere Klimaverträglichkeit:

Keine.

- Auswirkungen in konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

Keine.

- Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Für die Regelungen des Abkommen bestehen keine Vorgaben des Unionsrechts.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien über die Zusammenarbeit betreffend die Leihe von Gegenständen ihres beweglichen staatlichen Kulturerbes für Ausstellungen auf dem Staatsgebiet des jeweils anderen Staates ist gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Protokolls im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Abkommen Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Durch die Änderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Ministerrat der Republik Albanien über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft, BGBl. III Nr. 164/2006, wird ein Artikel über die Zusammenarbeit bei der wechselseitigen Leihe von Gegenständen des staatlichen Kulturerbes eingefügt. Darin wird der Abschluss eines Abkommens in Aussicht genommen, welches den völkerrechtlichen Rahmen für die wechselseitige Leihe bilden soll. Als Eckpunkte dieses Abkommens werden Immunitätsgarantien für die Leihgegenstände, deren unverzügliche Rückführung nach Ende der vereinbarten Ausstellungsdauer und die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag für alle Streitigkeiten genannt. Mit dem vorliegenden Abkommen wird den Vorgaben des geänderten Kulturabkommens nachgekommen und die Zusammenarbeit betreffend die Leihe von staatlichem Kulturerbe durch Schaffung eines völkerrechtlichen Rahmens ermöglicht.

Nach geltendem Völkergewohnheitsrecht sind Zwangsmaßnahmen gegen ausländisches Staatsvermögen, das Bestandteil des kulturellen Erbes oder Bestandteil einer Ausstellung von wissenschaftlich, kulturell oder historisch bedeutsamen Gegenständen ist, nicht zulässig, es sei denn, die betroffenen Gegenstände stehen zum Verkauf oder sind zum Verkauf bestimmt. Diese Regel des Völkergewohnheitsrechts ist im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit kodifiziert (vgl. insbesondere dessen Art. 21). Das Übereinkommen ist bislang mangels ausreichender Anzahl an Ratifikationen noch nicht in Kraft getreten. Während Österreich das Übereinkommen bereits ratifiziert hat (vgl. BlgNR RV 1161, XXII. GP), hat Albanien weder unterzeichnet noch ratifiziert. Es besteht die grundsätzliche Möglichkeit, dass im Anlassfall unterschiedliche Auffassungen über den Umfang und die Reichweite der einschlägigen Regeln des Völkergewohnheitsrechts zu Tage treten. Ferner verbietet das Völkergewohnheitsrecht im Lichte der derzeit herrschenden Ansicht der restriktiven staatlichen Immunität nicht, das Eigentum des anderen Staates in Frage zu stellen. In diesem Zusammenhang können auch gerichtliche Verfahren nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Verboten sind lediglich Zwangsmaßnahmen gegen das Kulturerbe im Eigentum des anderen Staates.

Völkerrechtsverletzungen können vor internationalen Gerichten wie dem IGH nur dann eingeklagt werden, wenn die Streitparteien die Zuständigkeit akzeptiert haben. Österreich hat eine Unterwerfungserklärung gemäß Art. 36 Abs. 2 des IGH-Status (vgl. BGBl. Nr. 249/1971) abgegeben und damit die Zuständigkeit des IGH im Verhältnis zu Staaten begründet, welche die gleiche Verpflichtung übernommen haben. Albanien hingegen hat keine solche Verpflichtung übernommen, weshalb zwischen Österreich und Albanien keine Zuständigkeit des IGH besteht, es sei denn sie wird – wie im vorliegenden Abkommen – gesondert vereinbart.

Aus diesen Gründen war es erforderlich, im Hinblick auf die geplante Zusammenarbeit zwischen Österreich und Albanien im Kulturbereich durch wechselseitige Leihe von staatlichem Kulturerbe die Immunität, das Eigentum und die Rückgabeverpflichtung in einem völkerrechtlichen Vertrag abzusichern und die Zuständigkeit des IGH für allfällige Streitigkeiten vorzusehen. Damit wird der völkerrechtliche Rahmen für die Leihe von besonders wertvollem oder symbolträchtigem Kulturerbe geschaffen, die ohne diese Rechtsgarantien möglicherweise nicht zustande kommen würde.

Um das dem Schutz des Abkommens unterliegende Kulturerbe klar zu identifizieren, ist eine ausdrückliche Bezeichnung des zu verleihenden Gegenstandes durch die verleihende Vertragspartei vorgesehen (vgl. Art. 2 Abs. 1). Die Leihe selbst wird nach den international üblichen Regeln durch Vereinbarungen oder privatrechtliche Verträge zwischen den zuständigen Institutionen abgewickelt (vgl. Art. 3). Allfällige Kosten einer konkreten Leihe werden in diesen Vereinbarungen oder Verträgen geregelt. Das hier vorliegende Abkommen schafft nur den völkerrechtlichen Rahmen für Leihen, die in weiterer Folge zu vereinbaren sind, und hat deshalb selbst keine finanziellen Auswirkungen. Erster Anlassfall für das Abkommen ist die Ausleihung der Skanderbeg-Objekte des Kunsthistorischen Museums nach Albanien anlässlich der 100-Jahr-Feiern Albaniens. Für eine allfällige andere hinkünftige Leihgabe nach Albanien wäre auf das dann jeweils zuständige Ressort und die jeweils zuständige Bundessammlung abzustellen.

Den Bundesministerien und den Bundesländern – gemäß Art. 10 Abs. 3 B-VG – wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, können insoweit berührt sein, als auch die Länder über Gegenstände des beweglichen Kulturerbes im Staatseigentum verfügen, die für eine Leihe im Rahmen dieses Abkommens in Frage kommen könnten.

Besonderer Teil

Zu Art. 1:

Dieser Artikel legt den Zweck des Abkommens fest, der in der Schaffung eines rechtlichen Rahmens für die Leihe von beweglichem staatlichem Kulturerbe besteht. Kulturerbe, das nicht im Staatseigentum steht, ist vom Anwendungsbereich dieses Abkommens nicht erfasst.

Zu Art. 2:

Art. 2 enthält die Immunitätsgarantien, die Anerkennung des Eigentums und die Rückgabeverpflichtung.

Abs. 1 sieht eine ausdrückliche Bezeichnung des Kulturerbes vor, das auf dem Staatsgebiet des anderen Staates ausgestellt werden soll. Damit wird sichergestellt, dass das unter dem Abkommen geschützte Kulturerbe eindeutig identifizierbar ist. Umgekehrt bedeutet dies, dass nicht derart bezeichnetes und sonst verliehenes staatliches Kulturerbe keinen Schutz unter diesem Abkommen genießen kann. Außerdem enthält Abs. 1 die Anerkennung des Eigentums der bezeichnenden Vertragspartei. Dadurch soll verhindert werden, dass eine Vertragspartei – aus welchen Gründen auch immer – während der Ausstellung auf seinem Staatsgebiet Anspruch auf die Eigentümerschaft erheben kann. Abs. 3 verpflichtet die Vertragsparteien zusätzlich, die Erhebung von Ansprüchen oder die Unterstützung von Ansprüchen Dritter (z. B. Privater) zu unterlassen. Dadurch wird auch ausgeschlossen, dass eine Vertragspartei das diplomatische Schutzrecht zugunsten seiner Staatsbürger betreffend dieses Kulturerbe ausübt.

Abs. 2 regelt die Staatenimmunität hinsichtlich des bezeichneten Kulturerbes. Es wird ausdrücklich festgehalten, dass Immunität von jedem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren betreffend das Eigentum oder das Verfügungsrecht sowie jeglichen Zwangsmaßnahmen besteht. Umfasst sind daher auch zivilrechtliche Eigentumsansprüche im Rahmen von Strafverfahren.

Neben dem Respekt des Eigentums der anderen Vertragspartei enthält Abs. 3 eine ausdrückliche Rückgabeverpflichtung im Einklang mit dem vereinbarten Zeitplan.

Abs. 4 enthält zusätzlich zur Immunitätsregelung des Abs. 2 ein Verbot der Einleitung oder Aufrechterhaltung von Gerichts- oder Verwaltungsverfahren. Sollte es aus irgendwelchen Gründen dennoch zu einem Verfahren kommen, werden der betroffenen Vertragspartei die in Abs. 5 ausdrücklich vorgesehenen Vorrechte und Immunitäten zugestanden. Abs. 5 ist Art. 24 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit nachgebildet.

Zu Art. 3:

Dieser Artikel sieht vor, dass für konkrete Leihen besondere Vereinbarungen oder privatrechtliche Verträge zwischen den Vertragsparteien bzw. den zuständigen Institutionen abgeschlossen werden können.

Zu Art. 4:

Hier werden die innerstaatlichen Institutionen für die Umsetzung des Abkommens und alle gemäß Art. 3 geschlossenen Vereinbarungen oder privatrechtlichen Verträge festgelegt.

Zu Art. 5:

Art. 5 enthält eine allgemeine Verpflichtung zum Schutz und zur Erhaltung des in Empfang genommenen staatlichen Kulturerbes der anderen Vertragspartei im Einklang mit den höchsten internationalen Standards.

Zu Art. 6:

Dieser Artikel begründet die Zuständigkeit des IGH für alle Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung dieses Abkommens oder der gemäß Art. 3 geschlossenen Vereinbarungen oder privatrechtlichen Verträge. Mit dieser Bestimmung werden auch die Vereinbarungen und privatrechtlichen Verträge vor dem IGH einklagbar, sofern daraus ein Streit zwischen den Vertragsparteien entsteht.

Besteht eine Streitfrage, so sind zunächst auf schriftlichem Weg formelle Verhandlungen zu verlangen. Erst wenn diese Verhandlungen nicht binnen drei Monaten zur Beilegung der Streitigkeit führen, kann eine Klage beim IGH eingebracht werden.

Zu Art. 7:

Dieser Artikel regelt das Inkrafttreten und die Kündigung des Vertrags. Weiters stellt er sicher, dass das Abkommen im Fall seiner Beendigung auf das im Staatsgebiet der anderen Vertragspartei befindliche Kulturerbe bis zu dessen Rückgabe Anwendung findet.