2035 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP
Bericht
des Justizausschusses
über die Regierungsvorlage (1804 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 2005, das Wettbewerbsgesetz und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 geändert werden (Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2012 – KaWeRÄG 2012)
Das Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode sieht eine Evaluierung des Wettbewerbsrechts vor. Diese Bewertung haben das BMWFJ und das BMJ unter Beteiligung von Bundeswettbewerbsbehörde, Bundeskartellanwalt, Kartellgericht, Rechtsanwälten und Sozialpartnern im Verlauf des Jahres 2011 durchgeführt.
Zuvor hat der von den Sozialpartnern eingerichtete Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen in einer Enquete am 3. November 2010 seine Studie „Zukunft der Wettbewerbspolitik in Österreich“ einer interessierten Öffentlichkeit und den Justizsprechern des Nationalrats präsentiert. Die Studie enthält neben Wünschen zur Berücksichtigung der Wettbewerbspolitik in zukünftigen Regierungsprogrammen und einem Bekenntnis zur Beibehaltung der Behördenstruktur im Kartellrechtsvollzug eine Reihe von Reformanliegen, die im Kartellgesetz und im Wettbewerbsgesetz umzusetzen wären.
Auf der Grundlage dieser Vorarbeiten haben BMJ und BMWFJ Reformvorschläge entwickelt und mit den beteiligten Institutionen in einer Arbeitsgruppe diskutiert. Als Ergebnis dieser Beratungen haben beide Ressorts Entwürfe einer Kartellgesetz-Novelle 2012, einer Wettbewerbsgesetz-Novelle 2012 und einer Änderung des Nahversorgungsgesetzes zur allgemeinen Begutachtung versandt. Die Entwürfe sind auf reges Interesse und überwiegende Zustimmung gestoßen.
Der vorliegende Entwurf enthält Änderungen des Kartellgesetzes 2005, des Wettbewerbsgesetzes und des Bundesgesetzes gegen Unlauteren Wettbewerb 1984. Die im Ministerialentwurf für eine Änderung des Nahversorgungsgesetzes vorgeschlagenen Bestimmungen sind in das Kartellgesetz eingearbeitet worden.
Änderungen des Kartellgesetzes 2005
Für das Kartellgesetz werden folgende Änderungen vorgeschlagen:
1. Die österreichische Bagatellausnahme soll insbesondere durch eine Gegenausnahme für Hardcorekartelle den EU-rechtlichen Regelungen angeglichen werden;
2. die Aufsicht über marktbeherrschende Unternehmen soll durch die Übernahme des Konzepts der gemeinsamen Marktbeherrschung nach § 19 Abs. 2 des deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (im Folgenden: dGWB) sowie geänderte Formulierungen zum Preismissbrauch gestärkt werden;
3. die Schaffung einer an § 29 dGWB angelehnten Sonderbestimmung über den Missbrauch der Marktmacht für Energieversorgungsunternehmer soll den Wettbewerb auf den durch eine hohe Konzentration gekennzeichneten Strom- und Gasmärkten forcieren und insbesondere den Preismissbrauch verhindern. Anbietern von Elektrizität und leitungsgebundenem Erdgas soll es verboten werden, Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen zu fordern, die ungünstiger sind als diejenigen anderer Versorgungsunternehmer oder von Unternehmern auf vergleichbaren Märkten. Der Unternehmer hat aber die Möglichkeit, zu beweisen, dass die Abweichung sachlich gerechtfertigt ist. Weiters wird ein Verbot der Forderung von Entgelten, die die Kosten in unangemessener Weise überschreiten, vorgesehen. Die Bestimmung ist mit 31. Dezember 2016 befristet;
4. für das Zusammenschlusskontrollverfahren wird die Möglichkeit eingeführt, die Fristen für die Stellung des Prüfungsantrags und die Entscheidung des Kartellgerichts über Antrag der Anmelder zu verlängern („Stop-the-clock-Verfahren“);
5. Feststellungsanträge sollen sowohl gegen Kronzeugen als auch zur Vorbereitung von Schadenersatzklagen zugelassen werden;
6. die Kriterien für die Geldbußenbemessung sollen anhand der Bußgeldleitlinien der Kommission ergänzt werden;
7. die Verteidigungsrechte im Bußgeldverfahren sollen durch besondere Anforderungen an Geldbußenanträge ausgebaut werden;
8. Entscheidungen des Kartellgerichts sollen in Zukunft von Amts wegen und ohne Kostenersatz in der Ediktsdatei veröffentlicht werden;
9. für Schadenersatzklagen sollen Erleichterungen nach Vorbild des dGWB eingeführt werden;
10. die Gebühren für Kartellverfahren sollen valorisiert und komplettiert werden.
Darüber hinaus enthält der Entwurf eine Reihe von redaktionellen Verbesserungen. So dient er etwa der Anpassung der Verweise an das Primärrecht der Europäischen Union: Art. 2 des Vertrages von Lissabon hat den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) in den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) umbenannt und die bisherigen Artikel des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft umnummeriert. Ferner werden einige zwischenzeitig gegenstandslos gewordene Bestimmungen aufgehoben und nicht mehr zutreffende Verweise richtig gestellt. Einige Änderungsvorschläge des Entwurfs nehmen unmittelbar Bezug auf die vorgeschlagenen Änderungen des Wettbewerbsgesetzes.
Änderungen des Wettbewerbsgesetzes
Im Sinne des aktuellen Regierungsprogramms sollen die Befugnisse der BWB gestärkt werden. Die Erlangung von Auskünften von Unternehmen soll für die BWB einfacher werden, indem sie ermächtigt wird, die Erteilung von Auskünften und die Vorlage von Unterlagen unter Anwendung des AVG mit Bescheid anzuordnen und diesen auch zu vollstrecken. Die Verweigerung von Auskünften bzw. die Erteilung unrichtiger, irreführender oder unvollständiger Auskünfte entgegen einem Bescheid der BWB (§ 11a Abs. 3) sowie unrichtige oder irreführende Angaben aufgrund eines einfachen Auskunftsverlangens ohne Bescheid (§ 11a Abs. 2) werden künftig von der BWB selbst zu verfolgende Verwaltungsübertretungen darstellen.
Um eine Übermittlung von Daten im Zuge von Ermittlungen - z.B. des Bundesamtes für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung - betreffend Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht an die BWB zu ermöglichen, wird eine an § 76 Abs. 4 StPO angelehnte Bestimmung in das Wettbewerbsgesetz aufgenommen. Außerdem wird klargestellt, dass auch die Sicherstellung von IT-Daten durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Rahmen ihrer Hilfeleistung bei Hausdurchsuchungen zulässig ist.
Eine weitere Angleichung der Befugnisse der BWB an jene der Europäischen Kommission nach Verordnung (EG) Nr. 1/2003 bringen folgende Bestimmungen: Das Auskunftsrecht der BWB gegenüber Unternehmen im Rahmen von Hausdurchsuchungen wird insofern ausgeweitet, als diese nun auch Erläuterungen zu Tatsachen oder Unterlagen verlangen kann, die mit dem Gegenstand und dem Zweck der Ermittlungen in Zusammenhang stehen, und sie nicht – wie bisher - auf Auskünfte betreffend den Aufbewahrungsort und den Inhalt von Dokumenten beschränkt bleibt. Außerdem wird die BWB künftig die Möglichkeit haben, Geschäftsräume und Unterlagen im Rahmen einer Hausdurchsuchung zu versiegeln, was insbesondere bei Hausdurchsuchungen, die länger als einen Tag dauern, zur Sicherung der Ermittlungsergebnisse von Bedeutung ist. Auch eine Beschlagnahme von Unterlagen ist vorgesehen.
Zudem soll eine Angleichung an das Kronzeugenregelungsmodell des Netzwerks der europäischen Wettbewerbsbehörden (ECN) vorgenommen werden.
Weiters soll auch die Möglichkeit eines Wettbewerbsmonitorings gesetzlich verankert werden.
Änderung im Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb 1984
Hier erfolgt eine Adaptierung aufgrund des Urteils des EuGH vom 9. November 2010 in der Rechtssache C-540/08.
Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage erstmals in seiner Sitzung am 21. Juni 2012 in Verhandlung genommen. Nach der Berichterstattung durch den Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim wurden die Verhandlungen vertagt.
An der Debatte im Zuge der wiederaufgenommen Verhandlungen in der Sitzung am 20. November 2012 beteiligten sich die Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher, Mag. Albert Steinhauser, Dr. Johannes Jarolim und Mag. Karin Hakl sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl und der Ausschussobmann Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath.
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Peter Michael Ikrath und Dr. Johannes Jarolim einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:
„Zu Art. 1:
Der Justizausschuss vertritt die Auffassung, dass die Frage von besonderen Beweislastregeln für bestimmte marktbeherrschende Unternehmen, insb. für - wie in der Regierungsvorlage vorgesehen - marktbeherrschende Energieversorgungsunternehmer, noch eingehender Diskussionen bedarf und schlägt daher vor, diese in § 5a Kartellgesetz vorgesehene Sonderregelung vorerst zu streichen. Die aufgrund einer Vertagung später erfolgte Behandlung der Regierungsvorlage im Justizausschuss hat überdies auch eine Anpassung der Bestimmungen zum Inkrafttreten erforderlich gemacht.
Zu Art. 2:
Auch im Wettbewerbsgesetz sind Bestimmungen zum Inkrafttreten anzupassen. Überdies wird in der eingefügten Z 23 (§ 20 Abs. 2 WettbG) ein klarstellender Vorbehalt zugunsten des neuen § 11a Abs. 6 eingefügt, der einen Rechtsmittelzug an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien bis zum Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform am 1.1.2014 vorsieht.“
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, dagegen: G, B) beschlossen.
Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2012 11 20
Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher Mag. Peter Michael Ikrath
Berichterstatterin Obmann