2269 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über die Regierungsvorlage (2170 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 und das Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 geändert werden (BVergG und BVergGVS Novelle 2013)

1. Hauptgesichtspunkte des Entwurfes (Bezeichnung des Regelungsvorhabens):

1.1. Mit der vorgeschlagenen Novelle sollen die im Gefolge der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012,erforderlichen Anpassungen im BVergG 2006 und BVergGVS 2012 erfolgen.

1.2. Die Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr („Zahlungsverzugsrichtlinie“), ABl. Nr. L 48 vom 23. Februar 2011 S. 1, ist bis spätestens 16. März 2013 umzusetzen. Wie bereits ihre Vorgängerrichtlinie 2000/35/EG hat die Zahlungsverzugsrichtlinie das Ziel, den Belastungen, die Unternehmen durch übermäßig lange Zahlungsfristen und durch Zahlungsverzögerungen entstehen, durch abschreckende Rechtsfolgen von Zahlungsverzug entgegenzuwirken. Die Richtlinie enthält zu diesem Zweck überwiegend (zivilrechtliche) Bestimmungen, die für den Geschäftsverkehr zwischen allen Unternehmen im weiteren Sinn (das heißt auch für öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber) gleichermaßen gelten. Diese horizontalen, den Geschäftsverkehr zwischen allen Unternehmen betreffenden Richtlinienbestimmungen werden im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch und im Unternehmensgesetzbuch umgesetzt und sind grundsätzlich nicht Gegenstand der vorliegenden Novelle.

Die Zahlungsverzugsrichtlinie 2011/7/EU enthält darüber hinaus jedoch auch Sonderbestimmungen für „öffentliche Stellen“ (das sind nach der Richtlinie öffentliche Auftraggeber und öffentliche Auftraggeber als Sektorenauftraggeber). Für diese Auftraggeber gelten insbesondere hinsichtlich der Zulässigkeit der Vereinbarung von Zahlungsfristen strengere Regeln als für bloße Unternehmen. In Erwägungsgrund 23 der Richtlinie 2011/7/EU ist dies wie folgt begründet: „Im Allgemeinen können öffentliche Stellen mit sichereren, berechenbareren und beständigeren Einkünften als Unternehmen rechnen. Ferner werden vielen öffentlichen Stellen Finanzmittel zu günstigeren Bedingungen angeboten als Unternehmen. Zugleich sind öffentliche Stellen in Bezug auf die Verwirklichung ihrer Ziele auch weniger von der Herstellung stabiler Geschäftsbeziehungen abhängig, als dies bei Unternehmen der Fall ist. Lange Zahlungsfristen und Zahlungsverzug öffentlicher Stellen […] verursachen ungerechtfertigte Kosten für Unternehmen.“

Aus einer Trendumfrage des Kreditschutzverbandes 1870 vom Juni 2012 geht hervor, dass die öffentliche Hand ihre Rechnungen durchschnittlich erst nach 42 Tagen bezahlt, während die heimischen Unternehmen ihre Außenstände nach durchschnittlich 31 Tagen begleichen. Gemäß dem Europäischen Zahlungsindex 2012 beträgt die Zahlungsdauer des öffentlichen Sektors in Österreich durchschnittlich 44 Tage. Insbesondere in Zeiten wirtschaftlicher Herausforderungen kann daher eine Verbesserung der Zahlungsmoral der öffentlichen Hand zur Steigerung der Liquidität der Unternehmer und damit zur Stärkung der Wirtschaft beitragen.

Im BVergG 2006 werden nur die spezifisch für öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber geltenden Regelungen umgesetzt. Soweit die Richtlinie und damit das BVergG 2006 keine Sonderregelungen treffen, gelten für öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber die den Zahlungsverkehr betreffenden Bestimmungen des allgemeinen Zivilrechts und des Unternehmensgesetzbuches, da sie entweder ohnehin Unternehmer gemäß den §§ 1 bis 3 UGB oder aber juristische Personen des öffentlichen Rechts iSd §§ 343 bzw. 455 UGB sind (vgl. dazu AB 2178 BlgNR 24. GP).

Art. 4 der Zahlungsverzugsrichtlinie gilt gemäß seinem Abs. 1 undifferenziert für alle „Geschäftsvorgänge mit einer öffentlichen Stelle als Schuldner“. Die entsprechenden Bestimmungen sind daher für nahezu alle dem BVergG 2006 unterliegenden Vergabeverfahren umzusetzen, insbesondere auch für die Vergabe von Konzessionen und nicht prioritären Dienstleistungsaufträgen sowie die Vergabe von wertmäßig kleinen Aufträgen im Wege der Direktvergabe oder der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung. Ausgenommen – und daher dem allgemeinen Regime des ABGB bzw. des UGB unterliegend – ist lediglich die Vergabe von Bauaufträgen an Dritte durch Baukonzessionäre, die nicht öffentliche Auftraggeber sind, sowie die Durchführung von Wettbewerben.

1.3. Der Ministerrat hat am 25. September 2012 ein Leitkonzept für eine innovationsfördernde öffentliche Beschaffung beschlossen. Mit der expliziten Verankerung der Innovation als sogenanntes sekundäres Beschaffungsziel in den §§ 19 und 187 BVergG 2006 wird einer Empfehlung des Leitkonzepts Rechnung getragen.

1.4. Die Richtlinie 2012/27/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Energieeffizienz, zur Änderung der Richtlinien 2009/125/EG und 2010/30/EU und zur Aufhebung der Richtlinien 2004/8/EG („Energieeffizienzrichtlinie“), ABl. Nr. L 315 vom 14. November 2012 S. 1, beinhaltet eine wichtige Maßnahme im Rahmen der Strategie Europa 2020. Sie dient der Verwirklichung des 20%-Energieeffizienzzieles, das eines der vorrangigen Ziele im Rahmen dieser Strategie darstellt.

1.5. Mit der unter Artikel 2 vorgeschlagenen Novellierung des Bundesvergabegesetzes Verteidigung und Sicherheit 2012 (BVergGVS 2012) werden zum einen redaktionelle Fehler korrigiert und zum anderen die Einführung der Landespolizeidirektionen durch das Sicherheitsbehörden-Neustrukturierungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 50/2012, im BVergGVS 2012 nachvollzogen.

2. Abstimmung mit den Ländern:

Im Hinblick darauf, dass aufgrund der verfassungsrechtlichen Lage (vgl. Art. 14b B-VG und die Erläuterungen in AB 1118 d.B. XXI. GP) eine Mitwirkung der Länder an der Vorbereitung von Gesetzesvorhaben – insbesondere daher bei der Erstellung von Entwürfen zum BVergG - in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens in Form der bereits im Jahre 2002 eingerichteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe festgeschrieben ist, fanden auch bei der Erstellung des vorliegenden Entwurfes über Einladung des Bundeskanzleramtes Gespräche und Konsultationen zwischen Vertretern des Bundes und der Länder statt.

3. Problemanalyse und Regelungstechnik:

Zum vorliegenden Entwurf gibt es grundsätzlich keine Alternativen, da eine Untätigkeit des Gesetzgebers zur Folge hätte, dass keine Vergabekontrollbehörde existieren würde. Grundsätzlich ließe das B-VG es zu, dass die Vergabekontrolle in erster Instanz einer (neuen) Verwaltungsbehörde übertragen würde und danach der Rechtszug zum Bundesverwaltungsgericht eröffnet wäre. Angesichts der Tatsache, dass diese Konstruktion zu erheblichen Mehrkosten und zu einer signifikanten Verlängerung des Rechtsmittelverfahrens führen würde, wurde diese Regelungsalternative nicht weiter verfolgt.

Der vorliegende Entwurf beinhaltet im Hinblick auf die Anpassungen an die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 aus Gründen der besseren Lesbarkeit insbesondere die Neuerlassung des gesamten 4. Teiles des BVergG 2006. Auf eine diesbezügliche Umnummerierung der Paragraphen wurde aus Rücksicht auf die bereits seit 2006 mit dem BVergG 2006 (und dessen Paragraphenbezeichnungen) vertraute Praxis weitgehend verzichtet.

Hinsichtlich der Umsetzung der Zahlungsverzugsrichtlinie und der Energieeffizienzrichtlinie bestehen ebenfalls keine Regelungsalternativen. Die Nicht-Umsetzung der genannten Richtlinien könnte Staatshaftungsansprüche begründen und würde überdies ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission nach sich ziehen. Bei der Umsetzung des Unionsrechts wurde der bisherige Regelungsansatz auch im Rahmen dieser Novelle beibehalten, sodass sich die bundesgesetzliche Regelung grundsätzlich auf die Umsetzung des Unionsrechts beschränkt (Verbot des „gold-platings“; vgl. dazu das Rundschreiben des BKA-VD, GZ 600.824/011-V/2/01 und § 1 Abs. 1 des Deregulierungsgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 151/2001).

Auf innovative Aspekte kann im Vergabeverfahren bereits nach geltender Rechtslage Bedacht genommen werden. Eine ausdrückliche Verankerung der Innovation als sekundäres Beschaffungsziel im BVergG 2006 unterstreicht jedoch die Bedeutung der innovativen Beschaffung.

Der vorliegende Entwurf fügt im Wege von Einzelnovellierungen die neuen Regelungen in das bestehende System des BVergG 2006 ein.

4. Abschätzung der Auswirkungen:

Aufgrund der Tatsache, dass durch die Betrauung des Bundesverwaltungsgerichtes mit den Agenden der Nachprüfung in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens keine zusätzlichen Kosten entstehen, ergeben sich durch den vorliegenden Entwurf keine zusätzlichen finanziellen Auswirkungen.

Da einerseits im Zusammenhang mit der Verbindlicherklärung des Nationalen Aktionsplanes für eine ökologische Beschaffung bereits die durch die umzusetzende Richtlinie vorgeschriebenen ökologischen Standards weitestgehend implementiert wurden, entstehen durch den vorliegenden Entwurf keine zusätzlichen Kosten. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass falls durch zukünftige Revisionen der zu beachtenden ökologischen Standards (Beschaffung und Einsatz von Waren der höchsten Energieeffizienzklasse) wesentliche Mehrkosten entstehen würden, dies einen Grund darstellt, der Auftraggeber von der vorgesehenen Verpflichtung entbindet.

Die vorgesehene Verpflichtung zur Berücksichtigung der Energieeffizienz bei der Beschaffung bestimmter Waren und Dienstleistungen stellt einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele dar. Die positiven klima- und umweltbezogenen Auswirkungen können jedoch mangels Datenmaterial nicht quantifiziert werden. Insbesondere im Bereich der Dienstleistungsaufträge sind keine Informationen dazu vorhanden, welcher Prozentsatz der bei Erbringung der Dienstleistung eingesetzten Waren neu erworben wird und damit erst der vorgeschlagenen Verpflichtung betreffend die Energieeffizienz unterliegt.

Nach einer aktuellen Trendumfrage des Kreditschutzverbandes bezahlt die öffentliche Hand ihre Rechnungen durchschnittlich nach 42 Tagen (gemäß dem Europäischen Zahlungsindex 2012 beträgt die Zahlungsdauer durchschnittlich sogar 44 Tage). Mit der vorliegenden Novelle wird ein (grundsätzliches) Zahlungsziel von maximal 30 Tagen normiert. Diese Verkürzung der Zahlungsfristen kann zu kurzfristigen finanziellen Belastungen von öffentlichen Auftraggebern und Sektorenauftraggebern führen, die jedoch mangels Datenmaterial über die tatsächliche Zahlungsdauer der einzelnen dem BVergG 2006 unterliegenden Auftraggeber nicht quantifiziert werden können. Dem stehen jedoch die positiven Effekte auf Unternehmerseite (kein oder geringerer Bedarf an Überbrückungs- oder Zwischenfinanzierung) gegenüber. Aufgrund mangelnden Datenmaterials lassen sich die beschriebenen Effekte jedoch nicht quantifizieren.

Auswirkungen auf Verwaltungslasten ergeben sich durch die vorliegende Novelle nicht, da keine Informationsverpflichtungen für Unternehmen vorgesehen sind.

5. Planung der internen Evaluierung:

Da die Evaluierung der Aktivitäten des Bundesverwaltungsgerichtes Sache des Bundesverwaltungsgerichtes ist (vgl. dazu die §§ 22 bis 24 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes – BVwGG), wird keine eigenständige Evaluierung des vorgeschlagenen Regelungsvorhabens in Aussicht genommen.

Hinsichtlich der nationalen Evaluierung der Regelungen betreffend die Energieeffizienz und den Zahlungsverzug ist eine Evaluierung auf Unionsebene abzuwarten.

 

Der Verfassungsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 16. April 2013 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen der Berichterstatterin Abgeordneter Angela Lueger die Abgeordnete Mag. Daniela Musiol sowie der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, B, dagegen: G ) beschlossen.

 


 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (2170 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2013 04 16

                                  Angela Lueger                                                               Dr. Peter Wittmann

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann