2504 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über die Regierungsvorlage (2407 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Bundespflegegeldgesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz (11. Novelle zum APG), das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz 1987, das Bundessozialamtsgesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2013 – ARÄG 2013)

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Entsprechend dem Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode sowie einer Empfehlung der Reformarbeitsgruppe Pflege sind zur Stärkung der Solidarität zwischen den Generationen Maßnahmen zur Unterstützung von pflegenden und betreuenden Angehörigen von zentraler Bedeutung.

Arbeitnehmer/innen stehen mitunter vor der Situation, dass nahe Angehörige einen plötzlichen Pflege- und/oder Betreuungsbedarf aufweisen oder die Personen, die die nahen Angehörigen der Arbeitnehmer/innen bisher gepflegt und/oder betreut haben, unverhofft nicht mehr für die Pflege/Betreuung zur Verfügung stehen. Die derzeit bestehenden arbeitsrechtlichen Regelungen, die eine Dienstfreistellung zur Pflege von nahen Angehörigen vorsehen, wie etwa die Pflegefreistellung oder die Dienstverhinderung aus wichtigen die Person des/der Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin betreffenden Gründen greifen im Regelfall – insbesondere wegen der knappen Dauer der bezahlten Dienstfreistellung – zu kurz. Eine gesetzliche Verlängerung dieser Freistellungsansprüche könnte allerdings im Hinblick auf den Rechtsanspruch und die damit einhergehende finanzielle Belastung zu unzumutbaren Härten für Arbeitgeber/innen führen.

Daher werden zur besseren Vereinbarkeit von beruflichen und familiären Verpflichtungen die Instrumente der Pflegekarenz und der Pflegeteilzeit vorgeschlagen, die eine schriftliche Vereinbarung dieser Auszeit im aufrechten Arbeitsverhältnis ermöglichen, an die sich arbeits- und sozialrechtliche Folgen knüpfen. Neben arbeitsrechtlichen Absicherungen werden auch eine finanzielle Unterstützung sowie sozialversicherungsrechtliche Begleitmaßnahmen vorgesehen. Mit diesen Maßnahmen soll insbesondere die Organisation der Pflegesituation bei einem plötzlich auftretenden Pflegebedarf einer/eines nahen Angehörigen erleichtert werden. Durch die Normierung der Pflegeteilzeit in Anlehnung an die Bestimmungen der Pflegekarenz wird jenen Fällen Rechnung getragen, in denen nur eine teilweise Arbeitszeitreduktion erforderlich ist. Dadurch wird einerseits eine allfällige Lockerung des Verhältnisses zwischen Arbeitnehmer/in und Arbeitgeber/in vermieden, andererseits fällt die Reduzierung des Einkommens geringer aus. Das Instrument der Herabsetzung der Normalarbeitszeit wegen nicht nur vorübergehender Betreuungspflichten von nahen Angehörigen nach § 14 Abs. 2 Z 2 AVRAG geht in zeitlicher Hinsicht über die vorgesehene Zeit der Pflegeteilzeit hinaus und soll daher unangetastet weiter Anwendung finden. Da Pflegekarenz und Pflegeteilzeit Überbrückungsmaßnahmen darstellen, wird die Dauer mit ein bis drei Monaten festgelegt. Durch die erforderliche Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer/in und Arbeitgeber/in wird sichergestellt, dass auch auf die Erfordernisse des Betriebs Rücksicht genommen wird.

Vor diesem Hintergrund sollen pflegende und betreuende Angehörige durch einen Ausbau der Unterstützungsleistungen in Form einer Pflegekarenz bzw. einer Pflegeteilzeit durch eine Novelle zum Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und zum Landarbeitsgesetz 1984 bei der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf unterstützt werden. Aufgrund des daraus resultierenden Entfalls des Erwerbseinkommens soll im Bundespflegegeldgesetz für die vereinbarte Dauer dieser Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit ein Pflegekarenzgeld als Einkommensersatz normiert werden. Diese Leistung soll in gleicher Weise gebühren, wenn eine Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit nach gleichartigen bundes- oder landesgesetzlichen Regelungen vereinbart wird; dabei handelt es sich insbesondere um öffentlich Bedienstete.

Im Zuge dieser Novellierung soll auch die Situation von Personen, die zum Zwecke der Sterbebegleitung oder Begleitung schwerst erkrankter Kinder eine Familienhospizkarenz in Anspruch nehmen, verbessert werden. Derzeit können diese Personen Zuschüsse aus dem Familienhospiz-Härteausgleich erhalten, wenn sie gegen Entfall des Arbeitsentgelts (Karenz) zur Gänze von der Erwerbstätigkeit frei gestellt wurden und hieraus eine finanzielle Notsituation resultiert. In Hinkunft sollen auch Personen bei einer Sterbebegleitung oder einer Begleitung schwerst erkrankter Kinder ein Pflegekarenzgeld erhalten können und somit ein Rechtsanspruch auf diese Geldleistung geschaffen werden. Eine weitere wesentliche Verbesserung soll darin bestehen, dass diese Leistung auch bei Herabsetzung der Arbeitszeit gebühren soll. Gleichzeitig soll die Leistung aus dem Familienhospizkarenz-Härteausgleich als Ergänzungsleistung erhalten bleiben, um jenen Familien, die derzeit nach den geltenden Richtlinien eine höhere Leistung als das geplante Pflegekarenzgeld erhalten können, auch künftig eine Unterstützung in diesem Umfang zu ermöglichen.

Mit dem Entschließungsantrag des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend die weitere Vereinheitlichung des Pflegegeldwesens, Nr. 186/E XXIV. GP, wurde die Bundesregierung ersucht, den Vollzug des Pflegegeldwesens vor allem unter den Gesichtspunkten der weiteren Konzentration der Entscheidungsträger, der Vereinheitlichung, Vereinfachung und Verbesserung im Interesse der Pflegegeldbezieher/innen auch mit dem Ziel einer einheitlichen Begutachtungspraxis weiter zu entwickeln.

Bereits mit dem Pflegegeldreformgesetz 2012, BGBl. I Nr. 58/2011, erfolgte eine wesentliche Reduktion der Entscheidungsträger von mehr als 280 Landesträgern und 23 Bundesträgern auf sieben Träger. Mit der gegenständlichen Novelle soll die Anzahl der Entscheidungsträger im Sinne dieser Entschließung und einer Empfehlung des Rechnungshofes neuerlich vermindert werden. Die Zuständigkeit für Personen, die das Pflegegeld zu einer Leistung nach den Sozialentschädigungsgesetzen beziehen, soll vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf die Pensionsversicherungsanstalt als größten Entscheidungsträger übertragen werden. Ebenso soll die Zuständigkeit für die Vollziehung der pflegegeldrechtlichen Angelegenheiten im Bereich der Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates auf die Pensionsversicherungsanstalt übertragen werden, sodass in Hinkunft nur mehr fünf Entscheidungsträger für die Vollziehung des Bundespflegegeldgesetzes zuständig sein sollen.

Alle Bezieher/innen von Pflegekarenzgeld sollen in den Schutzbereich der Sozialversicherung aufgenommen werden, und zwar durch Einbeziehung in die Teilversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem ASVG (Aufnahme der pflegeteilzeitbeschäftigten BezieherInnen eines aliquoten Pflegekarenzgeldes in die Teilversicherung in der Pensionsversicherung). Die Beiträge zu diesen Versicherungen sollen zur Gänze aus Mitteln der öffentlichen Hand getragen werden.

Für juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften wird die Möglichkeit der Anmeldung von DienstnehmerInnen zur Sozialversicherung in Papierform ausgeschlossen.

Im Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz 1987 (KJBG) erfolgt eine Änderung des § 6, in dem die Verwendung und Beschäftigung von Kindern u.a. bei öffentlichen Musikaufführungen, Theatervorstellungen und sonstigen Aufführungen erleichtert wird.

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen die neue Kurzbezeichnung „Sozialministeriumservice“ erhalten. Damit soll der umfassende Servicecharakter dieser Organisation zum Ausdruck kommen.

Kompetenzgrundlage:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützen sich die Änderungen auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG („Arbeitsrecht“, „Sozialversicherungswesen“) und Art. 12 Abs. 1 Z 6 B-VG („Arbeiterrecht sowie Arbeiter- und Angestelltenschutz, soweit es sich um land- und forstwirtschaftliche Arbeiter und Angestellte handelt“). Der Entwurf im Bereich des Bundespflegegeldgesetzes stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 und Art. 102 Abs. 2 B-VG („Pflegegeldwesen“). Der vorliegende Entwurf zur Änderung des Bundessozialamtsgesetzes stützt sich in kompetenzrechtlicher Hinsicht auf Art. 10 Abs. 1 Z 16 B-VG („Einrichtung der Bundesbehörden und sonstigen Bundesämter“).

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 25. Juni 2013 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig die Abgeordneten Johann Höfinger, Ridi Maria Steibl, Werner Herbert, Karl Öllinger, Sigisbert Dolinschek, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Wolfgang Katzian, August Wöginger, Walter Schopf und Werner Neubauer sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Renate Csörgits und August Wöginger einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Mit Urteil des EGMR vom 19.2.2013 wurde Österreich aufgrund einer Verletzung von Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK verurteilt, weil nach bestehendem Recht die Adoption des Kindes durch den gleichgeschlechtlichen Partner eines leiblichen Elternteils ausgeschlossen ist. Auf Grund dieses Urteils sind entsprechende Adaptierungen im Zivilrecht notwendig, die mit dem Adoptionsrechts-Änderungsgesetz 2013 –AdRÄG 2013 (RV 2403 d.B.) erfolgen. Auf der Grundlage dieser Neuerungen ergibt sich zwingend insbesondere aus Art. 3 (1) lit. c) der RL 2000/78/EG (Abl. Nr. L 303 v. 2.12.2000, S. 16) des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ein Anpassungsbedarf im MSchG, VKG und LAG andernfalls mit einem Verfahren wegen Verstoßes gegen EU- Recht zu rechnen ist.

Da alle Regelungen, die eine Karenz oder Elternteilzeit im Falle der Adoption bzw. Übernahme in unentgeltliche Pflege betreffen, Bezug auf den jeweils andersgeschlechtlichen Elternteil, Adoptiv- bzw. Pflegeelternteil nehmen, indem im MSchG der Ausdruck ‚Vater, Adoptiv- oder Pflegevater‘ sowie im VKG ‚Mutter, Adoptiv- oder Pflegemutter‘ verwendet werden, wurden diese Wortfolgen durch den geschlechtsneutralen Ausdruck ‚anderer Elternteil bzw Adoptiv- oder Pflegeelternteil‘ ersetzt. Damit kann auch der andere Elternteil, der ein leibliches Kind seines gleichgeschlechtlichen Partners adoptiert hat, Karenz in Anspruch nehmen.“

Weiters haben im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Renate Csörgits und Ridi Maria Steibl einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Die Änderungen betreffen §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 3 FLAG.

Volljährige Kinder, die sich in Berufsausbildung befinden, dürfen bis zu 10 000 € im Kalenderjahr dazuverdienen. Wird dieser Betrag überschritten, fällt für das ganze Kalenderjahr die Familienbeihilfe weg. Diese Regelung führt in Einzelfällen zu Härten, bei denen die genannte Grenze nur geringfügig überschritten wird.

Zur Vermeidung unverhältnismäßiger Ergebnisse wird eine Einschleifregelung geschaffen. Danach soll jener Betrag an Einkommen des Kindes, der 10 000 € im Kalenderjahr übersteigt, von der Familienbeihilfe abgezogen werden. Im Rahmen der Einschleifregelung errechnet sich dieser Betrag an Familienbeihilfe nach der Höhe des Grundbetrages samt Alterszuschlag gemäß § 8 Abs. 2 FLAG 1967 für dieses Kind. Für den Fall, dass für erheblich behinderte Kinder eine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 gewährt wird, wird auch dieser Betrag mit eingerechnet. Der sich bei Mehrkindfamilien ergebende höhere Betrag an Familienbeihilfe für einzelne Kinder wird nicht berücksichtigt, da dieser höhere Familienbeihilfenbetrag eine höhere Einkommensgrenze ergeben würde und somit zu einer Ungleichbehandlung gegenüber Einzelkindern oder Kindern mit weniger Geschwistern führen würde.

Personen, denen Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag zu. Kann auf Grund der Höhe des Einkommens die Einschleifregelung nicht mehr angewendet werden und fällt deshalb die Familienbeihilfe zur Gänze weg, steht auch kein Kinderabsetzbetrag mehr zu. Eine allfällige Rückforderung würde dabei sowohl die Familienbeihilfe als auch den Kinderabsetzbetrag umfassen.

Die Neuregelung soll erst ab dem dem 19. Geburtstag folgenden Kalenderjahr gelten.

Die gleiche Regelung soll auch für Vollwaisen gelten.

Diese Regelung soll erstmals in Bezug auf das Kalenderjahr 2013 zur Anwendung kommen.

Finanzielle Auswirkungen:

Nach einer Auswertung der Familienbeihilfendatenbank gab es in den Jahren 2011 961 Fälle und im Jahr 2012 701 Fälle, bei denen die Familienbeihilfe wegen Überschreitung der Einkommensgrenze zurückgefordert wurde.

Hochgerechnet ergibt das einen Rückforderungsbetrag an Familienbeihilfe von rund 1,5 Millionen € (Kinder-absetzbetrag/rund 600 000 €) im Jahr. Im Hinblick auf die Einschleifregelung wird in Zukunft nicht die volle Rückforderung wirksam werden.“

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Renate Csörgits und August Wöginger sowie des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Renate Csörgits und Ridi Maria Steibl mit wechselnden Mehrheiten (dafür: S,V, dagegen: F,G,B bzw. dafür: S,V,F,B, dagegen: G bzw. einstimmig) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2013 06 25

                     Ulrike Königsberger-Ludwig                                                     Renate Csörgits

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau