275 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Antrag 673/A der Abgeordneten Mag. Donnerbauer, Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, die Anfechtungsordnung, die Ausgleichsordnung, das Außerstreitgesetz, das Ehegesetz, die Exekutionsordnung, das Gebührengesetz 1957, das Gerichtsgebührengesetz, die Jurisdiktionsnorm, die Konkursordnung, das Notariatsaktsgesetz, die Notariatsordnung, das Privatstiftungsgesetz, das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Tilgungsgesetz 1972, das Unterhaltsvorschussgesetz 1985, das Urheberrechtsgesetz und die Zivilprozessordnung geändert werden (Familienrechts-Änderungsgesetz 2009 – FamRÄG 2009)

Die Abgeordneten Mag. Donnerbauer, Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 17. Juni 2009 im Nationalrat eingebracht und u.a. wie folgt begründet:

„Die Bundesregierung und eine aktive Justizpolitik müssen es sich zum Ziel machen, das geltende Recht der gesellschaftlichen Realität anzugleichen. Im Regierungsprogramm der 24. Gesetzgebungsperiode sind auch Reformen im Familienrecht angekündigt. Konkrete Vorschläge für eine Reform wurden im Laufe der letzten Legislaturperiode unter der Leitung einer Lenkungsgruppe, an der auch das  Frauen-, Familien-, Innen- und Sozialressort beteiligt waren, in Arbeitsgruppen entwickelt.

Die unterzeichnenden Abgeordneten wollen unter Bedachtnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte besonders schwerwiegende und unerwartete Diskriminierungen für Lebensgefährten im Vergleich zu Ehepartnern im Justizrecht beseitigen. Darüber hinaus soll mit diesem Antrag verstärkt auf die Lebensbedingungen jener Menschen Bedacht genommen werden, die in neueren Lebensformen, insbesondere in Lebensgemeinschaften, leben, und auf Kinder in Patchworkfamilien. Da an einer Eheschließung interessierte Menschen die Ehe häufig deshalb scheuen, weil sie im Scheidungsfall den Verlust ihres Hauses oder ihrer Wohnung fürchten müssen, soll die Vorausverfügung über eheliches Gebrauchsvermögen und eheliche Ersparnisse erleichtert werden. Da die Flexibilität des Arbeitsmarktes zu häufigem Wechsel der Beschäftigung bei Personen führt, die minderjährigen Kindern Unterhalt schulden, leiden viele AlleinerzieherInnenhaushalte unter schwankendem Einkommen. Zu Recht beklagen AlleinerzieherInnen, dass die Gewährung von Unterhaltsvorschuss zu lange dauere. Dem soll eine Verbesserung der Unterhaltsbevorschussung entgegenwirken. Um Benachteiligungen durch eine Scheidung zu vermeiden, soll vor oder im Zuge einer Scheidung verstärkt auf außergerichtliche Beratung hingewiesen werden. Zur Hebung von Rechtssicherheit bei Adoptionen im Ausland ist ein Anerkennungsverfahren für ausländische Adoptionsentscheidungen vorgesehen. Zugleich sollen das noch aus 1811 stammende Recht der Ehepakte modernisiert und zeitlich überholte, insbesondere Frauen diskriminierende Rechtsinstitute beseitigt werden. Die Änderungen sollen mit 1. Jänner 2010 in Kraft treten.

Der Antrag verfolgt insbesondere folgende Zielsetzungen:

         - Beseitigung von Diskriminierungen von Lebensgefährten

         - Berücksichtigung moderner Familienformen, wie der Patchwork-Familie, im Gesetz

         - Modernisierung des Rechtes der Ehepakte

         - Erleichterung der Vorausregelungen über die Ehewohnung

         - Beratung vor oder im Zuge einer Scheidung

         - Verbesserung der Unterhaltsbevorschussung

         - Fakultatives Anerkennungsverfahren für ausländische Adoptionsentscheidungen

 

Im Einzelnen wird dazu Folgendes ausgeführt:

 

Das österreichische Recht nimmt auf Erscheinungen modernen Familienlebens, wie Kinder aus getrennten Beziehungen, besonders in sogenannten „Patchwork-Familien“ sowie auf das Eingehen von Folgeehen und auf Lebensgemeinschaften, zu wenig Bedacht. Die Regelungen des ABGB über Ehepakte sind veraltet. Die Gestaltungsfreiheit bei der Verfügung über eheliches Gebrauchsvermögen, insbesondere über die Ehewohnung, ist beschränkt. Eheleute lassen sich scheiden, ohne vorher ausreichend im Hinblick auf die Scheidungsfolgen beraten worden zu sein. Der Rechtsrahmen bei Adoptionen aus Ländern, die nicht Vertragsstaaten des Haager Adoptionsübereinkommens sind, ist unsicher. Allein erziehende Eltern und ihre Kinder gehören zu den am meisten armutsgefährdeten Personen in Österreich. Bei wirtschaftlichen Krisen sind sie besonders gefährdet, auch weil die Leistungen aus der Unterhaltsbevorschussung unerwartet schwanken können.

Im Familienrecht sollen moderne Familienformen besser berücksichtigt werden, wobei vor allem auf die Lebensbedingungen von Stiefkindern sowie die außereheliche Lebensgemeinschaft Bedacht genommen werden soll. Die familiäre Solidarität soll gestärkt werden. Das Ehegüterrecht soll modernisiert werden. Die Eheschließung soll dadurch erleichtert werden, dass vermögenswerte Vorausverfügungen, insbesondere über die Ehewohnung, zugelassen werden. Bei der Scheidung soll die Information der Ehegatten verbessert werden. Für Auslandsadoptionen soll die Rechtssicherheit durch ein – fakultatives – gerichtliches Anerkennungsverfahren gestärkt werden. Schließlich sollen die kontinuierlichere Leistung von Kindesunterhalt durch Ausbau der Unterhaltsbevorschussung verbessert und Klarstellungen zum Verfahren nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen vorgenommen werden.

Der vorliegende Gesetzentwurf enthält insbesondere folgende Punkte:

-       Ausdehnung der ehelichen Beistandspflicht auf die Obsorge für Stiefkinder

-       Vertretung des Ehegatten in den Obsorgeangelegenheiten des täglichen Lebens, wenn es die Umstände erfordern

-       Recht minderjähriger Kinder auf Beistand in Familienverbänden

-       Beseitigung von Diskriminierungen von Lebensgefährten

-       Modernisierung des Ehegüterrechts

-       Erleichterung der Vorausverfügung über eheliches Gebrauchsvermögen

-       Verstärkte Hinweise auf eine Beratung der Ehegatten bei einer Scheidung

-       gerichtliche Anerkennung von ausländischen Adoptionsentscheidungen

-       Klarstellungen über das Verfahren nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen

-       obligatorische Einholung von Strafregistereinkünften vor Adoptionsentscheidungen

-       Verbesserung der Unterhaltsbevorschussung

 

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 30. Juni 2009 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Gabriele Binder-Maier die Abgeordneten Ridi Maria Steibl, Mag. Daniela Musiol, Herbert Scheibner, Dr. Peter Fichtenbauer, Mag. Harald Stefan, Mag. Johann Maier, Mag. Karin Hakl, Dr. Johannes Jarolim und Mag. Albert Steinhauser sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer und Dr. Johannes Jarolim zwei Abänderungsanträge eingebracht. Der Abänderungsantrag betreffend Artikel 8 des Familienrechts-Änderungsgesetzes 2009 war wie folgt begründet:

„Zu Z 1, 4 und 6 lit. c bis e (§ 2 und TP 12 lit. g und h sowie Anm. 6 und 7):

Für Besuchsverfahren soll aus sozialen Erwägungen nur ein Gebührenbetrag von 116 Euro an Stelle der bisher vorgesehen gewesenen 232 Euro zu entrichten sein. Daher wird für solche Verfahren ein eigener Gebührentatbestand in einer neuen Tarifpost 12 lit. g geschaffen. Der Inhalt der bisherigen lit. g wird unverändert in eine neue lit. h transferiert.

In diesen neuen Gebührentatbestand sollen auch Anträge nach § 178 ABGB, mit denen Informations- und Äußerungsrechte des nicht mit der Obsorge betrauten Elternteils geltend gemacht werden, einbezogen werden.

Anträge, die nicht auf die erstmalige Regelung oder die Änderung einer bestehenden Besuchsrechtsregelung, sondern bloß auf die Durchsetzung einer bestehenden Regelung gerichtet sind, sollen begünstigt werden. Die Gebühr von 116 Euro soll höchstens einmal in einem halben Jahr anfallen. Werden also innerhalb eines halben Jahres nach einem Antrag auf Durchsetzung weitere Anträge auf Durchsetzung eingebracht, ist für diese keine Gebühr zu entrichten.

Die gleiche Regelung soll für alle Anträge nach § 178 Abs 1 und 2 ABGB gelten, nicht aber für Anträge auf Entziehung der Informations- und Äußerungsrechte (§ 178 Abs 3 ABGB), weil diese zwangsläufig auf eine Änderung der bestehenden Rechtslage gerichtet sind.

Ebenfalls aus sozialen Erwägungen soll für die Überprüfung und Bestätigung der Pflegschaftsrechnung an Stelle der Mindestgebühr von 116 Euro eine Mindestgebühr von 76 Euro treten.

Z 2, 5 und 6 lit. a (TP 1 Anm. 9, TP 8 und TP 12 lit. a Z 2 und Anm. 3):

Durch die vorgeschlagene Anhebung der Pauschalgebühren für das Verlassenschaftsverfahren sowie die einvernehmliche und die strittige Scheidung soll versucht werden, den Gebührenausfall durch die Gebührenherabsetzung für das Besuchsverfahren (vgl. Z 5 lit. b und c) auszugleichen. Bei der Bemessung dieser Gebühren wurden die bisherigen Relationen (gemeint sind hier die Differenzbeträge zwischen den Pauschalgebühren für die strittige und die einvernehmliche Scheidung sowie für Scheidungsvergleiche mit und ohne Einschluss bücherlicher Rechte) beibehalten.

Zu Z 7 (Art. VI):

Entsprechend der ständigen Praxis bei Gebührenneubemessungen sind auch die in diesem Bundesgesetz enthaltenen neuen Gebührenbeträge basierend auf dem Basismonat der letzten Verordnung zur Neufestsetzung der Gebühren nach dem GGG (das ist der Monat März 2009) zum Zwecke der besseren Übersichtlichkeit, Vergleichbarkeit und Vorhersehbarkeit sowie der Verwaltungsökonomie bemessen worden, sodass wie schon bisher immer jeweils alle Gebührenbeträge zum gleichen Stichtag neu zu bemessen sein werden. Angesichts der zum 1.7.2009 im BBG 2009 in Kraft getretenen Fassung des § 31a GGG ist eine solche Neubemessung aller Beträge zuletzt mit 1. Juli 2009 (Basismonat März 2009) erfolgt.“

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der oben erwähnten Abänderungsanträge der Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer und Dr. Johannes Jarolim mit Stimmenmehrheit angenommen.

Ferner beschloss der Justizausschuss mit Stimmenmehrheit folgende Feststellung:

„Zu Art. 5 Z 3 (§ 97 EheG):

Eine den Anforderungen des § 97 Abs. 1 EheG entsprechende Vereinbarung der Ehegatten darüber, dass das Eigentum an der Ehewohnung und deren Nutzung einem Ehegatten zukommen soll, hindert das Gericht zwar, im Aufteilungsverfahren das Eigentum an der Wohnung dem anderen Ehegatten zuzuweisen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 97 Abs. 3 EheG kann das Gericht aber ungeachtet dessen eine von der Vereinbarung abweichende Nutzungsregelung verfügen, etwa indem es dem einen Ehegatten an der dem anderen gehörigen Wohnung ein Wohnrecht o.dgl. einräumt.“

 

Als Berichterstatterin für das Plenum wurde Abgeordnete Gabriele Binder-Maier gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2009 06 30

                           Gabriele Binder-Maier                                                Mag. Heribert Donnerbauer

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann