Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

des Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald

zum Bericht 308 der Beilagen über die Regierungsvorlage (225 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) geändert und einige universitätsrechtliche Vorschriften aufgehoben werden (Universitätsrechts-Änderungsgesetz 2009)

sowie über den Antrag

418/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung Kollektivvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Universitäten

Die Novelle lässt weitgehend ein zugrunde liegendes bildungs- und forschungspolitisches Konzept vermissen, entspricht mit der Beibehaltung eines antiquierten und streng hierarchischen Kuriensystems nicht den Anforderungen einer teamorientierten, partizipativen und modernen Universität, reduziert die immer wieder propagierte Autonomie der Universität durch zunehmenden Einfluss von Universitätsräten und der Politik und definiert von den Universitäten zu erbringende Leistungen, die in keiner Weise budgetär gedeckt werden können.

 

Ziele und Aufgaben der Universitäten sind unzureichend definiert

 

Die Ziele, verantwortlich zur Lösung der Probleme des Menschen sowie zur gedeihlichen Entwicklung der Gesellschaft und der natürlichen Umwelt beizutragen, bleiben ebenso vage wie das gemeinsame Wirken von Lehrenden und Studierenden und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Auch unter den leitenden Grundsätzen, die unter anderem die Vielfalt wissenschaftlicher und künstlerischer Theorien, Methoden und Lehrmeinungen, das Zusammenwirken der Universitätsangehörigen und die soziale Chancengleichheit betonen, bleiben vielfach graue Theorie.

Universitätspolitik bedarf einer kongruenten Bildungspolitik an den Schulen, die, da politisch umstritten, derzeit nicht erkennbar ist. Die soziale Schieflage beginnt spätestens mit dem zehnten Lebensjahr und setzt sich bis zum Übertritt in den tertiären Bildungsbereich fort.

„Seltsame“ Studien versuchen diesen von zahlreichen ExpertInnen kritisierten Missstand zu verschleiern, Daten und Fakten zeigen aber die rückständige Position Österreichs eindeutig.

Die Regierung präsentiert keine Konzepte eines besseren und weniger sozial diskreditierenden Zugangs breiterer Bevölkerungsschichten zu höherer Bildung. Aussagen über zukünftig angestrebte Studierendenzahlen und Übertrittsquoten nach der Matura werden vermieden. Auch verschweigt man sich über die Aufteilung der Studierenden in die unterschiedlichen Sektoren des tertiären Bildungsbereiches (insbesondere zwischen FHS und Universitäten). Nur ein im EU-Vergleich kleiner Anteil von Studierenden wird finanziell zureichend unterstützt, was dazu führt, dass immer mehr Studierende auf Arbeit angewiesen sind, was wiederum zu Studienverzögerungen führen wird.

Massive Abhängigkeiten des wissenschaftlichen Nachwuchses von ihren Vorgesetzten laufen einer international üblichen frühen Autonomie der ForscherInnen entgegen, Kurzzeitverträge, budgetbedingte Knappheit an offenen Stellen und damit mangelnde Perspektiven lassen Universitäten als Arbeitplatz unattraktiv bleiben.

Krass zeigt sich die missbräuchliche Verwendung von ÄrztInnen an Universitätskliniken, die meist über 90 % ihrer wöchentlichen Arbeitszeit in der PatientInnenversorgung verbringen und Lehre wie Forschung zu einer Freizeitleistung degradieren. Versuche, hier auch nur Geringes zu verbessern, werden durch Einsprüche der Krankenhausträger (Länder) konterkariert.

Trotz zahlreicher Räte (Rat für F&E, Wissenschaftsrat, Universitätsräte) und Konferenzen (Universitäten und Fachhochschulen) gibt es kein Instrumentarium der Gesamtschau des tertiären Bildungssektors und dessen Beziehungen zum Schulsystem.

Eine durchaus zu begrüßende Profilbildung und Exzellenzinitiative wird durch knappe Budgets bzw. einen unterdotierten Forschungsförderungsfonds erschwert oder derzeit überhaupt verunmöglicht.

Eine klare Aufgabenteilung zwischen Universitäten und Fachhochschulen konnte nicht definiert werden, ja, sie verschwimmt durch eine zunehmende Verschulung der Universitäten immer mehr.

 

Einige positive Ansätze durch Abänderungsanträge

 

Zahlreiche kritische Reaktionen auf den Entwurf und breitere Debatten führten letztendlich zu Abänderungsanträgen und Ausschussfeststellungen. Viele davon waren Klarstellungen und Bereinigungen von Redaktionsversehen, einige trugen aber durchaus in unserem Sinne zu Verbesserungen bei. Diese betrafen Studierende und Lektorinnen sowie die Problematik der Kettenverträge. Auch die Stellung der Ärztinnen in Ausbildung wurde, wie längst fällig, verbessert.

Schon im Erstentwurf wurde von uns die Besserstellung des wissenschaftlichen Personals, insbesondere durch die zahlenmäßige Gleichstellung mit der Zahl der Studierenden im Senat, begrüßt.

Diese Aufwertung des ehemaligen „Mittelbaus“ entspricht aber durchaus dessen Leistungen und Bedeutung im universitären Gefüge und wurde seit langem eingemahnt.

Positiv war auch die erkennbare Verbesserung des Gesprächsklimas mit dem Ministerium. Die hinhaltende Geheimhaltung  bzw. die späte Präsentation des Entwurfes mit der Ablehnung einer breiteren Diskussion in einem vergeblich von der Opposition geforderten Unterausschuss erwies sich so als kontraproduktiv, da durch diese engen Zeitfenster weitere durchaus mögliche Kompromisse zu Lasten einer couragierteren Novelle verhindert wurden.

Weitere Ansätze einer zielgerichteten Veränderung des Universitätsgesetzes wurden mit dem Hinweis auf das vereinbarte Regierungsprogramm verschoben, ohne hier eine ausreichende Verbindlichkeit, Zeit und Inhalt betreffend, vermitteln zu können.

 

Gründe der Ablehnung

 

Das Entscheidungsgefüge zwischen Senat, Rektorat und Universitätsrat wurde noch stärker zu Ungunsten des Senates verschoben. Die breite fachliche Kompetenz des Senates kann nicht durch ein bloßes Anhörungsrecht negiert werden und „Einvernehmen mit dem Senat zu suchen“ lässt Interpretationsspielräume offen, die nicht befriedigen. Das wissenschaftliche Personal ist aber nicht bloß Mittel zum Zweck. Mitwirkung und Mitgestaltung sind Aufgaben von Universitätsangehörigen und Grundlage von Motivation und Leistungsbereitschaft. Hier auf dieses know how zu verzichten, ist geradezu fahrlässig und erschwert eine notwendige Identifikation mit den Zielen der Gesamtuniversität. Die Fortführung des Kuriensystems trägt die Gefahr, Standesinteressen vor Gesamtinteressen zu stellen, was wir für falsch halten.

Wir wünschen eine Mitwirkung des Senates an Profilbildung, Zielvorstellungen wie auch an der Gestaltung der universitären Binnenstruktur. Auch die Ausschreibung für eine Rektorin/einen Rektor sollte in der Hand des Senates bleiben.

Als vertrauensbildende Maßnahmen sollten Arbeitsklausuren zwischen Senat, Rektorat und Universitätsrat zur Pflicht werden.

Für gefährlich, ja nahezu unredlich, halten wir die Änderungen des § 13 Abs. 2 Z 1:

Hier schiebt das Ministerium die Verantwortung für durchaus begrüßenswerte Maßnahmen wie einen „Schwarzen Peter“ den Universitäten zu.

-       Studienberatung, Coaching, Mentoring und Betreuungsangebote für Studierende mit Kindern sollen ausgebaut werden.

-       Verbesserung der Betreuungsrelationen wird den Universitäten überantwortet.

-       Angebote für berufstätige Studierende sollen erhöht werden.

 

All das finden wir notwendig, ja dringlich. Dass diese Maßnahmen personal- und kostenintensiv sind, muss dem Ministerium bekannt sein.

Diese Zusatzfinanzierungen sind von den Universitäten in ihrer derzeitigen Budgetsituation nur dann zu leisten, wenn andere Leistungen zurückgefahren werden. Qualitätsverbesserungen, die vorwiegend nur zu Lasten anderer Leistungen (Mobilität, Forschung, Vielfalt der Lehre und Interdisziplinarität) durchgesetzt werden können, sind mehr als fragwürdig, sondern führen zwangsläufig zu schweren Verteilungskonflikten.

Diese Problematik ohne budgetäre Vorsorge von sich zu weisen und den Universitäten zu überschreiben, ist nicht tragbar.

Die Befürchtung, gute Betreuungsverhältnisse bei quasi gedeckelten Budgets und sehr hohen Fixausgaben garantieren zu müssen, könnte als Notwehrreaktion dazu führen, die Studierendenzahlen erneut zurückzufahren.

Anspruch und Wirklichkeit hier derart zu missdeuten, kann von den Universitäten nur entschieden zurückgewiesen werden. Vieles deutet darauf hin, dass diese Taktik diese Novelle stark beeinflusst hat. Wir wünschen uns, dass das verantwortliche Ressort sich als Partner und Verbündeter der Universitäten sieht und nur das von ihnen einmahnt, was es auch selbst zu geben bereit ist. Das scheint nicht ausreichend der Fall zu sein, und daher lehnen wir diesen Entwurf trotz einiger anerkennenswerter Verbesserungen ab.

Wien, 2009 07 06

Dr. Kurt Grünewald