532 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP
Bericht
des Verfassungsausschusses
über die Regierungsvorlage (327 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 geändert wird
Am 11. Dezember 2007 wurde die Richtlinie 2007/66/EG zur Änderung der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG des Rates im Hinblick auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge, ABl. Nr. L 335 vom 20.12.2007 S. 31, erlassen (CELEX Nummer: 32007L0066). Diese Richtlinie ist bis spätestens 20. Dezember 2009 umzusetzen. Die Umsetzung dieser Richtlinie erfordert Änderungen im 4. Teil des BVergG 2006 (Rechtsschutz vor dem Bundesvergabeamt), etwa im Bereich der Fristenregelungen. Um elementare Verstöße gegen das Vergaberecht wirksamer hintan zu halten, sieht die Richtlinie eine zwingende Unwirksamkeit des geschlossenen Vertrages in bestimmten Fällen vor. Daher sind nicht nur die bestehenden Feststellungskompetenzen des Bundesvergabeamtes zu erweitern, sondern es ist ihm auch die Kompetenz einzuräumen, Verträge unter gewissen Voraussetzungen für nichtig zu erklären bzw. allenfalls so genannte alternative Sanktionen über Auftraggeber zu verhängen.
Diese Änderungen im Rechtsschutzteil ziehen auch Änderungen im Bereich der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung (und der Widerrufsentscheidung) sowie der daran anknüpfenden Stillhaltefristen nach sich.
Die Umsetzung der Richtlinie 2009/33/EG über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge, ABl. Nr. L 120 vom 15.05.2009 S. 5 (CELEX Nummer: 32009L0033), erfordert Änderungen im 2. und 3. Teil des BVergG 2006 im Zusammenhang mit den Regelungen über die Ausschreibung. Die Richtlinie fordert die zwingende Berücksichtigung bestimmter externer Kosten bei der Beschaffung von Straßenfahrzeugen. Diese Berücksichtigung kann gemäß der Richtlinie entweder durch die Festlegung von technischen Spezifikationen mit einem hohen ökologischen Standard oder durch die Verwendung ökologischer Zuschlagskriterien erfolgen. In diesem Sinn sind daher die einschlägigen Vorschriften über die Gestaltung der Ausschreibung entsprechend zu modifizieren, wobei die Wahlfreiheit der Auftraggeber, in welcher Weise sie die externen Kosten im Vergabeverfahren berücksichtigen wollen, erhalten bleiben soll.
Das derzeit geltende BVergG 2006 verweist im Zusammenhang mit der Anerkennung von beruflichen Qualifikationen von Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaates in einigen Bestimmungen auf die §§ 373c ff der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl. Nr. 194, sowie die – jeweils auf das Ziviltechnikergesetz 1993 (ZTG), BGBl. Nr. 156/1994, gestützte – EWR-Architektenverordnung und EWR-Ingenieurkonsulentenverordnung. Im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. Nr. L 255 vom 30.09.2005 S. 22, (im Folgenden: Berufsanerkennungsrichtlinie) wurden die §§ 373a ff GewO 1994 komplett umgestaltet und es entfiel die angesprochene Verordnungsermächtigung des ZTG. Die angesprochenen Bestimmungen des BVergG 2006 sind daher anzupassen. Diese Anpassung wird wesentlich von der Vorgabe bestimmt, dass eine bescheidmäßige Anerkennung oder Gleichhaltung einer Qualifikation in der Regel nur mehr für eine Niederlassung erforderlich ist. Für die Erbringung einer bloß vorübergehenden und gelegentlichen Dienstleistung, die bei einer Leistung im Rahmen einer öffentlichen Auftragsvergabe den Regelfall darstellt, ist eine behördliche Entscheidung nur mehr unter bestimmten Voraussetzungen erforderlich.
Die österreichische Bundesregierung hat am 27. April 2006 beschlossen, die Verwaltungskosten für Unternehmen aus bundes- und EU-rechtlichen Informationsverpflichtungen bis 2010 bzw. 2012 um 25% zu senken. Im Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode wurde eine rasche Umsetzung der Initiative vereinbart und deren Fortführung im Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode bestätigt. Am 28. November 2007 fixierte die Bundesregierung die ressortspezifischen Reduktionsziele und am 26. März 2008 beschloss die Bundesregierung eine Maßnahmenliste zur Erreichung des Reduktionszieles. Im Rahmen des österreichischen Erhebungsprojekts Verwaltungskostenreduktion für Unternehmen aus gesetzlichen Informationsverpflichtungen (SKM) wurden einzelne Bestimmungen des BVergG 2006 als (nicht unerhebliche) Kostenfaktoren für Unternehmer identifiziert. Dies betrifft etwa die Vorlage von Nachweisen für Befugnis, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit im Zusammenhang mit der Eignungsprüfung oder die Antragsbedürftigkeit einzelner Verfahrensschritte. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden durch das aufwändige Nachweissystem belastet. Durch eine Neugestaltung im Bereich der Eignungsprüfung und die Einführung der so genannten „Eigenerklärung“ sowie durch einzelne Änderungen im Bereich der Einsichtnahme in Niederschriften sollen die Verwaltungslasten für Unternehmer gemäß den oben genannten Beschlüssen der Bundesregierung reduziert werden. Die vorgeschlagenen Maßnahmen (insbesondere Verwendung von Eigenerklärungen und Verlangen von Nachweisen nur von bestimmten Unternehmen) decken sich auch mit den Vorschlägen der sogenannten „Stoiber-Gruppe“ (High Level Group of Independent Stakeholders on Administrative Burdens) vom 8. Dezember 2008 zum Bereich des öffentlichen Auftragswesens.
Weiters soll in einzelnen Bereichen der Grundsatz der elektronischen Übermittlung von Unterlagen (gegenüber der brieflichen Übermittlung bzw. der Übermittlung per Telefax) verstärkt zum Ausdruck gebracht werden. Das Bundesvergabeamt soll seine schriftlichen Erledigungen hinkünftig vorwiegend per Fax oder elektronisch zustellen.
Durch eine Entscheidung der Kommission wurde in der Richtlinie 2004/18/EG die Liste der zentralen Beschaffungsstellen im Sinne des GPA (Government Procurement Agreement, WTO-Abkommen über das öffentliche Auftragswesen) an das mit den Vertragsparteien erzielte Verhandlungsergebnis angepasst. Im Sinne dieser Entscheidung und der Neubezeichnung der Bundesministerien im Zuge der letzten Novellierung des Bundesministeriengesetzes 1986 – BMG, BGBl. Nr. 76, ist in Anhang V auch die Liste der zentralen öffentlichen Auftraggeber entsprechend zu adaptieren.
Durch die Novellierung des Signaturgesetzes (SigG), BGBl. I Nr. 190/1999, durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 8/2008, und die Novellierung des Zustellgesetzes (ZustG), BGBl. I Nr. 200/1982, durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 5/2008, sind einzelne Bestimmungen des BVergG 2006 anzupassen.
Die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 regelt die Vergabe von „öffentlichen Dienstleistungsaufträgen“ im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs. Unter den Begriff der „öffentlichen Dienstleistungsaufträge“ gemäß der Verordnung sind aus vergaberechtlicher Sicht sowohl die Vergabe von (öffentlichen) Dienstleistungsaufträgen wie auch die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen zu subsumieren. Abweichend von den Regelungen der Vergaberichtlinien und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH erlaubt die Verordnung in einem sehr weitgehenden Umfang die Direktvergabe von Dienstleistungskonzessionen und (öffentlichen) Dienstleistungsaufträgen. Ferner sind im Vergleich zur Rechtsprechung des EuGH betreffend die (quasi) in-house Ausnahme (vgl. dazu insbesondere Rs C‑107/98, Teckal, und die darauf basierende Judikaturlinie) die Anforderungen der Verordnung an den „internen Betreiber“ wesentlich gelockert. Vor diesem Hintergrund sollen die einschlägigen Bestimmungen des BVergG 2006 hinsichtlich der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen und nicht-prioritären Dienstleistungsaufträgen dahingehend gestaltet werden, dass Vergaben im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs gemäß den Regelungen der Verordnung möglich sind.
Schließlich soll die notwendige Novellierung zum Anlass genommen werden, einzelne legistische Bereinigungen vorzunehmen bzw. einzelnen Anregungen aus dem Bereich der Praxis Rechnung zu tragen.
Der Verfassungsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 1. Dezember 2009 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Karl Donabauer die Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Mag. Harald Stefan, Herbert Scheibner, Dr. Johannes Jarolim und Mag. Daniela Musiol sowie der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer.
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann und Mag. Wilhelm Molterer einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:
„Zu § 312 Abs. 4 Z 4 und § 335 Einleitungsteil:
Gemäß den §§ 140 Abs. 8 und 279 Abs. 8 kann im Unterschwellenbereich der Widerruf auch unmittelbar und ohne Abwarten einer Stillhaltefrist erklärt werden. Durch die Ergänzungen wird die Möglichkeit geschaffen, systemkonform auch in diesen Fällen, den Widerruf für unwirksam erklären zu können.
Zu § 318 Abs. 1 Z 1:
Das bisherige System der Gebührenfestsetzung warf in der Praxis diverse Probleme auf. In Folge dessen sollen nunmehr die Gebührensätze nicht mehr im Gesetz selbst festgelegt, sondern durch die Bundesregierung mit Verordnung festgesetzt werden. Die Determinanten für die Höhe der Gebühren sind in der neuen Z 1 in demonstrativer Weise (arg. „insbesondere“) aufgezählt: Auftragsgegenstand, Verfahrensart, Nachprüfungsanträge betreffend bestimmte gesondert anfechtbare Entscheidungen in einem frühen Verfahrensstadium (Anträge auf Nachprüfung der Ausschreibungsunterlagen, der Wettbewerbsunterlagen und Anträge auf Nachprüfung der Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages), Verfahren im Oberschwellenbereich oder im Unterschwellenbereich. Die (erstmalig festzusetzende) Gebührenhöhe sollte sich an den bisherigen Sätzen (vgl. dazu BGBl. II Nr. 366/2007) orientieren, da diese (auf der Basis der erwähnten Parameter) schon bisher vom Gesetzgeber als sachlich gerechtfertigt und angemessen erachtet wurden. Neu ist die Differenzierung danach, ob es sich um Nachprüfungsanträge betreffend die Ausschreibungsunterlagen, die Wettbewerbsunterlagen und Anträge auf Nachprüfung der Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages im Gegensatz zu sonstigen gesondert anfechtbaren Entscheidungen handelt. Damit soll verstärkt dem in § 318 Abs. 1 Z 1 festgelegten Grundsatz Rechnung getragen werden, dass die Gebührenhöhe auch den für den Antragsteller zu erzielenden Nutzen zu berücksichtigen hat. Da bei den zuerst genannten Nachprüfungsanträgen (Anträge auf Nachprüfung der Ausschreibungsunterlagen, der Wettbewerbsunterlagen und Anträge auf Nachprüfung der Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages) in einem frühen Stadium bereits ohne allzu großen Aufwand eine gesetzeskonforme Ausgestaltung des Vergabeverfahrens ermöglicht werden könnte und überdies in diesen Verfahrensstadien noch keine konkreten Erfolgsaussichten des Antragstellers (insbesondere auf Erteilung des Zuschlages) festgemacht werden können, sollen für diese Nachprüfungsanträge niedrigere Gebührensätze vorgeschrieben werden. Nach dem Wortlaut der Z 1 sollen die Gebühren nicht die beim Bundesvergabeamt entstehenden Kosten zur Gänze abdecken, sondern die Gebühren sind so festzusetzen, dass ein ausgewogenes Verhältnis des durch den Antrag bewirkten Verfahrensaufwandes mit dem für den Antragsteller zu erzielenden Nutzen erzielt wird.“
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann und Mag. Wilhelm Molterer mit Stimmenmehrheit angenommen.
Ein von den Abgeordneten Dr. Peter Wittmann und Mag. Wilhelm Molterer eingebrachter Entschließungsantrag betreffend diskriminierungsfreie Vergabe von öffentlichen Dienstleistungen im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs wurde einstimmig beschlossen. Diesem Antrag war folgende Begründung beigegeben:
„ Im Zuge der Beschlussfassung des Bundesvergabegesetzes stellt sich das Problem, wie die Vergabe von öffentlichen Dienstleistungen im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs in Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 diskriminierungsfrei gestaltet werden kann.“
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle
1. dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;
2. die angeschlossene Entschließung annehmen.
Wien, 2009 12 01
Karl Donabauer Dr. Peter Wittmann
Berichterstatter Obmann