608 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP
Bericht
des Justizausschusses
über die Regierungsvorlage (601 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Unterbringungsgesetz, das Heimaufenthaltsgesetz und das Strafvollzugsgesetz geändert werden (Unterbringungs- und Heimaufenthaltsnovelle 2010 – Ub-HeimAuf-Nov 2010)
Die gegenständliche Regierungsvorlage hat folgende Schwerpunkte zum Inhalt:
Im Unterbringungsgesetz
- soll unter Beachtung der verfassungs- und völkerrechtlichen Vorgaben, insbesondere des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen das Verhältnismäßigkeitsprinzip im Gesetz verankert und klargestellt werden, dass bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen ist, ob im Falle einer Aufhebung voraussichtlich in absehbarer Zeit neuerlich Freiheitsbeschränkungen erforderlich würden;
- soll ein zweites ärztliches Aufnahmezeugnis nur mehr auf Verlangen (bis zum Mittag des folgenden Werktags) erstellt werden müssen;
- soll die Vertretung der Patienten durch den örtlich zuständigen Verein erfolgen;
- wird eine Generalklausel zur Kontrolle sonstiger, bisher nicht ausdrücklich im UbG geregelter Rechtsbeschränkungen geschaffen;
- sollen verschiedene terminologische Anpassungen erfolgen.
Im Heimaufenthaltsgesetz
- soll die Befugnis zur Anordnung von Freiheitsbeschränkungen neu geregelt werden;
- soll ausdrücklich festgehalten sein, dass das Zugangsrecht des Bewohnervertreters nicht von der Meldung einer Freiheitsbeschränkung abhängig ist;
- soll den Gerichten die Möglichkeit eingeräumt werden, die Zulässigerklärung einer Freiheitsbeschränkung an die Erfüllung von Auflagen zu knüpfen.
In beiden Gesetzen ist nun ausdrücklich die Überprüfung einer bereits aufgehobenen Unterbringung bzw. Freiheitsbeschränkung vorgesehen. Weiters werden Anpassungen aufgrund der Reformen des Sachwalterrechts bzw. – im Zusammenhang mit dem UbG – des Außerstreitverfahrens vorgenommen.
Schließlich werden punktuell verfahrensrechtliche Bestimmungen abgeändert; aus Gründen der Rechtseinheit wird dabei so weit wie möglich auf einen Gleichklang zwischen UbG und HeimAufG geachtet.
Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 17. Februar 2010 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Mag. Peter Michael Ikrath die Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Mag. Johann Maier und Herbert Scheibner sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner.
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer und Dr. Johannes Jarolim einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:
„In § 5 Abs. 2 der Regierungsvorlage ist vorgesehen, dass eine Freiheitsbeschränkung grundsätzlich nur dann angeordnet werden darf, wenn ein Arzt – nach wie vor gültig – die psychische Beeinträchtigung des Bewohners und die damit zusammenhängende Gefährdung festgehalten hat. Dies soll nur dann nicht gelten, wenn die – bis zur Abklärung mit einem Arzt – konkret beabsichtigte Freiheitsbeschränkung nicht länger als 48 Stunden andauern soll. Die Bestimmung will dabei in erster Linie pflegerische und betreuerische Maßnahmen im Sinn des § 5 Abs. 1 Z 2 und 3 an Bewohnern, die am Wochenende in der Einrichtung aufgenommen werden, zunächst auch ohne ärztliche Mitwirkung zulassen.
Wenn aber eine Maßnahme – bereits ex ante betrachtet – als über einen längeren Zeitraum hinweg erforderlich erachtet wird, käme die Ausnahmeregelung nicht zum Tragen, müsste also von vornherein ein ärztliches Attest eingeholt werden. Der Begriff „andauern“ wiederum könnte – jedenfalls bei uninformierter Lektüre – den Eindruck entstehen lassen, es müsse sich um eine Maßnahme handeln, die – ununterbrochen angewandt – länger als 48 Stunden vorgenommen werde. So könnte der Standpunkt vertreten werden, dass das ärztliche Attest dann nicht erforderlich ist, wenn eine Maßnahme voraussichtlich wiederholt, aber nie länger als 48 Stunden notwendig sein wird. Um diese Auslegungsergebnisse zu vermeiden, erscheint eine Klarstellung im Gesetzestext sinnvoll.
Daher soll nun ausdrücklich festgehalten werden, dass das ärztliche Dokument immer dann erforderlich ist, wenn „der Bewohner länger als 48 Stunden dauernd oder über diesen Zeitraum hinaus wiederholt in seiner Freiheit beschränkt wird“. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Einzelmaßnahmen zeitlich „addiert“ 48 Stunden überschreiten, sondern ob seit der erstmaligen Vornahme der Freiheitsbeschränkung 48 Stunden vergangen sind. Das bedeutet, dass etwa die nur nächtens von der Pflege für erforderlich gehaltene Fixierung eines am Samstag in der Einrichtung aufgenommenen Bewohners ohne ärztliches Attest längstens bis Montagmorgen zulässig ist. Ist die Maßnahme auch in weiterer Folge – also hier in der Nacht von Montag auf Dienstag oder auch erst später – zu setzen, muss vom Einrichtungsleiter, der gemäß § 7 Abs. 1 unverzüglich von der Freiheitsbeschränkung durch die anordnungsbefugte Person verständigt werden musste, ebenfalls unverzüglich ein ärztliches Dokument im Sinn des § 5 Abs. 2 eingeholt werden. Ist der Bewohner nach Ansicht des Arztes nicht psychisch krank und geistig behindert und/oder ist keine ausreichende Gefährdung gegeben, so muss die anordnungsbefugte Person die Freiheitsbeschränkung sofort aufheben. “
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer und Dr. Johannes Jarolim mit Stimmenmehrheit angenommen.
Ein von den Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Johannes Jarolim und Mag. Albert Steinhauser eingebrachter Entschließungsantrag wurde einstimmig beschlossen. Diesem Antrag war folgende Begründung beigegeben:
„Eine der Zielsetzungen des Unterbringungs- und Heimaufenthaltsgesetzes ist es die sogenannte „Drehtürpsychiatrie“ möglichst zu vermeiden. Eine allzu frühzeitige Beendigung einer Unterbringung, die einen raschen Rückfall und damit eine neuerliche Freiheitsbeschränkung zur Folge hat, soll vermieden werden. Mit der Neuregelung des § 32a UbG soll aber auch sichergestellt werden, dass diese Möglichkeit nur mit Sorgfalt und Augenmaß in tatsächlich notwendigen Fällen angewandt wird.
Um feststellen zu können, ob dieses Ziel durch die vorliegende Novelle erreicht wird, erscheint eine Überprüfung der Anwendung der neuen Regelungen wünschenswert. “
Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle
1. dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;
2. die angeschlossene Entschließung annehmen.
Wien, 2010 02 17
Mag. Peter Michael Ikrath Mag. Heribert Donnerbauer
Berichterstatter Obmann