802 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Finanzausschusses

über die Regierungsvorlage (754 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz geändert werden

Mit dem Gesetzentwurf sollen folgende Instrumente des verbindlichen Gemeinschaftsrechts umgesetzt werden:

–      Richtlinie 2009/111/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2007/64/EG hinsichtlich Zentralorganisa-tionen zugeordneter Banken, bestimmter Eigenmittelbestandteile, Großkredite, Aufsichtsregelungen und Krisenmanagement (ABl. Nr. L 302 vom 17.11.2009, S. 97)

–      Richtlinie 2009/83/EG der Kommission vom 27. Juli 2009 zur Änderung bestimmter Anhänge der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates mit technischen Bestimmungen über das Risikomanagement (ABl. Nr. L 196 vom 28.07.2009, S. 14) und

–      Richtlinie 2009/27/EG der Kommission vom 7. April 2009 zur Änderung bestimmter Anhänge der Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich technischer Vorschriften für das Risikomanagement (ABl. Nr. L 94 vom 08.04.2009, S. 97),

wobei der Großteil der beiden letztgenannten Richtlinien in den einschlägigen Verordnungen der FMA umgesetzt werden soll.

Die Europäische Kommission hat im Oktober 2008 einen Vorschlag zur Novellierung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG („Basel II-Richtlinien“) vorgelegt, um die Stabilität des Finanzsystems zu erhöhen, die Risiken zu verringern und die Beaufsichtigung von EU-weit tätigen Kreditinstituten zu verbessern. Primär zielte das Maßnahmenpaket darauf ab, den in den Stammfassungen der Richtlinien vorgesehenen Überprüfungen von Bestimmungen nachzukommen, um das europäische Bankenaufsichtsrecht weiter zu reformieren. Auf Grund der im Jahr 2008 evident gewordenen Turbulenzen an den Finanzmärkten gestaltete sich dieses unter dem Begriff „CRD II“ bekannte Maßnahmenpaket als eines der ersten in Reaktion auf die Finanzkrise ergehenden Maßnahmenpakete. Einige der Änderungen der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG sind daher als direkte Reaktion auf die Finanzkrise anzusehen. Dem Großteil der Änderungen ist jedoch immanent, dass durch die strengeren Anforderungen an Kreditinstitute und die Aufsichtsbehörden der Finanzmarkt gestärkt werden soll und aufgrund der durch die Krise gewonnenen Erkenntnisse verbesserte Krisenpräventivmaßnahmen implementiert werden sollen. Zahlreiche Änderungen basieren zudem auf Schlussfolgerungen des ECOFIN-Rates sowie auf Empfehlungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS) und der G 20.

Das CRD II-Paket umfasst insgesamt drei Richtlinien zur Änderung der Richtlinie 2006/48/EG (CRD) und der Richtlinie 2006/49/EG (CAD), wobei die wesentlichen Änderungen zur CRD und CAD in der Richtlinie 2009/111/EG enthalten sind. Die zwei im Komitologieverfahren erlassenen Richtlinien der Europäischen Kommission beinhalten lediglich technische Änderungen zu den jeweiligen Annexen der CRD und CAD.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Änderung des Großveranlagungsregimes

Das zum größten Teil aus 1996 stammende Großveranlagungsregime des BWG soll weitreichend überarbeitet werden. Das Ziel ist die Verbesserung des Managements von Großveranlagungen (Großkredite). Das Großveranlagungsregime soll zwar vereinfacht werden, die Großveranlagungsrisiken sollen jedoch stärker begrenzt werden, ohne die ausreichende Liquiditätsbeschaffung der Institute zu gefährden.

Die umfassendsten Änderungen betreffen die Begrenzungen der Großveranlagungen. Das bisherige Limit von 25 % der Eigenmittel bleibt zwar bestehen, jedoch entfällt das Limit von 20 % für Veranlagungen bei Mutter- und Tochterunternehmen des Kreditinstitutes, die nicht der Kreditinstitutsgruppe angehören. Ebenso entfällt das Limit von 800 % für die Gesamtheit aller Großveranlagungen. Um das Bankaufsichtsrecht innerhalb der EU weiter zu harmonisieren, entfallen zahlreiche nationale Wahlrechte im Großveranlagungsregime der Richtlinie 2006/48/EG. Dies führt zu einer Reduzierung von einigen begünstigenden Gewichtungen der Veranlagungen in den maßgeblichen Bestimmungen des BWG. Die verbleibenden Wahlrechte im Großveranlagungsregime sollen jedoch im BWG (weiterhin) umgesetzt werden, um keine Wettbewerbsnachteile für die österreichische Kreditwirtschaft zu schaffen. Darin enthalten sind auch begünstigende Limits für Intra-Gruppen-Veranlagungen. Zur Stärkung des Interbankenmarkts werden für Interbank-Veranlagungen begünstigende Großveranlagungsbegrenzungen vorgesehen, um kleinere Institute mit Eigenmitteln von bis zu 600 Mio. EUR nicht zu benachteiligen. Bei der Feststellung, ob eine Gruppe verbundener Kunden vorliegt und die Forderungen somit ein einziges Risiko darstellen, soll künftig auch berücksichtigt werden, ob Kunden durch eine gemeinsame unmittelbare oder mittelbare Finanzierungsquelle miteinander verbunden sind. Im Bereich der Großveranlagungsmeldungen sollen erweiterte Meldeerfordernisse bei Überschreitungen von Großveranlagungsgrenzen vorgesehen werden.

Ankerkennung von Hybridkapitalinstrumenten

Hybride Kapitalinstrumente vereinigen Eigenschaften von Eigen- und Fremdkapital und spielen beim laufenden Kapitalmanagement der Kreditinstitute eine wichtige Rolle, da sie eine Möglichkeit zur Diversifizierung der Kapitalstruktur von Kreditinstituten darstellen und ein breites Spektrum von Finanzinvestoren erreichen. Auf EU-Ebene wird im Zuge der Richtlinienumsetzung die Definition des hybriden Kapitals harmonisiert. Hybrides Kapital war in Österreich schon bisher auf konsolidierter Ebene anrechenbar und kann daher – mit adaptierten Voraussetzungen, kombiniert mit Anrechnungsbegrenzungen und langen Übergangsfristen – auch auf Einzelinstitutsebene berücksichtigt werden.

Reform der Beaufsichtigung grenzüberschreitend tätiger Kreditinstitutsgruppen und Institutionalisierung von Aufsichtskollegien

Die Aufsicht über grenzübergreifend tätige Kreditinstitutsgruppen soll insofern verbessert werden, indem die Zusammenarbeit der einzelnen nationalen Aufsichtsbehörden, insbesondere durch die Institutionalisierung von Aufsichtskollegien, effizienter gestaltet wird. Die Rolle der für die konsolidierte Aufsicht zuständigen Behörde (sog. Konsolidierende Aufsichtsbehörde) in den Anfängen und während einer Krise war bislang nicht hinreichend geklärt. Ihre Aufgaben und Verantwortlichkeiten sollen daher näher definiert werden. Neben der Planung und Koordinierung von Aufsichtstätigkeiten in Normal- als auch Krisensituationen und der Sicherstellung des Informationsaustausches zwischen den Aufsichtsbehörden soll auch der Tätigkeitsbereich innerhalb des Aufsichtskollegiums erweitert werden. Das Verfahren über gemeinsame Entscheidungen von Aufsichtsbehörden grenzüberschreitender Kreditinstitutsgruppen soll präzisiert werden und auf die Anwendung der Bestimmungen über das interne Verfahren zur Bewertung der Eigenkapitalausstattung (ICAAP), des aufsichtlichen Überprüfungs- und Evaluierungsprozesses (SREP) sowie des Kapitalzuschlags ("capital add-on") erstreckt werden. Der Anwendung dieser Bestimmungen auf gruppenangehörige Institute soll künftig eine von allen beteiligten Aufsichtsbehörden gemeinsam anerkannte Entscheidung vorangehen, die über die Eigenkapitalausstattung der Gruppe, ihrer Risikolage und Finanzlage auf konsolidierter Ebene und teils auch auf Soloebene befindet. Die Regelungen über dieses gemeinsame Entscheidungsverfahren umfassen auch Bestimmungen für den Fall der Uneinigkeit der Behörden im Aufsichtskollegium.

Auch sollen die Rechte von Aufsichtsbehörden über Zweigstellen eines Kreditinstitutes erweitert und gestärkt werden. Die Position der Aufsichtsbehörde im Gastland der Zweigstelle war nach der derzeitigen Regelung relativ schwach, was vor allem dann problematisch sein kann, wenn die Zweigstelle im Gastland systemisch bedeutsam ist. Darüber hinaus soll auch der Informationsfluss zwischen Aufsichtsbehörden, Zentralbanken und Finanzministerien in Krisensituationen verbessert werden.

Zur besseren Erzielung der Konvergenz des europäischen Aufsichtsrechts und der Zusammenarbeit von Aufsichtsbehörden soll bei Anwendung der Aufsichtsbestimmungen durch die Behörden die Übereinstimmung mit den Leitlinien des Ausschusses der europäischen Bankaufsichtsbehörden (CEBS) gefördert werden.

Strengere Anforderungen für Verbriefungen

Um die mit verbrieften Produkten verbundenen Risiken besser zu erfassen, sollen die Vorschriften für Verbriefungen verschärft werden, indem die Emittenten von verbrieften Forderungen verpflichtet werden, nachweislich einen bestimmten Teil des Risikos dieser Wertpapiere zurückzubehalten, während Investoren in solche Wertpapiere ihre Anlageentscheidung erst nach umfassender und sorgfältiger Prüfung („due diligence-Prüfung“) auf Grundlage strenger Sorgfaltsanforderungen treffen dürfen.

Verbesserung des Liquiditätsrisikomanagements

Vor dem Hintergrund der jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten und Marktentwicklungen sollen auch Änderungen zur Verbesserung des Liquiditätsrisikomanagements implementiert werden. In Anpassung an die Arbeiten von CEBS und des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht sollen Kreditinstitute unter Berücksichtigung des Proportionalitätsgrundsatzes über robuste interne Strategien und Verfahren zur Messung, Steuerung und Überwachung von Liquiditätsrisiken und angemessene Liquiditätspuffer verfügen.

Umsetzungstechnik:

Die Bundesregierung unterstützt die europäische Zielsetzung eines möglichst einheitlichen Rechtsrahmens für Kreditinstitute. Im Vordergrund steht dabei auch die erkennbare Rückführbarkeit des Gesetzestextes auf den Richtlinientext. Systematik und Terminologie der Richtlinien wurden so weit übernommen, als sie klar genug sind, um dem verfassungsrechtlichen Legalitätsprinzip zu entsprechen und in die österreichische Rechtsordnung integrierbar sind. Textmängel oder missverständliche Formulierungen in den deutschen Sprachfassungen der Richtlinien wurden adaptiert, um eine klare Rechtslage zu gewährleisten.

Der Gesetzesentwurf folgt zudem dem Bestreben, bereits bewährte Strukturen und Systematiken in den zu novellierenden Bundesgesetzen aufrecht zu halten, wie beispielsweise im Bereich der Großveranlagungsbestimmungen.

Da die Richtlinien 2009/83/EG und 2009/27/EG der Kommission ausschließlich Änderungen der Detailbestimmungen in den technischen Annexen der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG umfassen, die schon bisher in den einschlägigen Verordnungen der FMA umgesetzt waren, sollen aus systematischen Gründen diese Detailbestimmungen in den entsprechenden Verordnungen der FMA umgesetzt werden. Sofern die Änderungsbestimmungen nicht bereits in den bestehenden Verordnungsermächtigungen der FMA Deckung finden, sind vereinzelt Erweiterungen dieser Verordnungsermächtigungen vorzunehmen. Diese sind jedoch eng begrenzt und ausschließlich technischer Natur. Die inhaltliche „Obergrenze“ für die Anpassungen der Verordnungen der FMA wird wie bisher durch das detaillierte EU-Recht festgelegt.

Die Verweise auf Bestimmungen der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG im Besonderen Teil der Erläuterungen verstehen sich, soweit nichts Anderes angegeben ist, in der Fassung der Richtlinie 2009/111/EG.

In-Kraft-Treten:

Ein In-Kraft-Treten der umzusetzenden Bestimmungen zum vorgegebenen Termin ist jedenfalls notwendig, um die von der Richtlinie geforderte Vorgabe hinsichtlich des Zeitpunkts der Anwendung der Bestimmungen einhalten zu können. Darüber hinaus ist es aus Wettbewerbsgründen unerlässlich, den sowohl im Inland als auch grenzüberschreitend tätigen Normadressaten den harmonisierten rechtlichen Rahmen rechtzeitig zur Verfügung zu stellen.

 

Der Finanzausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 29. Juni 2010 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Johann Hechtl der Abgeordnete DDr. Werner Königshofer sowie der Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit angenommen.

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Johann Hechtl gewählt.

 


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (754 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2010 06 29

                                  Johann Hechtl                                                     Dkfm. Dr. Günter Stummvoll

                                    Berichterstatter                                                                            Obmann