862 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP
Bericht
des Gesundheitsausschusses
über den Antrag 520/A(E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Etablierung von Kompetenzzentren mit assoziierten Versorgungsnetzwerken für seltene und chronische Erkrankungen in der Pädiatrie
Die Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 11. März 2009 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Etwa fünf Prozent der Kinder weltweit und somit auch in Österreich leiden unter einer von ca. 6000 „Seltenen Erkrankungen“, die meist chronisch verlaufen. Jede einzelne dieser Erkrankungen betrifft maximal 40 Neugeborene pro Jahr; meist aber sogar noch weniger. Daher ist es nicht verwunderlich, dass meist sowohl im Bereich niedergelassener KinderärztInnen als auch in Krankenanstalten mit Abteilungen für Kinder- und Jugendheilkunde nur wenig bis keine Erfahrung in der Diagnose und Therapie dieser seltenen Erkrankungen besteht. Internationale Beispiele zeigen, dass die besten Therapieerfolge dann erreicht werden, wenn diese Kinder in spezialisierten Therapiezentren betreut werden, die sich internationalen Standards und Qualitätskontrollen unterziehen und wenn auch die Nachbehandlung mit diesem Zentrum vernetzt ist. Anzahl und Standorte der Zentren müssen dazu bedarfsorientiert nach epidemiologischen Gesichtspunkten und bundesländerübergreifend auf der Basis bestehender lokaler Leistungsprofile erfolgen. Es gibt positive österreichische Beispiele wie das St. Anna Kinderspital für krebskranke Kinder in Wien, die Epilepsiechirurgie am AKH-Wien und das Kinderherzzentrum in Linz.
Die Etablierung derartiger Kompetenzzentren für seltene pädiatrische Erkrankungen ist sinnvoll, weil
- derartige Schwerpunkte internationales Wissen mit ausreichender eigener Erfahrung bündeln,
- zahlreichen Kindern mit seltenen Erkrankungen bessere Chancen auf optimale Therapie geboten werden,
- schwierige und komplexe Erkrankungen hier rascher und verlässlicher diagnostiziert werden können,
- diese Zentren auch eine dem neuesten Stand des Wissen verantwortliche Weiterbildung und Aus-bildung der nächsten ÄrztInnengeneration gewährleisten,
- diese Konzentration einen effizienteren Einsatz von Budgets ermöglicht,
- hohe Anhaltekosten für oft wenig ausgelastete Einheiten reduziert werden können.“
Der Gesundheitsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seinen Sitzungen am 08. Mai. 2009 und am 01. Juli 2010 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, die Abgeordneten August Wöginger, Ursula Haubner, Dr. Sabine Oberhauser, Johann Hechtl, Karl Öllinger.
Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit.
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Sabine Oberhauser und Dr. Erwin Rasinger im inhaltlichen Zusammenhang mit dem Antrag 520/A(E) einen Entschließungsantrag gemäß § 27 Abs. 3 des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 betreffend Verbesserung der Versorgung bei seltenen Krankheiten eingebracht, der wie folgt begründet war:
„Seltene Erkrankungen sind chronische, progressive und häufig lebensverkürzende, mit starken Schmerzen einhergehende Krankheiten. Definiert wird eine seltene Erkrankung über die Häufigkeit ihres Auftretens: In der europäischen Union ist eine Erkrankung dann eine seltene Erkrankung, wenn sie – bezogen auf den europäischen Durchschnitt – bei weniger als einer Person auf 2000 Einwohner auftritt. 75% der seltenen Erkrankungen betreffen Kinder. Experten schätzen, dass es in Europa insgesamt 6000-8000 unterschiedliche seltene Erkrankungen gibt.
Aber der Begriff „selten“ ist in gewisser Weise irreführend. Untersuchungen in Europa zeigen, dass mindestens 5% der Gesamtbevölkerung unmittelbar oder mittelbar von den Auswirkungen seltener Erkrankungen betroffen sind.
So unterschiedlich die einzelnen Krankheitsbilder sind, so ähnlich sind doch viele Probleme, mit denen PatientInnen und deren Angehörige, und in weiterer Folge auch MedizinerInnen und TherapeutInnen konfrontiert sind. Die medizinische Grundversorgung ist, aufgrund der mangelnden Kenntnis über seltene Erkrankungen, in nicht-spezialisierten Gesundheitseinrichtungen häufig unzureichend. Viele seltene Erkrankungen verlaufen chronisch und sehr schwer, dementsprechend stellen sie hohe Anforderungen an die Pflege und die pflegenden Angehörigen
Aufgrund ihrer geringen Prävalenz, ihres speziellen Charakters und der hohen Gesamtzahl der Betroffenen erfordern seltene Krankheiten einen globalen Ansatz, der sich auf spezielle und gemeinsame Anstrengungen zur Verhütung erheblicher Morbidität oder vermeidbarer vorzeitiger Mortalität und zur Verbesserung der Lebensqualität und des sozioökonomischen Potenzials der Betroffenen stützt.
Der gemeinschaftliche Mehrwert europäischer Referenznetze ist bei seltenen Krankheiten wegen der Seltenheit dieser Erkrankungen, der dementsprechend begrenzten Anzahl von Patienten und der daher begrenzten Erfahrungswerte innerhalb der einzelnen Länder besonders hoch. Es ist deshalb überaus wichtig, das Fachwissen auf europäischer Ebene zusammenzuführen, um flächendeckend genaue Informationen, frühzeitige richtige Diagnosen und eine qualitativ hochwertige Versorgung der Patienten, die an seltenen Krankheiten leiden, sicherzustellen.
Somit hatte die Europäische Union beginnend mit der EU-Präsidentschaft Frankreichs eine Empfehlung des Rates für Maßnahmen im Bereich seltene Erkrankungen zu erarbeiten. Diese wurden im Juni 2009 erlassen.
Die EU empfiehlt, dass die Mitgliedstaaten Pläne und Strategien auf dem Gebiet der seltenen Krankheiten erarbeiten.
Bereits im Vorfeld beauftragte der Oberste Sanitätsrat eine Subkommission einen Nationalen Aktionsplan für seltene Erkrankungen zu erarbeiten. Die Subkommission hat seit Mai 2009 bereits 6 mal getagt und bereits einen Rahmenplan für einen Nationalen Aktionsplan erstellt. Dieser orientiert sich in der Gestaltung und Ausprägung an den Vorgaben der entsprechenden EU – Entscheidung und wird auf die österreichischen Rahmenbedingungen adaptiert. Im Vordergrund steht die Schaffung einer zentralen Koordinationsstelle sowie die Bildung eines klinischen Versorgungsnetzwerkes.
Hinsichtlich des Versorgungsnetzwerkes sollen Expertise- und Kompetenzzentren, welche durch die EU genau definiert wurden, geschaffen werden, wobei einerseits auf bestehende Einrichtungen zurückzugreifen sein wird, andererseits die Versorgungsstruktur aufgrund der Seltenheit der Erkrankungen in ein gesamteuropäisches Versorgungsnetzwerk für seltene Erkrankungen eingebaut werden muss. Die Kriterien für Expertise- und Kompetenzzentren sind erarbeitet, wobei diesbezüglich auf die EU-Vorgaben, die auch von Italien, Frankreich, Spanien und Portugal angenommen wurden, zurückgegriffen wurde. Die Gestaltung eines Versorgungsnetzwerkes in Österreich im Kontext mit den Nachbarstaaten, aber auch den anderen EU-Mitgliedsstaaten ist noch eine weitere Aufgabe der Subkommission.“
Bei der Abstimmung wurde der Entschließungsantrag Dr. Sabine Oberhauser und Dr. Erwin Rasinger einstimmig angenommen.
Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Johann Hechtl gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.
Wien, 2010 07 01
Johann Hechtl Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein
Berichterstatter Obfrau