925 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Umweltausschusses

über den Antrag 1280/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend sofortige Stilllegung von Isar 1

Die Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 22. September 2010 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Blöcke 1 und 2 des Kernkraftwerks Isar liegen direkt an der Isar, vierzehn Kilometer flussabwärts von Landshut. Dieses AKW ist als „risikoreich“ eingestuft. Im unter Rot-Grün beschlossenen deutschen Atom-Ausstiegsgesetz steht bzw. stand Isar 1 auf der Liste ganz oben: Die Schließung wurde bereits vor langem mit 2011 festgesetzt.

Anfang September 2010 hat die deutsche Regierung nunmehr den zehn Jahre alten rot-grünen Konsens zum Ausstieg aus der Atomenergie gekippt. Die in der Ausstiegsvereinbarung mit den Energiekonzernen im Jahr 2000 zugrunde gelegten Regellaufzeiten von 32 Jahren werden im Schnitt um zwölf auf 44 Jahre verlängert. Dies entspricht einer Ausweitung um mehr als ein Drittel (37,5%).

Die sieben ältesten AKW, darunter befindet sich Isar 1 (Inbetriebnahme 1979), sollen dabei 8 zusätzliche Stromjahre laufen dürfen, seit der Inbetriebnahme also 40 Stromjahre. Das sind in der Regel mehr als 40 Kalenderjahre.

Eine Studie zu den „Risiken alter Kernkraftwerke“ erstellt von Renneberg Consult UG, Wolfgang Renneberg, kommt im Juni 2010 zu folgendem Schluss:

-       Der Begriff „Sicherheit“ beim Betrieb von Atomkraftwerken ist keine absolute Größe, sondern drückt die Bewertung des bestehenden Risikos aus. Wer Kernkraftwerke als „sicher“ bezeichnet, akzeptiert dieses Risiko. Das über die Zeit kumulierte Risiko einer Kernschmelze läge bei einer Laufzeit aller Atomkraftwerke von 60 Jahren in der Größenordnung von etwa einem Prozent.

-       Der Betrieb der Atomkraftwerke über die festgelegte Laufzeit hinaus ist nach Auffassung des Gesetzgebers aus dem Jahr 2002 nicht sicher genug und deshalb nicht weiter verantwortbar. Deshalb hat der deutsche Bundestag im Jahr 2002 die Laufzeiten für Atomkraftwerke gesetzlich begrenzt. Das Risiko eines großen Unfalls, das bei keinem der betriebenen Kernkraftwerke ausgeschlossen werden kann, sollte nur noch für die im Atomgesetz beschlossenen Laufzeiten geduldet werden.

-       Kein Kernkraftwerk in Deutschland entspricht dem Sicherheitsstandard, der spätestens seit 1994 nach dem Stand von Wissenschaft und Technik für neue Anlagen zu Grunde gelegt werden müsste. Im Jahr 1994 wurde von der damaligen CDU/FDP Mehrheit im Bundestag - entsprechend dem damaligen Stand von Wissenschaft und Technik - die Genehmigung neuer Kernkraftwerke von dem Nachweis abhängig gemacht, dass eine Kernschmelze beherrscht wird.

-       Die Sicherheitsnachweise der deutschen Kernkraftwerke sind veraltet. Die Störfallsicherheit ist durch Dokumente belegt, die zum Teil älter als dreißig Jahre sind. Seitdem haben sich sowohl die Prüfungsmaßstäbe einschließlich der Nachweismethoden sowie die Erkenntnisse über die Eigenschaften der Anlagen wesentlich weiterentwickelt. Die Alterung der Sicherheitsnachweise und die Alterung der Dokumentation verstärken die Gefahr, dass bestehende Risiken älterer Anlagen nicht erkannt werden. Die bestehenden alten Genehmigungen spiegeln deshalb ein Sicherheitsniveau wider, das in Wirklichkeit nicht existiert. Das wirkliche Sicherheitsniveau ist in der Regel geringer als das in der Genehmigung bestätigte.

-       Eine Sicherheitsbewertung der deutschen Atomkraftwerke einschließlich einer Überprüfung der alten Sicherheitsnachweise nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik liegt nicht vor.

-       Die deutschen Kernkraftwerke sind aus technischer Sicht unterschiedlich sicher. Der Weiterbetrieb der acht ältesten Anlagen würde das allgemeine Risiko des Betriebs von Atomkraftwerken deutlich überproportional erhöhen.

-       Obwohl die Atomkraftwerke für eine Laufzeit von 30 bis 40 Jahre ausgelegt sein sollten, zeigen sich viele unvorhergesehene vorzeitige Alterungsprozesse. Diese Alterungsprozesse vermindern die Sicherheit, da die ursprünglichen Sicherheitsreserven kleiner werden. Zum Teil können sie - solange sie unentdeckt sind - die Sicherheit der Anlage in Frage stellen. Die ältesten Anlagen sind hiervon besonders betroffen. So haben beispielsweise Neckarwestheim I und Biblis A eine bis zu viermal höhere jährliche Ereignisrate als die neueren Kernkraftwerke Neckarwestheim 2 und Emsland.

-       Direkte Vergleiche von Biblis A und Neckarwestheim I mit den neueren Anlagen Emsland und Neckarwestheim II zeigen deutlich geringere Sicherheitsreserven der Altanlagen sowohl im Normalbetrieb, bei der Reaktion auf Betriebsstörungen sowie bei der Störfallbeherrschung. Gravierende Sicherheitsnachteile zeigen sich darüber hinaus im Fall eines Flugzeugabsturzes. Auch die radiologische Belastung des Personals ist in den alten Anlagen um ein Vielfaches höher. Diese Ergebnisse lassen sich grundsätzlich auf die anderen veralteten Reaktoren wie Biblis B, Unterweser, Brunsbüttel, Krümmel, Philippsburg 1 und Isar 1 übertragen.

-       Nachrüstungen stoßen an Grenzen. Konzeptionelle Sicherheitsnachteile durch das veraltete Sicherheitsdesign der älteren Kernkraftwerke können nur begrenzt ausgeglichen werden. Durch Nachrüstungen werden immer wieder auch neue Fehler verursacht, die dem Ziel, die Fehlerrate zu senken, entgegen wirken. Zum Teil werden dadurch neue Sicherheitsrisiken erst geschaffen. Zu einem bedeutenden Teil wurden bislang Nachrüstungen deshalb erforderlich, um die bereits zum Genehmigungszeitpunkt vorausgesetzte, aber tatsächlich nicht vorhandene Sicherheit nachträglich zu realisieren.“

 

Der Umweltausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 13. Oktober 2010 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek die Abgeordneten Walter Schopf, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Ing. Hermann Schultes, Mag. Rainer Widmann und Dr. Gabriela Moser sowie der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Christiane Brunner.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit.

 

Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Konrad Steindl gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Umweltausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2010 10 13

                                 Konrad Steindl                                                        Mag. Christiane Brunner

                                    Berichterstatter                                                                             Obfrau