975 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über die Regierungsvorlage (901 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Post-Betriebsverfassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

Das Regierungsprogramm 2008-2013 sieht die Modernisierung der Mitbestimmung als Maßnahme zur Schaffung eines modernen und flexiblen Arbeitsrechts vor. Weiters sieht das Regierungsprogramm die Anhebung des Höchstalters für das aktive und passive Wahlrecht zum Jugendvertrauensrat als Maßnahme zur Verbesserung der Jugend- und Lehrlingsbeschäftigung vor.

Dementsprechend beinhaltet der vorliegende Entwurf eine Reihe von Regelungen, die eine Modernisierung der Mitbestimmung zum Ziel haben und dieses noch weiter führende Projekt vorantreiben.

So ist etwa der Funktionsverlust eines untätigen Wahlvorstandes zur Betriebsratswahl im Weg der Abberufung durch die Betriebsversammlung oder die Zulässigkeit von Betriebsratsbeschlüssen auch im Umlaufweg vorgesehen. Dadurch sollen die Einrichtung eines Betriebsrates sowie seine Beschlussfassung erleichtert werden.

Weiters wird ein neuer Tatbestand zum Abschluss einer fakultativen Betriebsvereinbarung vorgesehen, und zwar betreffend die Einführung von leistungsbezogenen Prämien und Entgelten, sofern diese nicht unter die zwingende Mitbestimmung des § 96 ArbVG fallen. Damit sind diesbezügliche Vereinbarungen möglich, die besondere betriebliche Gegebenheiten berücksichtigen können.

Darüber hinaus wird die Fünf-Tage-Frist für die Verständigung des Betriebsrates von der Kündigungsabsicht (betriebsverfassungsrechtliches Vorverfahren) auf eine Woche verlängert. Die Frist zur Anfechtung einer Kündigung durch den Arbeitnehmer wird von einer auf zwei Wochen verlängert. Damit sollen die Chancen einer außergerichtlichen Einigung erhöht und die Zahl gerichtlicher Verfahren verringert werden.

Schließlich werden das wirtschaftliche Informationsrecht des Betriebsrates sowie sein Informationsrecht im Fall von Betriebsänderungen präzisiert. Damit soll der betriebliche Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern gefördert werden.

Die Stärkung des Jugendvertrauensrates als dem wichtigsten Organ der Jugendvertretung erfolgt durch die Anhebung des Wahlalters für das aktive Wahlrecht vom 18. auf das 21. Lebensjahr, sofern es sich bei den jugendlichen Arbeitnehmern auf Lehrlinge handelt. Das Wahlalter für das passive Wahlrecht zum Jugendvertrauensrat wird generell vom 21. auf das 23. Lebensjahr angehoben. Weiters wird das Recht des Jugendvertrauensrates zur Teilnahme an den Sitzungen des Betriebsrates durch eine entsprechende Verpflichtung des Betriebsrates, den Jugendvertrauensrat zu diesen Sitzungen einzuladen, effektuiert.

Die Richtlinie 2009/38/EG über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrates oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen ist am 16. Mai 2009 im Amtsblatt L 122 erschienen, am 5. Juni 2009 in Kraft getreten und bis spätestens 5. Juni 2011 umzusetzen.

Inhalt der Richtlinie 2009/38/EG ist die Neufassung der Richtlinie 94/45/EG. Durch letztere Richtlinie wurde ein Recht der Arbeitnehmer auf Unterrichtung und Anhörung in grenzüberschreitend tätigen Unternehmen und Unternehmensgruppen für den Fall geschaffen, dass Entscheidungen, die sich auf sie auswirken, außerhalb des Staates getroffen werden, in dem sie beschäftigt sind.

Die durch die Richtlinie 2009/38/EG vorgenommenen inhaltlichen Änderungen und Präzisierungen zielen auf eine Modernisierung der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsvorschriften im Bereich der länderübergreifenden Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer ab und bezwecken die Sicherstellung der Wirksamkeit der Rechte auf länderübergreifende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer, die Erhöhung der Zahl der Europäischen Betriebsräte sowie die Ermöglichung der Fortdauer geltender Vereinbarungen und die Lösung der bei der praktischen Anwendung der Richtlinie 94/45/EG festgestellten Probleme. Insbesondere sollen die sich aus den bisherigen Bestimmungen oder aus dem Fehlen von Bestimmungen ergebenden Rechtsunsicherheiten beseitigt werden.

Der vorliegende Entwurf vollzieht die Änderungen der Richtlinie durch die entsprechenden Änderungen bzw. Ergänzungen im V. Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes (Europäische Betriebsverfassung) nach. Im Einzelnen handelt es sich dabei insbesondere um die Definition von Unterrichtung und Anhörung im Sinne der Europäischen Betriebsverfassung sowie die Klarstellung, dass sich die Zuständigkeit des Europäischen Betriebsrates und der Geltungsbereich des Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung auf länderübergreifende Angelegenheiten beschränken.

Weiters wird die Informationspflicht der örtlichen Unternehmensleitungen sowie der zentralen Leitung durch die Aufzählung der für die Aufnahme von Verhandlungen notwendigen Informationen präzisiert.

Eine Änderung erfährt die Regelung der Zusammensetzung des besonderen Verhandlungsgremiums sowie auch des Europäischen Betriebsrates kraft Gesetzes. Eine Neuerung stellt die Möglichkeit der Entsendung österreichischer Arbeitnehmervertreter in das besondere Verhandlungsgremium durch die zuständige gesetzliche Vertretung der Arbeitnehmer für den Fall dar, dass in Österreich kein Betriebsrat errichtet ist; mit dieser Regelung wird eine bisher bestehende Lücke geschlossen.

Eine Neuerung stellt auch das Recht des besonderen Verhandlungsgremiums sowie des Europäischen Betriebsrates kraft Gesetzes dar, vor jeder Sitzung mit der zentralen Leitung zu einer vorbereitenden Sitzung zusammenzutreten. Präzisierungen werden betreffend der Sachverständigen, von denen sich das besondere Verhandlungsgremium unterstützen lassen kann, der Kostentragung sowie der Befugnisse des Europäischen Betriebsrates kraft Gesetzes und der aus seiner Mitte zu wählenden engeren Ausschusses getroffen.

Weiters ist eine neue Bestimmung vorgesehen, mit der Regelungen über die Verhandlungen zur Einsetzung eines Europäischen Betriebsrates oder zur Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer im Fall wesentlicher Änderungen der Struktur des Unternehmens oder der Unternehmensgruppe getroffen werden.

Für die österreichischen Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums sowie des Europäischen Betriebsrates wird ein neuer Anspruch auf Bildungsfreistellung geschaffen, wobei sich deren Ausmaß sich nach den für die Wahrnehmung der Vertretungsaufgaben im internationalen Umfeld erforderlichen Bildungs- und Schulungsmaßnahmen bestimmt.

Außerdem vorgesehen ist eine Bestimmung zur Absicherung der bis zum Inkrafttretensdatum abgeschlossenen Vereinbarungen über eine länderübergreifende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer.

Die Verwaltungsstrafbestimmungen für Verstöße gegen die aus der Europäischen Betriebsverfassung folgenden Pflichten wurden dem Gebot der Richtlinie entsprechend verschärft.

Die Änderungen des Post-Betriebsverfassungsgesetzes (Artikel 2 des Entwurfes) vollziehen die Änderungen des Arbeitsverfassungsgesetzes hinsichtlich der Modernisierung der Mitbestimmung sowie der Stärkung des Jugendvertrauensrates nach.

Im Landarbeitsgesetz (Artikel 3 des Entwurfes) werden die Änderungen des Arbeitsverfassungsgesetzes, die die Modernisierung der Mitbestimmung zum Ziel haben, entsprechend nachvollzogen.

Finanzielle Auswirkungen:

Die Verlängerung der Frist zur Anfechtung einer Kündigung durch den Arbeitnehmer von einer auf zwei Wochen erhöht die Chancen einer außergerichtlichen Einigung im Fall einer Kündigung. Es ist somit mit einer Verringerung der Zahl der Kündigungsanfechtungen und einer Entlastung der Gerichte zu rechnen.

Die Änderungen im Bereich der Europäischen Betriebsverfassung lassen keine Mehrbelastung der Gerichte durch entsprechende Prozessführungen erwarten. Die bisherigen Erfahrungen mit der Europäischen Betriebsverfassung haben gezeigt, dass Konflikte – ebenso wie im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung ‑ zum Großteil auf dem Verhandlungsweg und nur selten vor den Gerichten ausgetragen werden.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Österreich nach dem Gemeinschaftsrecht zur Umsetzung der Richtlinie verpflichtet ist.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Regelung gründet sich auf Artikel 10 Abs. 1 Z 11 („Arbeitsrecht“) und Artikel 12 Abs. 1 Z 6 („Arbeiterrecht sowie Arbeiter- und Angestelltenschutz, soweit es sich um land- und forstwirtschaftliche Arbeiter und Angestellte handelt“) B-VG.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 9. November 2010 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Franz Riepl die Abgeordneten Dietmar Keck, Mag. Birgit Schatz, Ursula Haubner, Herbert Kickl, Johann Hechtl und Karl Öllinger sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (901 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2010 11 09

                                     Franz Riepl                                                                     Renate Csörgits

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau