VORBLATT

 

Legislativverfahren:

Vorschlag für eine VO des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit

 

 

1.   Inhalt und Ziel der Vorlage

 

Die globale Wirtschafts- und Finanzkrise hat Lücken und Schwächen der bestehenden wirtschaftspolitischen Steuerung und Überwachung der Wirtschafts- und Währungsunion offen gelegt. In diesem Bewusstsein hat der Europäische Rat im März 2010 eine Task Force zur Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung eingesetzt.

 

Der vorliegende Vorschlag ist Teil eines von der EK am 29. September 2010 vorgestellten, aus sechs Rechtstexten bestehenden Gesamtpakets zur Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung:

 

1)    eine VO zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken

2)    eine VO zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit

3)    eine neue VO über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euroraum

4)    eine neue RL des Rates über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten

5)    eine neue VO über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte

6)    eine neue VO über Durchsetzungsmaßnahmen zur Korrektur übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte im Euroraum

 

Im Vorfeld hatte die EK ihre inhaltlichen Vorstellungen in zwei Mitteilungen zur Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung angekündigt: „Verstärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung“ (12. Mai 2010) und „Stärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung für Stabilität, Wachstum und Beschäftigung – Instrumente für bessere wirtschaftspolitische Steuerung der EU“ (30. Juni 2010).

 

Der Europäische Rat hat am 17. Juni 2010 insbesondere folgende Orientierungen vereinbart:

1)    Stärkung sowohl der präventiven als auch der korrektiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts – mit Sanktionen im Zusammenhang mit dem Konsolidierungspfad in Richtung auf das mittelfristige Ziel unter Berücksichtigung der besonderen Lage der MS des Euro-Währungsgebiets

2)    im Rahmen der haushaltspolitischen Überwachung sehr viel stärkere Beachtung der Schuldenstände und ihrer Entwicklung sowie der globalen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen

3)    ab 2011 Übermittlung der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme für die nachfolgenden

4)    Jahre an die Kommission im Frühjahr im Rahmen eines "europäischen Semesters", und zwar unter Berücksichtigung der nationalen Haushaltsverfahren

5)    Gewährleistung, dass alle Mitgliedstaaten über im Einklang mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt stehende nationale Haushaltsvorschriften und mittelfristige Haushaltsrahmen verfügen

6)    Sicherstellung der Qualität der statistischen Daten, die für eine solide Haushaltspolitik und haushaltspolitische Überwachung von wesentlicher Bedeutung ist

 

Der Europäische Rat hat am 28./29. Oktober den Abschlussbericht der im März 2010 eingesetzten Task Force zur Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung gebilligt.

 

·         Geltende Rechtslage

 

Die VO (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 bildet den korrektiven Arm des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Ziel ist die Vermeidung grober Fehlentwicklungen in der Haushaltspolitik, welche die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen einzelner MS und allenfalls die gesamte Wirtschafts- und Währungsunion gefährden könnten. MS sind daher verpflichtet, übermäßige Defizite zu vermeiden. Als Schwellenwerte wurde ein Wert von 3% des BIP für das Haushaltsdefizit bzw. von 60% des BIP (bzw. eine hinreichende Annäherung daran) für die Schuldenquote festgelegt. Bei Überschreiten der Schwellenwerte wird ein Verfahren bei einem übermäßigen Defizit eröffnet, das eine Reihe von Schritten vorsieht, die für MS des Euro-Währungsgebiets letztendlich auch zur Verhängung finanzieller Sanktionen führen können.

 

·         Vorschlag der EK - allgemein

 

Das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (ÜD-Verfahren) wurde seit seinem Bestehen regelmäßig angewendet und auch während der Finanzkrise nicht ausgesetzt. Trotzdem besteht allgemeines Bewusstsein über zutage getretene Schwächen.

 

Der VO-Vorschlag zur Änderung der VO 1467/97 sieht eine Reform des korrektiven Arms des Stabilitäts- und Wachstumspakts vor, insbesondere:

 

Rechtsgrundlage ist Art. 126 Abs. 14 Unterabs. 2 AEUV (Titel VIII Wirtschafts- und Währungspolitik: Art. 119-144), das in der Rechtsgrundlage vorgesehene, besondere Gesetzgebungsverfahren ist das Anhörungsverfahren.

 

·         Vorschlag der EK im Detail

 

Von zentraler Bedeutung ist die Einführung einer Zahlenregel zwecks Operationalisierung des Schuldenkriteriums: Bei einer Schuldenquote von mehr als 60 % kann von einer raschen Annäherung an den Referenzwert ausgegangen werden, wenn sich der Abstand zum Referenzwert (d. h. 60 % des BIP) in den letzten drei Jahren jährlich in der Größenordnung von einem Zwanzigstel verringert hat.

 

Die Nichteinhaltung dieses numerischen Richtwerts führt nicht zwangsläufig zur Einleitung eines Defizitverfahrens gegen das betreffende Land, da bei dieser Entscheidung alle einschlägigen Faktoren zu berücksichtigen sind, die insbesondere für die Bewertung der Schuldenentwicklung relevant sind. So soll beispielsweise ermittelt werden, ob der Schuldenabbau durch ein besonders niedriges Nominalwachstum im Zusammenspiel mit bestimmten Risikofaktoren, die sich aus der Schuldenstruktur, der Verschuldung des Privatsektors oder den Verbindlichkeiten aufgrund der Bevölkerungsalterung ergeben, erschwert wird.

In Ländern, deren Schuldenstand unterhalb der 60 %-Schwelle liegt, soll bei Nichteinhaltung des Defizitkriteriums den einschlägigen Faktoren mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.

 

2.   Stand des Verfahrens auf europäischer Ebene

 

29. 09. 2010  EK        VO-Vorschlag                                       KOM (2010) 522 endg.

26. 10. 2010  EP        Erste Aussprache (ECON)

 

Der Europäische Rat hat in seinen Schlussfolgerungen am 28./29. Oktober 2010 zu einem beschleunigten Vorgehen beim Erlass der Vorschriften aufgerufen. Ziel ist eine Einigung über die Gesetzgebungsvorschläge zwischen Rat und dem Europäischen Parlament bis zum Sommer 2011. Bis März 2011 soll ein gemeinsamer Standpunkt des Rates herbeigeführt werden, anschließend ein Trilog stattfinden.

 

Am 18. November 2010 wurde eine ad-hoc Arbeitsgruppe „Economic governance“ eingesetzt, die auf Basis der Beschlüsse der Task Force und der EK-Legislativvorschläge vom 29. September 2010 Vorarbeiten für einen gemeinsamen Standpunkt des Rates im Legislativverfahren leisten soll.

 

3.   Position von EP und Rat

 

·         Position des EP

 

Es liegt noch keine Stellungnahme vor.

 

·         Position des Rates – Politische Einigung über einen gemeinsamen Standpunkt

 

Die Erarbeitung eines gemeinsamen Standpunkts ist im Gange.

 

·         Österreichische Position

 

Ö unterstützt die Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sowohl im präventiven als auch im korrektiven Arm. Besonderes Augenmerk muss bei der vorliegenden Fassung auf die Kohärenz mit dem Abschlussbericht der ER-Task Force zur Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung gelegt werden. Da für MS des Euro-Währungsgebiets auch Durchsetzungsmaßnahmen („Sanktionen“) geplant sind, ist die Frage der Verfahrensschritte und der Auslösung von Sanktionen im Detail zu klären.

Ö unterstützt die von der EK vorgeschlagene Zahlenregel zur hinreichend raschen Rückführung der Schuldenquoten an den 60%-Schwellenwert, legt aber großen Wert auf eine Übergangsregelung, da derzeit der überwiegende Teil der MS sich in einem ÜD-Verfahren befindet.

 

 

4.   Auswirkungen auf die österreichische Gesetzeslage

 

Im engeren Sinn ergeben sich aus dem VO-Vorschlag keine Auswirkungen auf die österreichische Gesetzeslage. In einer Gesamtbetrachtung der sechs von der EK vorgelegten Legislativvorschläge gilt analog zu den Ausführungen zu TOP 7 (siehe entsprechendes Vorblatt):

Im Sinne des Bundesverfassungsgesetzes, welches die Grundlage für den Österreichischen Stabilitätspakt bildet (BGBl. I 1998/61) werden die  budgetrelevanten gemeinschaftsrechtlichen Legislativmaßnahmen soweit wie möglich im Österreichischen Stabilitätspakt umzusetzen sein (z.B. durch verstärkte Bedeutung der Schuldenstände für die Haushaltsführung der Gebietskörperschaften).

 

5.   Finanzielle Auswirkungen

 

Die Ausdehnung der Bestimmungen des korrektiven Arms des Stabilitäts- und Wachstumspakts kann bei nachhaltiger Nichtbeachtung zu Sanktionszahlungen führen.

 

6.    Subsidiaritätsprüfung

 

Im Sinne der von Österreich mitgetragenen Beschlüsse des Europäischen Rates ist eine Verstärkung der haushaltsrelevanten Gemeinschaftsvorschriften unabdingbar. Deren innerstaatliche Umsetzung bedarf einer effizienten Koordinierung zwischen den Gebietskörperschaften; diese soll im Wesentlichen im Wege des Österreichischen Stabilitätspaktes bewirkt werden. Die Beschlussfassungen über die Budgets der einzelnen Gebietskörperschaften verbleiben in deren Kompetenz.

 

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