Parlament Österreich

 

 

 

IV-8 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

 

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Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

Mittwoch, 16. Juni 2010

 


Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXIV. Gesetzgebungsperiode               Mittwoch, 16. Juni 2010

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

9533/10 CO EUR

Europäischer Rat (Tagung am 17. Juni 2010) - Entwurf einer erläuterten Tagesordnung

(30845/EU XXIV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beim kommenden europäischen Rat am 17. Juni 2010 soll die Europäische Strategie für Beschäftigung und Wachstum "Europa 2020" angenommen werden. Dementsprechend war diese auch zentrales Thema im EU-Hauptausschuss vom 16. Juni 2010, wobei abermals die Fragen einer stärkeren Regulierung der Finanzmärkte, einer Bankenabgabe und Finanztransaktionssteuer aufgegriffen wurden.

 

Was die Initiative von Frankreich und Deutschland in Hinblick auf eine Wirtschaftsregierung betrifft, so stellte Bundeskanzler Werner Faymann klar, dass darunter eine engere Kooperation in Richtung von mehr Transparenz, eines Frühwarnsystems und einer eingehenderen Diskussion zu verstehen sei. Keinesfalls würden nationale Kompetenzen abgegeben, auch eine Vertragsänderung sei nicht geplant.

 

Kritisch bewertete der Bundeskanzler die bisherigen Maßnahmen der EU zur Regulierung der Finanzmärkte. Er unterstütze alles, was die Kommission vorbereitet hat, man lasse sich jedoch viel zu viel Zeit, Schritte zu setzen, sagte er. Er würde auch bei der Bankenabgabe und Transaktionssteuer eine EU-weite Lösung vorziehen, hält aber ein gemeinsames Vorgehen innerhalb der Eurozone ebenfalls für sinnvoll. Faymann bekräftigte einmal mehr, dass seiner Ansicht nach auch nationale Alleingänge zielführend seien. Jedenfalls habe man in den letzten Monaten immer mehr Länder für derartige Schritte gewinnen können, dennoch seien weiterhin einige EU-Staaten strikt dagegen. Mit der Bankenabgabe sollen die Institute zunächst zur Budgetkonsolidierung beitragen, erläuterte der Kanzler, mittel- und langfristig sei aber ein Regelwerk anzustreben, das sicherstellt, dass die Banken für die Risiken, die sie eingehen, auch gerade stehen. Jedenfalls sollten sämtlich Maßnahmen eine antispekulative Wirkung haben. Notwendig seien auch leistbare Kredite für die Wirtschaft, fügte Faymann hinzu.

 

 

 

In der Minderheit blieb ein Antrag der FPÖ auf Stellungnahme sowie vier Anträge des BZÖ auf Ausschussfeststellung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

"Europa 2020"

 

 

Die Strategie "Europa 2020" soll einen Anstoß zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität geben, ohne dabei dem sozialen Zusammenhalt zu gefährden. Zur Verwirklichung dieser Zielsetzung wurden fünf sogenannte Kernziele formuliert: Verminderung der Armut; eine Beschäftigungsquote von 75 % unter der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter; die Einhaltung der klima- und energiepolitischen Zielvorgaben der EU, wie Verringerung der Treibhausgasemissionen; Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch und Verbesserung der Energieeffizienz; die Senkung der Schulabbrecherquote und Erhöhung des Anteils der Bevölkerung mit Hochschulabschluss; Investition von 3 % des BIP der EU in Forschung und Innovation. Diese Kernziele sollen von den Mitgliedstaaten in eigene nationale Ziele umgesetzt werden.

 

Bundeskanzler Werner Faymann wies in diesem Zusammenhang auf die Herausforderung hin, einerseits die Budgets zu konsolidieren, andererseits konjunkturfördernde Maßnahmen zu setzen, um Arbeitsplätze zu schaffen und Armut zu bekämpfen. Abgeordnete Christine Muttonen (S) begrüßte die Aufnahme von Beschäftigung und Bekämpfung der Armut in die Strategie und merkte an, zur Bewertung der Wirtschaftspolitik der einzelnen Länder dürften nicht nur ökonomische Maßstäbe gelten. Positiv hob sie die Tatsache hervor, dass auch die Gleichstellungspolitik Eingang in die Strategie gefunden hat. Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) forderte regelmäßige Berichte der Länder, um kontrollieren zu können, ob diese bei der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut auch auf dem Weg sind, die Ziele zu erreichen.

 

Kritische Töne zur derzeitigen EU-Politik kamen in der Diskussion von Klubobmann Josef Cap (S). Er knüpfte an die Aussagen des Bundeskanzlers an und meinte, man habe den Eindruck, in der EU werde so weiter gemacht wie vor der Krise. Er vermisste vor allem ein geschlossenes Auftreten gegen die Macht der Finanzmärkte und forderte eine soziale und ökologische Marktwirtschaft auf EU-Ebene ein. Wenn Europa eine Zukunft haben wolle, dann brauche es auch in Krisenzeiten soziale und ökologische Komponenten, stellte er fest, die Budgetkonsolidierung dürfe sich nicht einem Diktat der Zahlenstatistik unterwerfen. Dem pflichtete Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) bei und erwähnte mit skeptischem Unterton Estland, das zwar die Eurokriterien erfüllt, jedoch zum Preis einer hohen Arbeitslosenrate. Es sei notwendig, dass die soziale Dimension Europas wächst, sagte er.

 

Beunruhigt zeigte sich Abgeordneter Cap (S) auch über das Vorgehen von Frankreich und Deutschland in puncto Wirtschaftsregierung. Es müsse ein Mix werden zwischen Funktionsfähigkeit auf europäischer Ebene und ausreichenden nationalen Spielräumen, betonte er. Cap plädierte allgemein dafür, endlich darüber zu diskutieren, wo die Grenzen Europas sind. Sollten wir so weiter machen, bemerkte er, dann werde Europa zu einer Freihandelszone.

 

Auch Abgeordneter Martin Bartenstein (V) ortete ein zu hohes Maß an Alleingängen von Deutschland und Frankreich. Seiner Ansicht nach müsse man alles dafür tun, um die nationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Kleinere und mittlere Staaten sollten sich deshalb koordinieren und eigene Initiativen setzen, denn es komme im Endeffekt darauf an, was unter einer Wirtschaftsregierung verstanden wird. Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) vermutete hinter dem Vorstoß Merkels und Sarkozys ein Misstrauen gegenüber der Kommission beziehungsweise gegenüber dem ECOFIN. Der grüne Europasprecher schloss sich auch der Kritik jener an, denen im Bereich der Finanzmarktregulierung zu wenig weiter geht. In den Schlussfolgerungen sei kaum etwas von der Position des Europäischen Rats zu diesem Thema zu lesen, bemängelte er und erinnerte an das Kommissionspapier zum Bankenrettungsfonds, das interessante Vorschläge enthalte und an sich einen Liquidierungsfonds für Banken vorsehe.

 

Gänzlich ablehnend zur Strategie 2020 äußerte sich Abgeordneter Johannes Hübner (F). Er brachte daher einen Antrag auf Stellungnahme ein, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die Strategie nicht anzunehmen und mit den Repräsentanten der EU-Mitgliedsstaaten einerseits über Rationalisierungen von Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderungen zu verhandeln, andererseits Strategien für eine Hartwährungszone zu entwickeln. Der Antrag wurde schließlich von SPÖ, ÖVP und Grünen abgelehnt.

 

Abgeordneter Hübner (F) argumentierte, die Ziele der Strategie seien zwar unstrittig, die Eurozone stelle aber nicht die Lösung des Problems dar, sondern sie sei ein Teil des Problems. Das Budgetverhalten einiger Länder führe zu einem massiven Vertrauensverlust und damit zu einem Abbremsen der Konjunktur. Hübner regte auch an, darüber nachzudenken, ob der Geldlauf von den nationalen Bruttobeträgen und der Rückfluss davon in die EU-Staaten über EU-Projekte tatsächlich sinnvoll ist, da diese Vorgehenseise einen unverhältnismäßig hohen bürokratischen Aufwand verursache.

 

Ebenso reihten sich die Wortmeldungen des Abgeordneten Robert Lugar (B) in die skeptischen Äußerungen zur Finanz- und Wirtschaftspolitik der EU ein. Die wenigsten Staaten hielten sich an die Stabilitätskriterien, der Rat habe bereits 2006 darüber Kenntnis gehabt, dass Griechenland falsche Zahlen liefert, habe aber daraus keine Konsequenzen gezogen, hielt er fest. Der Euro werde ohne gemeinsame Budget- und Wirtschaftspolitik keinen Erfolg haben, meinte er. Die Aussagen zur Regelung der Finanzmärkte seien bislang nur Lippenbekenntnisse geblieben, man mache so weiter wie vor der Krise, die Eigenkapitalausstattung der Banken sei minimal und die Praxis der Kreditvergabe habe sich ebenfalls nicht geändert. Europa müsse auch gegenüber Indien und China bewusster auftreten, um Produktpiraterie und Industriespionage entgegen zu wirken.

 

Lugar brachte vier Anträge des BZÖ auf Ausschussfeststellung ein, in denen er Bezug auf den Kommissionsbericht "Projekt Europa 2030 – Herausforderungen und Chancen" nimmt. In einem Antrag kritisiert das BZÖ die Passage des Berichts, wonach die EU einen proaktiven Ansatz in der Frage der Zuwanderung entwickeln müsse, und dies als ein nützlicher Beitrag für die Zukunft der Union bezeichnet wird. Die weiteren Anträge wenden sich gegen einen generellen Freibrief für unverantwortliches finanz- und budgetpolitisches Vorgehen von Mitgliedsstaaten, gegen ein Aufweichen der Kriterien für zukünftige Erweiterungen der Union und gegen eine indirekte Zustimmung zur Kernenergie. Auch diese Anträge erhielten nicht die erforderliche Mehrheit. Lugar begründete seine Anträge damit, dass man negativen Entwicklungen rechtzeitig entgegentreten und Positionen formulieren müsse, auch wenn es sich bei diesem Bericht nur um ein Diskussionspapier handelt.

 

 

 

 

 

EU-Erweiterung, Donauraumstrategie

 

 

Angesprochen von Zweitem Nationalratspräsidenten Fritz Neugebauer und Abgeordnetem Wolfgang Großruck (beide V) auf die zukünftigen Erweiterungsschritte, erklärte Außenminister Michael Spindelegger, man werde im Fall von Island im Herbst mit dem Screening-Prozess beginnen und die Beitrittsverhandlungen würden voraussichtlich nächstes Jahr gestartet. Mit Kroatien könnten nach dem Referendum in Slowenien die letzten Kapitel eröffnet werden. Einen Abschluss der Beitrittsverhandlungen erwartet Spindelegger für nächstes Jahr. Den Staaten des West-Balkans werde man auch weiterhin eine europäische Perspektive eröffnen, man gehe aber bei jedem Land gesondert vor, fuhr er fort. Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei befänden sich derzeit im Stocken, sagte er gegenüber Abgeordnetem Alexander Van der Bellen (G), der befürchtet hatte, dass sich das Land am Bosporus anders orientieren werde, wenn sich Europa abwendet.

 

In einem guten Stadium befinde sich die Donauraum-Strategie, bemerkte Außenminister Spindelegger auf die Wortmeldung von Zweitem Nationalratspräsident Fritz Neugebauer. Die Vorlage für die Kommission werde Ende des Jahres fertiggestellt und mit einem entsprechenden Beschluss sei nächstes Jahr zu rechnen, berichtete er.

 

 

 

 

Europäische Bürgerinitiative

 

 

Auf die Frage der Abgeordneten Christine Muttonen (S), wann denn nun die europäische Bürgerinitiative starten könne, antwortete Spindelegger, damit sei nicht vor 2012 zu rechnen. Die Verordnung werde erst Ende dieses Jahres vorliegen, dann müsste diese von den EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt werden.

 

 

 

 

 

Sanktionen gegen den Iran, Konfliktherd Naher Osten

 

 

Im EU-Hauptausschuss wurden auch außenpolitische Themen behandelt. Bundesminister Michael Spindelegger nahm zu den Sanktionen gegen den Iran Stellung und erläuterte, im Außenministerrat gehe es nun um die Konkretisierung der UN-Beschlüsse, wobei von den Sanktionen vor allem der Transportsektor, das Bankensystem und der Technologietransfer betroffen sein sollen. Österreich setze sich dafür ein, dass die Sanktionen das Regime und die Revolutionsgarden treffen, nicht aber die Bevölkerung. Er unterstrich insbesondere die Zustimmung von China, Russland und anderen Ländern zu den Sanktionen im Hinblick auf die Kritik des Abgeordneten Johannes Hübner (F) an den Sanktionen. Hübner hatte gemeint, die EU lasse sich von den USA diktieren und berücksichtige nicht die Initiativen von Brasilien und Türkei im Atomstreit. Die ehemalige Außenministerin und nunmehrige Abgeordnete Ursula Plassnik (V) warf ein, eine Erklärung brauche mehr als Sanktionsmaßnahmen. Sie müsse Elemente wie Menschenrechte und Demokratieentwicklung enthalten und auf eine Verbesserung des Informationsflusses abzielen. Damit würde man auch ein Signal an die iranische Bevölkerung richten, meinte sie.

 

Der Außenminister ging auch auf die Lage in Gaza ein und bezeichnete das Vorgehen Israels unverhältnismäßig. Die Bemühungen der EU gingen nun dahin, die Blockade von Gaza aufzuheben und über kontrollierte Grenzübergänge die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Was den Atomstreit betrifft, so wies der Außenminister auf die Evaluierungskonferenz hin, bei der das Ziel einer atomfreien Welt festgeschrieben wurde und damit auch Atomwaffen im Nahen Osten abgelehnt werden. Das sei ein klares Signal an Israel, stellte Spindelegger fest.

 

 

 

 

Entwicklungszusammenarbeit

 

 

Die Abgeordneten Alexander Van der Bellen (G) und Petra Bayr (S) bedauerten auch die Reduzierung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit (EZA). Damit würden die Millenniums-Entwicklungsziele, bis 2015 0,7 Prozent des BIP für EZA vorzusehen, nicht erreicht werden. Van der Bellen meinte sogar, Österreich verhalte sich bei der Entwicklungszusammenarbeit wie ein Trittbrettfahrer.

 

Der Außenminister räumte ein, die Situation sei nicht erfreulich und das angestrebte Ziel vor dem Hintergrund des vom Parlament beschlossenen Budgetrahmens unrealistisch. Er werde aber einen Evaluierungsprozess in Gang setzen, um in den nächsten Jahren die Mittel effizienter einsetzen zu können.

 

 

 

 

Thema Klimastrategie

 

 

Schließlich gab es auch noch eine kurze Diskussion zu den Klimazielen. Abgeordnete Christiane Brunner (G) urgierte mehr Tempo in der Klimapolitik und in Sachen Energieeffizienz. Sie bezweifelte, dass Österreich die geplanten Ziele erreichen werde und kritisierte, dass man nun nicht mehr eine Reduktion der Treibhausgase von 30 Prozent anstrebt. Wenn eine zielorientierte Klimapolitik auch mehr Mittel erfordere, so sei sie auf die Dauer budgetschonend, argumentierte Brunner.

 

Abgeordnete Petra Bayr (S) machte in diesem Zusammenhang auf die Probleme der armen Länder aufmerksam. Diese würden unter dem Klimawandel enorm leiden, ohne dass sie diesen verursacht haben, bemerkte sie. Deshalb sei es notwendig, diesen Staaten Hilfestellung zu leisten.

 

Bundeskanzler Werner Faymann wies auf die Schwierigkeiten hin, in diesen Fragen eine globale Übereinkunft zu erzielen, indem er an das Scheitern von Kopenhagen erinnerte. Viele Länder seien der Meinung, solange sie keine vergleichbaren sozialen Standards haben, könnten sie sich nicht zu Zielen verpflichten, die zu einem Nachteil im wirtschaftlichen Wettbewerb führen. Weitaus sinnvoller sei es, sagte Faymann, sich in kleinen Gruppen zusammenzuschließen und gemeinsam Ziele zu formulieren. Was die Reduktion der Treibhaus-Emissionen betrifft, so müsse man auch auf die kleinen und mittleren Betriebe Rücksicht nehmen, bemerkte er gegenüber Abgeordneter Brunner (G).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der FPÖ auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP und Grünen mehrheitlich abgelehnt:

 

 

 

Antrag auf Stellungnahme

(gemäß Art. 23e B-VG)

 

 

des Abgeordneten Dr. Hübner und weiterer Abgeordneter

 

betreffend Ablehnung der „Strategie Europa 2020“

 

 

Nach dürftigen Ergebnissen der so genannten „Lissabon-Strategie“, mit der die EU bis 2010 zum dynamischsten und wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt werden sollte, hat die EU ihre Pläne überarbeitet. Statt Lissabon-Strategie heißt es nun „Europa 2020“ bzw. „EU2020“. Die bisherige Strategie konnte nicht verhindern, dass die EU in ihrem Wachstum zu den Schlusslichtern der Welt gehört. Bleibt abzuwarten, wann der neue Papiertiger in den Schubladen der EU-Bürokratie verschwinden wird.

 

Bei der letzten Strategie feierte man die „offene Methode der Koordinierung“, sie schien allerdings so offen zu sein, dass kaum Koordinierung stattfand. Kommunikationsmängel, kaum Einbindung der Bundesländer und Regionen sowie keine verpflichtenden Zielvorgaben sollen schuld daran sein, dass das Kalkül nicht aufgegangen ist. Was nun anders sein soll, ist rätselhaft. Der reformierte wirtschaftliche „Schlachtplan“ setzt auf Freiwilligkeit, bei der Nachzügler an den Pranger gestellt werden. 

 

Änderungen durch den Lissabon-Vertrag ermöglichen der EU-Kommission, Verwarnungen auszusprechen. Kommissionspräsident Barroso hat angekündigt, dass er dieses Instrument „voll ausnutzen“ wird. De facto kann er jedoch wenig machen, wenn die EU-Staaten nicht mitspielen.

 

Deshalb gab es wohl im Vorfeld die Diskussion über eine mögliche Einbeziehung der Kohäsionspolitik. Barroso wollte strukturschwachen Regionen die Finanzhilfen entziehen, wenn die Mitgliedstaaten „notwendige Reformen“ verweigern. In der Praxis wären also Regionen und Bürger, die ja so gut wie keine Mitspracherechte haben, für Versäumnisse des Staates abgestraft worden. Und wie sich der „Reformdrang“ auswirkt, konnte Europa in der bisherigen Privatisierungs- und Liberalisierungswelle erleben.

 

Mit Europa 2020 soll eine „nachhaltige, inklusive soziale Marktwirtschaft“ ermöglicht werden. Dabei wurden drei Prioritäten gesetzt:

·         intelligentes Wachstum, d.h. Entwicklung einer auf Wissen und Innovation gründenden Wirtschaft,

·         nachhaltiges Wachstum, d.h. Förderung einer emissionsarmen, ressourcenschonenden und wettbewerbsfähigen Wirtschaft und

·         integratives Wachstum, d.h. Förderung einer Wirtschaft mit hohem Beschäftigungsniveau sowie sozialem und territorialem Zusammenhalt

 

Allein die Fokussierung auf die „green economy“ wird nicht reichen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandorts Europa zu sichern. Dazu braucht es nämlich nebst funktionierender Energieversorgung und Infrastruktur gut ausgebildete Fachkräfte und nicht eine Einwanderungswelle von Wirtschaftsflüchtlingen, die als Billigarbeiter die Märkte überschwemmen. Und wenn eine Flexibilisierung der nationalen Arbeitsmärkte gefordert wird, dann darf das nicht dazu führen, dass die Übergangsfristen für die neuen Mitgliedsstaaten über die Hintertür ausgehebelt werden. Gerade in Krisenzeiten, in denen immer mehr Menschen arbeitslos sind oder in Teilzeit- und Ein-Euro-Jobs ihr Dasein fristen, darf die EU dem bestehenden Verdrängungswettbewerb am Arbeitsmarkt nicht neuen Vorschub leisten. Vielmehr muss die EU zu einem Bollwerk gegen die Globalisierung nach US-amerikanischem Vorbild werden.

 

Wenn die EU-2020-Strategie Erfolg haben soll, müssen die Mitglieder ihre öffentlichen Finanzen unter Kontrolle bekommen, lautet der neueste Tenor. Und die Wunschliste scheint lang: die 2020-Strategie der EU müsse Hand in Hand gehen mit einer Sanierung der nationalen Budgets, der Strukturreformen im Bereich Pension, Gesundheitsleistungen, sozialer Sicherheit und dem Ausbildungssystem. Die Rede ist auch davon, dass bestehende Schwachstellen im europäischen Binnenmarkt eruiert werden sollen und die Dienstleistungsrichtlinie lückenlos umgesetzt wird.

 

Insgesamt wird mehr oder weniger offen eine europäische Wirtschaftsregierung gefordert und festgehalten, dass Entwicklungen in einem Land Auswirkungen auf ein anderes haben können. Nun mag es im Falle Griechenlands einleuchtend klingen, wenn die Kommission ein Land verwarnt, dessen Wirtschafts- und Finanzpolitik für die ganze EU gefährlich wird. Spätestens bei Floskeln, wie die „Notwendigkeit, die Nachfrage in der EU auszugleichen“, sollten jedoch die Alarmglocken läuten. Wenn wirtschaftlich erfolgreiche Länder, wie beispielswiese die Exportnation Deutschland, die von der Nachfrage anderer Länder profitiert, leise kritisiert werden, spätestens dann sollte jedem klar sein, wohin die Reise geht. Da steht einmal mehr unter dem Deckmantel der „Solidarität“ ein Abbau nationaler Kompetenzen und Rechte im Raum.

 

Diskutiert wurde auch ein Sachverständigenrat aus fünf Experten und einem Stab zur Bewertung der Ziele. Dieser Beirat würde wohl reine Augenauswischerei bleiben, weil absehbar ist, dass die anvisierten Ziele einmal mehr in der Schublade verschwinden werden.

 

Auch wenn mittlerweile ein paar konkrete Zielvorgaben genannt wurden, bleibt deren Erfolg zweifelhaft. Die Mitgliedstaaten sind einfach zu unterschiedlich, als dass sie alle in einen Topf geworfen werden können. Die mittel- und europäischen EU-Länder haben eine andere Wirtschafts- und Finanzethik als die südeuropäischen. Und was passiert, wenn man diese Unterschiede bewusst negiert, sieht man an der gegenwärtigen Euro-Krise, die maßgebend durch Griechenland verursacht wurde. Ergo darf die Strategie Europa 2020 nicht zu einer Aushöhlung nationalstaatlicher Restsouveränität durch die Hintertüre führen, für die Wirtschafts- und Finanzpolitik müssen vorrangig die Mitgliedstaaten zuständig bleiben.

 

Wenn künftig jeder Mitgliedstaat von Brüssel detaillierte wirtschaftspolitische Empfehlungen erhalten soll, dann ist das der falsche Weg. Denn die einzelnen Mitgliedstaaten können besser als die Brüsseler Bürokraten entscheiden, welche Maßnahmen zu ergreifen sind. Anstatt den Zentralismus weiter auszubauen, sollte es endlich zu Renationalisierungen kommen, etwa im Bereich des Förderwesens.

 

Sinnvoll kann nur eine europäische Wirtschaftsstrategie sein, die realistische Zielvorgaben beinhaltet. An einigen Stellen jedoch bewegt sich das Strategiepapier gefährlich nahe an planwirtschaftlichen Ansätzen.

 

Bereits die Lissabon-2010-Strategie erlitt grandios Schiffbruch, womit sich die Frage stellt, warum die EU mit Zehnjahresplänen erfolgreich sein soll, wo doch schon die Sowjetunion mit ihren Fünfjahresplänen gescheitert ist.

 

 

 

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Artikel 23e B-VG

 

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, auf europäischer Ebene – insbesondere auf dem Europäischen Rat am 17. und 18. Juni 2010 – die neue europäische Strategie für Beschäftigung und Wachstum „Europa 2020“ nicht anzunehmen, und gemeinsam mit den Repräsentanten der EU-Mitgliedsstaaten zum einen über Renationalisierungen von Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderungen zu verhandeln, zum anderen Strategien für eine Hartwährungszone zu entwickeln.“

 

 

 

Wien, am 16. Juni 2010

 

 

           

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist nicht durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der Angelegenheiten betrifft, die durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wäre

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgende vier Anträge des BZÖ auf Ausschussfeststellung wurden von SPÖ, ÖVP und Grünen mehrheitlich abgelehnt:

 

 

 

 

 

 

Antrag auf Ausschussfeststellung

 

 

 

der Abgeordneten Hagen, Ing. Lugar

und Kollegen

 

 

eingebracht im Zuge der Verhandlungen des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union in der Sitzung am 16. Juni 2010

 

 

 

Der Ausschuss wolle beschließen:

 

„Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union geht davon aus, dass sich der Bundeskanzler bzw. der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten beim Europäischen Rat am 17. Juni 2010 vehement und mit Nachdruck dagegen aussprechen werden, dass in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates der Bericht über das „Projekt Europa 2030 – Herausforderungen und Chancen“, insbesondere vor dem Hintergrund der gegenwärtig hohen Arbeitslosigkeit in Österreich und der EU sowie der Tatsache, dass dort festgehalten wird, dass die EU einen proaktiven Ansatz in der Frage der Zuwanderung entwickeln müsse, als ein nützlicher Beitrag für die Arbeiten der Europäischen Union in der Zukunft bezeichnet wird.

 

 

 

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union beschließt, diese Ausschussfeststellung gem. § 39 GOG als Kommuniqué zu veröffentlichen und der auszugsweisen Darstellung beizufügen.“

 

 

 

 

Wien, am 16. Juni 2010

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Antrag auf Ausschussfeststellung

 

 

 

der Abgeordneten Hagen, Ing. Lugar

und Kollegen

 

 

eingebracht im Zuge der Verhandlungen des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union in der Sitzung am 16. Juni 2010

 

betreffend Verhinderung eines Aufweichens der Kriterien für künftige Beitritte zur Europäischen Union

 

 

 

Der Ausschuss wolle beschließen:

 

„Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union geht davon aus, dass sich der Bundeskanzler bzw. der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten beim Europäischen Rat am 17. Juni 2010 vehement und mit Nachdruck dagegen aussprechen werden, dass in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates der Bericht über das „Projekt Europa 2030 – Herausforderungen und Chancen“, insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass dort in Zusammenhang mit künftigen Beitritten zur Europäischen Union festgehalten wird, dass die „wahren Grenzen Europas“ die Kriterien für die Mitgliedschaft darstellen und dass der Bericht jeden Hinweis auf die Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union als Voraussetzung für weitere Beitritte sowie im Falle der Türkei auf die mit offenem Ausgang geführten Verhandlungen vermissen lässt, als ein nützlicher Beitrag für die Arbeiten der Europäischen Union in der Zukunft bezeichnet wird.

 

 

 

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union beschließt, diese Ausschussfeststellung gem. § 39 GOG als Kommuniqué zu veröffentlichen und der auszugsweisen Darstellung beizufügen.“

 

 

 

 

Wien, am 16. Juni 2010

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Antrag auf Ausschussfeststellung

 

 

 

der Abgeordneten Ing. Lugar, Hagen

und Kollegen

 

 

eingebracht im Zuge der Verhandlungen des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union in der Sitzung am 16. Juni 2010

 

betreffend Verhinderung eines generellen „Freibriefs“ für unverantwortliches finanz- und budgetpolitisches Vorgehen von Mitgliedstaaten

 

 

Der Ausschuss wolle beschließen:

 

 

„Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union geht davon aus, dass sich der Bundeskanzler bzw. der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten beim Europäischen Rat am 17. Juni 2010 vehement und mit Nachdruck dagegen aussprechen werden, dass in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates der Bericht über das „Projekt Europa 2030 – Herausforderungen und Chancen,“ als ein nützlicher Beitrag für die Arbeiten der Europäischen Union in der Zukunft bezeichnet wird, wenn es dort unter anderem heißt:

„Diejenigen Mitgliedstaaten, die wegen kostspieliger Rettungsmaßnahmen, steigender Sozialausgaben und rückläufiger Einnahmen keine weiteren Ausgaben tragen können, müssen sich darauf verlassen können, dass es die EU und die anderen Mitgliedstaaten übernehmen werden, die Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Aufschwung zu schaffen.“

 

 

 

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union beschließt, diese Ausschussfeststellung gem. § 39 GOG als Kommuniqué zu veröffentlichen und der auszugsweisen Darstellung beizufügen.“

 

 

 

 

Wien, am 16. Juni 2010

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Antrag auf Ausschussfeststellung

 

 

 

der Abgeordneten Ing. Lugar, Hagen

und Kollegen

 

 

eingebracht im Zuge der Verhandlungen des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union in der Sitzung am 16. Juni 2010

 

betreffend Verhinderung der Abkehr Österreichs von seiner Antiatompolitik durch indirekte Zustimmung zur Pro-Kernenergiepolitik der Europäischen Union beim Europäischen Rat am 17. Juni 2010

 

 

 

Der Ausschuss wolle beschließen:

 

„Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union geht davon aus, dass sich der Bundeskanzler bzw. der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten beim Europäischen Rat am 17. Juni 2010 vehement und mit Nachdruck dagegen aussprechen werden, dass in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates der Bericht über das „Projekt Europa 2030 – Herausforderungen und Chancen,“ als ein nützlicher Beitrag für die Arbeiten der Europäischen Union in der Zukunft bezeichnet wird, wenn es dort unter anderem heißt:

„Die Suche nach einem tragfähigeren Energiemix muss auch die Nutzung der Kernenergie einschließen. Europa kann es sich nicht leisten, auf diese wichtige Energiequelle zu verzichten, aber damit Investitionen in Kernenergie freigesetzt werden, bedarf es größerer Rechtssicherheit sowie der Weiterentwicklung der Sicherheitsstandards.“

 

 

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union beschließt, diese Ausschussfeststellung gem. § 39 GOG als Kommuniqué zu veröffentlichen und der auszugsweisen Darstellung beizufügen.“

 

 

 

 

Wien, am 16. Juni 2010