10013/J XXIV. GP

Eingelangt am 30.11.2011
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Johann Maier

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Kriminalfall „Christine Kysucky“

 

Am 11.11.2011 erschien in der „Presse“ nachstehender Artikel von Johann Skocek – der mehr als nur einem Kriminalfall darstellt. Daher wird der gesamte Artikel als Begründung verwendet.

 

„Wie man sich über Wasser hält“

Aus welchen dunklen Quellen werden Teile des österreichischen Schwimmsports finanziert?

Der Kriminalfall Kysucky: eine Geschichte nach wahren Begebenheiten.

Am 5. Juli 2001 läuft eine alte Frau hilferufend aus ihrem Haus in Klosterneuburg. Ihr Haar ist verdreckt, die Kleider hängen in Fetzen vom ausgetrockneten Körper. Die Rettung bringt die alte Dame, Christine Kysucky mit Namen, ins Krankenhaus. Dort wird sie gewaschen und aufgepäppelt. Langsam erfängt sie sich. Verwandte? Irgendwo muss es eine Nichte geben. Die wird tatsächlich gefunden. Wegen Familienstreitereien hatte sie viele Jahre nichts von der Tante gehört.

 

Die Nichte eilt zur Tante und verschafft sich einen Überblick über die Lage. Das Hausstarrt vor Schmutz, schimmeliges Geschirr und vor Jahren abgelaufene Lebensmittel türmen sich in der Küche. Sauber sind nur die Stellen an den Wänden, wo früher Gemälde hingen. Schmuck, Pelze, Teppiche, antike Möbel, fast alle Wertgegenstände sind verschwunden. Das Haus ist das Letzte, was der alten Dame noch gehört. Glaubt die Nichte. Als Revisionsassistentin in einer Steuerberatungskanzlei hat sie ein feines Gespür für Gemeinheiten entwickelt. Als sie erfährt, dass die Tante ihre Villa hergeschenkt haben soll, geht sie der Sache nach.

Jan Kysucky war Legationsrat der in London sitzenden tschechoslowakischen Exilregierung. Nach dem Krieg kehrte er nicht in die Tschechoslowakei zurück, sondern ließ sich in Wien nieder und eröffnete eine Anwaltskanzlei. 1952 zog er zu Christine, seiner zukünftigen Frau, 1955 heirateten sie. 1968 bauten sie sich in Klosterneuburg ein Haus. Kysucky spezialisierte sich auf die Restitution jüdischen Vermögens, das die Nazis geraubt hatten. Er soll ein cholerischer, wahrheitsliebender Mann gewesen sein, streng mit Klienten und gnadenlos mit den Räubern.

 

Als einer der Ersten brachte Kysucky Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Herausgabe geraubter Werte ein. Er pflegte seine Verfahren zu gewinnen. 1978 starb er und hinterließ seiner Witwe ein Vermögen.

Der alten Dame, die 23 Jahre später vor ihrem Haus um Hilfe bettelte. – Der lebenslange Kampf gegen die Gier hatte Kysucky reich gemacht. Den größten Teil des Geldes verwaltete er über eine Mariahilfer Volksbank-Filiale in der Nähe seiner Kanzlei. Mit der Zeit freundete er sich mit dem Filialleiter Horst Z. an. Er lud ihn in sein Haus ein und machte ihn mit seiner Frau bekannt. Nach Kysuckys Tod beriet Horst Z. die Witwe bei der Veranlagung des Geldes, und als ihre Kräfte nachließen, half er ihr auch bei der Organisation ihres Lebens, erledigte die Amtswege und brachte ihr zu essen.


Die Nichte erstattete Anzeige,
weil sie vermutete, dass die Tante um ihr Geld gebracht worden war. Der Fall kam auf den Schreibtisch des Polizeihofrats Max Edelbacher. Seit 1976 hatte er das Wiener Sicherheitsbüro geleitet, eine von Kaiser Franz Joseph 1858 gegründete Zentralstelle der Kriminalpolizei. Der gelernte Jurist Edelbacher hatte sich auf Betrugsdelikte spezialisiert. 2001 schleppte er einen schweren Rucksack mit sich herum: das SPÖ-Parteibuch. Denn Anfang 2000 war ein Günstling des niederösterreichischen Landeshauptmanns Erwin Pröll, Ernst Strasser, Innenminister geworden.

 

Der VP-Parteisoldat Strasser war fest entschlossen, die SP-Hochburg Polizei zu stürmen. Was er Verwaltungsreform nannte, nämlich die Verschmelzung von Gendarmerie (VP) und Polizei (SP), war die Unterwerfung der vereinigten Exekutive unter das Kommando der ÖVP. Polizei-Profis wie Edelbacher sprachen von „Gendarmeriesierung“ und beklagten einen dramatischen Effizienzverlust der Ermittlungsarbeit. Und das in der Zeit, als mit dem Schengen-Abkommen Europas Grenzen praktisch abgeschafft wurden. Die in der Provinz rekrutierten Gendarmeriegeneräle kannten weder die Großstadtkriminalität noch die internationale Szene. (Strassers Methoden wurden Jahre später von Peter Pilzdurch die E-Mails des Innenministers enthüllt, hier konnte man lesen, wie die Machtgier eines Parteisoldaten im Alltag funktioniert.) – Max Edelbacher mochte nichtkommentarlos zuschauen. „Management by Chaos“ warf er dem Minister vor. Strasser entfernte Edelbacher aus dem Sicherheitsbüro und verschob ihn an die Peripherie des Polizeiapparats.

 

Als er die Reform durchzog, ließ Strasser das Sicherheitsbüro zusperren. Knapp davor hatte Edelbacher mit der Arbeit am Fall Kysucky begonnen. In seinem Buch „Polizei inside: Was läuft falsch?“ (Amalthea Verlag, 2008), das er nach dem Ausscheiden aus dem Polizeidienst veröffentlichte, skizzierte Edelbacher seine „letzte große Amtshandlung im Sicherheitsbüro“.

„Wie sich aufgrund der Recherchen der aufmerksam gewordenen Nichte herausstellte, waren der Grund der Verwahrlosung kriminelle Handlungen“, schreibt Edelbacher im Kapitel „Die Betreuung der alten Dame: Die vornehmen Brüder“. Die Höhe des Schadens betrug rund vier Millionen Euro, schreibt Edelbacher. Die Obsorge des Filialleiters und seiner Verwandtschaft für Christine Kysucky in der Zeit vor deren Flucht aus dem eigenen Haus fasst Edelbacher so zusammen: „Sie haben ihr ein paar Wurstsemmeln hineingehaut und die Bilder und den Schmuck aus dem Haus getragen.“

 

Horst Z. gab sich bei den ersten Kontakten mit der Nichte als Mann, dem das Wohlergehen der alten, gebrechlichen Dame am Herzen lag. Während eines Gesprächs im Haus „warf Horst Z. einen traurigen Blick auf die wertvolle, antike französische Kaminuhr und bemerkte, dass er ein Andenken an die alte Dame mitnehmen wolle – offenbar hatte er die Uhr nicht rechtzeitig beiseiteschaffen können“ (zitiert nach Edelbacher). Wie seine Fürsorge mit der Verwahrlosung der Frau und des Hauses in Einklang zu bringen sei, vermochte er zwar nicht zu erklären. Aber er willigte ein, das ihm von Christine Kysucky „geschenkte“ Haus zurückzugeben.

 

Wer freilich einem Grundsatz folgt, der lässt sich nicht so leicht beirren. Die Prinzipientreue des alten Bankbeamten zeigte sich anhand einer notariellen Vereinbarung, die er mit der Nichte über die Rückgabe von rund zwei Millionen Euro schloss. Schmuck und Bilder brachte er tatsächlich, um 100.000 Euro, wie er sagte. Doch die von der Tante als Alleinerbin eingesetzte Nichte ließ die Sachen schätzen, um eine Bemessungsgrundlage für die Erbschaftssteuer zu haben. Die von Horst Z. zurückgegebenen Sachen waren nicht 100.000, sondern 18.000 Euro wert. Den Rest auf die zwei Millionen blieb er schuldig.

Die Polizei suchte nach dem verschwundenen Geld der alten Dame. Beispielsweise waren rund zwei Millionen Euro von Konten einer deutschen Bank veruntreut worden. Im Haus der Tochter von Horst Z. fanden die Beamten in einer Stromverteilerdose unter dem Putz 250.000 Euro. Der Fantasie der Gier ist keine Grenze gesetzt.

 

Am 4. April 2002 sagte Horst Z. aus: „Es könnte sein, dass ich bei der ABV-Bausparkasse auf Anregung der Frau Kysucky Unterschriften der Familie Selecky gefälscht habe.“ Die Seleckys sind Verwandte der Kysuckys. Am 16. Mai 2002 wiederholte Z., nach den Unterschriften auf der Kündigung von Lebensversicherungen gefragt, seine Aussage: „Die Unterschrift von Kysucky stammt nicht von mir, sondern tatsächlich von Kysucky, die anderen habe ich gefälscht.“

 

In einem Gutachten für das Sicherheitsbüro wird festgestellt, Z. habe bei der vorzeitigen Kündigung einer Versicherungspolizze Christine Kysuckys Unterschrift gefälscht.

 

Bei der Einvernahme am 26. April 2002 durch Max Edelbacher sagte der Untersuchungshäftling Horst Z. aus, er habe seinem Anwalt „eine genaue Aufstellung“ der von Christine Kysucky genommenen oder erhaltenen Gelder übergeben. „Der Gesamtbetrag dieser Gelder beträgt 48,5 Millionen Schilling(rund vier Millionen Euro) seit 1995. Teilweise habe ich es der K. zurückgegeben, teilweise wurde es auch von K. verbraucht.“ (Protokoll liegt dem Autor vor.) Rund drei Wochen zuvor hatte er eingeräumt: „Ich muss aber zugeben, dass etwa 20 Millionen, vielleicht auch nur 15 Millionen von mir für mich und meine Familie verwendet wurden. Ich habe dieses Geld im Einvernehmen mit Frau K. an mich genommen.“ Christine Kysucky war, als sie wieder im Besitz ihrer körperlichen und geistigen Kräfte war, anderer Meinung. Sie sei von „den Brüdern Z. belogen, bestohlen und betrogen worden“. Damit konfrontiert, erwiderte Horst Z., er sei sich „einer strafbaren Handlung nicht bewusst“ (Protokoll des Verhörs liegt dem Autor vor).

 

Für seine Verantwortung vor der Kriminalpolizei fertigte Horst Z. auch eine Liste von Ausgaben an, die er für und im Auftrag seines Schützlings getätigt habe. Wenn man die Liste durchgeht, wird einem bewusst, wie teuer die Betreuung alter Menschen sein kann. So finden sich hier Zigaretten (1988 bis 2001: 237.250 Schilling), Fahrtspesen (908.600 Schilling), Aufwand und Betreuung (1999 bis 2002: drei Millionen Schilling) und Schenkungen an den Wohltäter und dessen Sohn und Tochter (1999 bis 2002: 9,075.000 Schilling). In ihrer Gutgläubigkeit oder Schwäche gewährte die alte Dame dem Leiter der Filiale in den 1980ern Zutritt zu ihrem Banksafe. Er sollte ihr auf der Bank liegendes Geld (insgesamt rund fünf Millionen Euro) nach Rücksprache mit ihr veranlagen. Der Safe 143 wurde am 21. Dezember 1994 geschlossen, als Letzter besuchte ihn Horst Z.

Trotz der Geständnisse wurden große Teile des Falles bis zum heutigen Tag vor Gericht nicht aufgearbeitet. Max Edelbacher nennt in seinem Buch einen der Gründe: „Horst Z. flüchtete sich in eine Krankheit.“ Horst Z. ließ sich für gerichtliche Angelegenheiten besachwalten. Am 7. September2007 erfolgte der entsprechende Beschluss des Bezirksgerichts Döbling, einen Rechtsanwalt „gemäß §268 ABGB zum Sachwalter“ zu bestellen. Und zwar zur „Vertretung vor Gerichten, Behörden, Ämtern und Sozialversicherungsträgern“. Denn Horst Z. ist nach Meinung des Gerichts „nicht in der Lage, die im Spruch genannten Angelegenheiten ohne die Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen“.

 

Ausgenommen sind „Rechtsgeschäfte in geringfügigen Angelegenheiten des täglichen Lebens“. Außerdem werden „die finanziellen Angelegenheiten von der Gattin der betreffenden Person geregelt“, es sei daher „in diesem Bereich die Bestellung eines Sachwalters nicht erforderlich“. Vom Kostenersatz für den Urteilsspruch wurde Horst Z. übrigens befreit, da er „ein geringes Einkommen in Höhe des Existenzminimums“ habe und das Gericht „den notwendigen Unterhalt“ nicht gefährden wollte.

 

Wer den Wiener Schwimmsport kennt, wird überrascht sein, dass Horst Z. (75) nicht für sich selber zu sprechen vermag. Für andere und fern des Gerichts kann er das nämlich tadellos. Während er untersucht wurde und sich seine Unfähigkeit herausstellte, die Belastungen der Gerichtsverfahren selbstverantwortlich zu erdulden, führte er als Präsident den erfolgreichsten Schwimmverein Österreichs, den SC Austria. Das Schwimmen und Horst Z. verbindet eine lebenslange Liebe. 1973 gründete er den SC Austria, weil er mit seinem Verein nicht mehr einverstanden war. Als er sich nach einem Trainer für den neuen Klub umsah, kam ihm der Zufall zu Hilfe. Der Zagreber Basketballer und Schwimmtrainer Željko Jukic hatte sich ebenfalls mit seinem Verein zerstritten und war geneigt, den Gefahren der Kriege auf dem Balkan samt Kindern zu entfliehen. Wie der Zufall so spielt, verfügte Horst Z. über die notwendigen Mittel, um Ende der 1990er eine Übersiedlung von Zeljko, Mirna und Dinko Jukic von Zagreb nach Wien zu finanzieren. Z. stellte der Familie eine Wohnung zur Verfügung und bot dem Vater eine Stellung an, von der die Jukics leben konnten.

Der Kriminalpolizist Edelbacher nahm bei der Aufarbeitung des Kriminalfalls Kysucky auch die Konten des SC Austria unter die Lupe. Würden sich Zuflüsse aus dem Vermögen der geschädigten alten Dame nachweisen lassen? Auf dem Volksbank-Konto des Schwimmklubs gingen 2001 887.308 Schilling(64.483 Euro) ein.


Am 31. Dezember 2001 wurde exakt dieselbe Summe als Ausgang gebucht. Edelbacher notierte sich auf einem Kontoblatt dazu einige Fragen: „Von welchem Konto erfolgte die Abhebung von 887.308 Schilling? Horst Z. ist darüber zu befragen.“ Zusätzlich sei zu klären, wie und woher Z. „die Kosten für die Wohnung des Schwimmtrainers“ bezahlte. Edelbachers Notiz: „Miete, Strom, Telefon etc. werden vom Girokonto des Horst Z. abgebucht!“

Auf derselben (dem Autor vorliegenden) Unterlage werden die „Einlagen ungeklärter Herkunft im VB-Konto“ des SC Austria aufgelistet. Sie ergeben von 1995 bis 2001 mehr als drei Millionen Schilling (rund 218.000 Euro). Da weder Sponsoreneinnahmen noch Mitgliedsbeiträge diese Ausgaben deckten, konnte Horst Z. sie nur aus eigener Tasche oder sozusagen fremd finanziert haben. Der Verdacht Edelbachers: Christine Kysucky sei als unfreiwillige Mäzenin des SC Austria in Anspruch genommen worden.

 

Tatsächlich gab Horst Z. im Verhör an, dass er Kysucky-Gelder für den Schwimmverein verwendet habe. Auf einem Aktenvermerk vom 10. Juni 2002 stellt Edelbacher fest, dass von den 800.000 Schilling (rund 58.000 Euro) auf dem SC-Austria-Konto laut den im Verhör gemachten Angaben des Untersuchungshäftlings Z. „etwa ein Drittel aus K.s Geld“ stammten. Die Jukics konnten natürlich nicht wissen, woher Wohltäter Horst Z. das Geld hatte, um den SC Austria über Wasser zu halten. Mittlerweile hat Mirna Jukic ihre Karriere beendet, Vater Zeljko ist der starke Mann im Verein, und Sohn Dinko beendete das 200-Meter-Delfin-Finale der WM in Schanghai auf dem siebten Platz.– Anfang Oktober2010 telefonierte Horst Z. mit dem Verfasser. In dem Gespräch kommentierte er, unbelastet von Gedächtnislücken, die kurz zurückliegenden Neuwahlen zum Präsidium des Wiener Schwimmverbandes. Mirna Jukic, die prominenteste Schwimmerin des SC Austria und Österreichs, war zur Vizepräsidentin des Wiener Verbandes gewählt worden. Zu diesem Zeitpunkt galt sie offiziell noch als aktive Sportlerin, obwohl sie kaum mehr ernsthaftes Training praktizierte. Horst Z. gab sich sehr zufrieden damit, dass seine Athletin in eine hohe Funktion des Verbandes gewählt worden war.

 

Er beklagte das Ungemach, dass ihm, seinem Verein und vor allem seinem Cheftrainer, Mirnas Vater, vom (mittlerweile abgewählten) Präsidium des Wiener Schwimmverbandes zugefügt worden sei.

 

Der SC Austria war nämlich rund ein Jahr zuvor aus dem Wiener Verband ausgeschlossen worden. Die Streitereien waren nicht zuletzt wegen der Umgangsformen von Zeljko Jukic entstanden, der sich stets und von jedermann verfolgt fühlt. Jukic und der SC Austria haben mittlerweile vom Gericht ihre Verbandszugehörigkeit amtlich bestätigen lassen. Horst Z.: „Der Wiener Verband kann den SC Austria nicht ausschließen, er ist nicht so autoritär, wie er glaubt.“ Dann forderte er, dass „einige andere Funktionäre“ im Wiener Verband sich verabschieden müssten, bevor Mirna Jukic die Wahl zur Vizepräsidentin annehme. Ganz auf der kompromisslosen Linie seines Cheftrainers Zeljko Jukic. Horst Z. hatte bei der Verbandssitzung, in der Mirna Jukic gewählt wurde, seinen Verein vertreten. Als er die aufgeladene Atmosphäre schilderte, hoben sich seine Stimme und Stimmung. –Schon 2008 hatte ich Z. in einem Zeitungsinterview auf Christine Kysucky angesprochen. Horst Z. 2008: „Ich habe mich 25 Jahre lang um die Frau gekümmert und alles rechtmäßig geschenkt bekommen.“ Bloß habe die Nichte von Christine Kysucky ihn vor Gericht gezerrt. Auf weitere Fragen zum Thema antwortete Z. nicht mehr und brach das Gespräch ab. Für Horst Z. und alle anderen im Artikel Genannten gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.

 

In dem erwähnten Interview Anfang Oktober 2010 fragte ich Horst Z. noch einmal nach dem Verfahren. Die Sache sei „in der Zielgeraden“, antwortete Z., „Österreich ist ein Staat, der lang braucht, bis etwas erledigt wird, auch die Gerichte sozusagen“. Zu Dinko Jukics – vergeblichem – Engagement für die Wiener ÖVP im Landtagswahlkampf nahm Horst Z. ebenfalls Stellung: „Dinko ist ein gscheiter Bursch.“ In seinem Verein ist Horst Z. mittlerweile nur mehr Ehrenpräsident. Die operative Führung hat Cheftrainer Jukic übernommen. Der hat das volle Vertrauen von Horst Z.: „Zeljko ist ein tüchtiger Mann, ich hab ihm den Verein übergeben.“

 

Im Café Schwarzenberg habe ich noch 2008 den alten Jukic und seinen Sohn Dinko ebenfalls zu der Geschichte befragt. Dinko reagierte ein wenig uncool und wollte wissen, ob ich ein Arzt sei. Und wenn nicht, wie ich mir denn ein Urteil darüber anmaßen könnte, ob Horst Z. zu Recht vor Gericht unter Sachwalterschaft gestellt worden sei oder nicht. Ich verneinte korrekterweise, ein Mediziner zu sein, und wies darauf hin, nicht geurteilt, sondern die Dinge (im erwähnten Zeitungsartikel) geschildert zu haben. Und setzte hinzu, dass wohl auch er, Dinko Jukic, über keine nennenswerte medizinische Ausbildung verfüge.

Vater und Sohn wiesen – zweifellos korrekterweise – darauf hin, keine Ahnung gehabt zu haben, woher Vereinspräsident Horst Z. die Kohle für sein Hobby, den Schwimmverein, herhatte. Und im Übrigen, versicherte Zeljko Jukic wortreich, neide die überwiegende Mehrheit der österreichischen Schwimmfunktionäre der Familie Jukic die Erfolge.

Christine Kysucky starb am 13. August2003, nach langer, schwerer Krankheit, wie man so sagt. Sie war 86 Jahre alt und hatte am Ende ihres Lebens noch zwei schöne Jahre mit der Nichte verbracht, dem einzigen ihr verbliebenen Familienmitglied.

Max Edelbacher wurde von Innenminister Ernst Strasser von seinem Posten entfernt. Die Aufarbeitung des Falles kam ohne den erfahrenen Beamten ins Stocken. In Zivilverfahren ringt die Nichte bis heute um die Rückgabe von Vermögensteilen. Der mit dem Fall vertraute Staatsanwalt Hans Leiningen-Westerburg ist in Pension. Seit der Reform der Strafprozessordnung müssen die ohnedies überlasteten Staatsanwälte noch mehr Arbeit bewältigen. Sie und nicht die Richter müssen nun entscheiden, ob ein Verfahren eingestellt wird oder nicht. Ob diese Kompetenzverschiebung sinnvoll ist? Für die Aufarbeitung des Falles der alten Dame erwies sie sich als hinderlich. So bleibt die bittersüße Gewissheit, dass ein Teil der Erfolge österreichischer Schwimmer in den vergangenen zehn Jahren unfreiwillig von einer unbedankt gestorbenen Dame finanziert wurde.

 

Die Verfahren gegen Horst Z. sind unterbrochen. Sie könnten erst wieder aufgenommen werden, wenn sich sein Gesundheitszustand bessert und er sich selbst vor Gericht verantworten kann.

 

Daraus ergeben sich eine Reihe von Fragen, um diesen unfassbaren Kriminalfall „Christine Kysucky“ aufzuklären.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz nachstehende

Anfrage:

 

1.        Ist dem Ressort dieser Artikel bekannt?
Wenn ja, welche Schlussfolgerungen wurden gezogen und welche Veranlassungen und Verfügungen wurden ergriffen?
Wenn nein, welche Veranlassungen und Verfügungen werden Sie aufgrund dieses Artikels nun treffen?

 

2.        Wann wurden die strafrechtlichen Ermittlungen im Kriminalfall „Christine Kysucky“ abgeschlossen?
Wenn noch nicht, wie ist der Stand der Ermittlungen?

 

3.        Wurde die im Text beschriebenen Handlungen von Horst Z. und anderen Personen von den Strafverfolgungsbehörden als strafrechtlich relevantes Verhalten beurteilt?
Wenn ja, welche Verfügungen und Veranlassungen wurden durch die StA ergriffen?

4.        Wie ist der Stand eines oder mehrerer Strafverfahren gegen Horst Z. und weiteren Beitragstätern?

 

5.        Oder ist es richtig, dass trotz der vorliegenden Geständnisse von Horst Z. große Teile des Falles bis zum heutigen Tag vor Gericht nicht aufgearbeitet wurden?

 

6.        Ist die Darstellung in diesem Artikel richtig, dass Gerichtsverfahren trotz Geständnisse von Horst Z., deswegen nicht abgeschlossen sind, weil sich der Beschuldigte in eine Krankheit geflüchtet hat und gerichtlich besachwaltert wurde?

 

7.        Mit welcher Begründung wurde am 07. September 2007 für Horst Z. durch das BG Döbling ein Sachwalter nach § 268 ABGB bestellt?

 

8.        Steht die Besachwalterung nicht im krassen Widerspruch zu dessen weiteren Tätigkeiten als hauptverantwortlicher Funktionär (Präsident) des Schwimmvereins SC Austria?

 

9.        Ist es richtig, dass aus dem Vermögen von Christine Kysucky illegaler Weise immense Geldmittel auch zu diesem Verein flossen und dies von Horst Z. veranlasst wurde?

 

10.    Wenn ja, welche Verfügungen und Veranlassungen wurden seitens des Ressorts getroffen, damit es vom Verein zu einer Rückzahlung an die Erbin (Nichte) kommt?

 

11.    Wie ist der Stand des Zivilverfahrens um die Rückgabe von Vermögen der verstorbenen Frau Christine Kysucky an deren Erbin (Nichte)?
Wie lange dauert bereits dieses Verfahren?