10053/J XXIV. GP
Eingelangt am 05.12.2011
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Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber, Freundinnen und Freunde an den/die Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
betreffend : Anwendung der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugehörigkeit der von Land- und Forstwirten hergestellten Produkte zur land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion (Urprodukteverordnung), vom 24. November 2008, BGBl. Teil II Nummer 410
Nachdem im Jahr 2005 die Sozialversicherungsanstalt der Bauern begonnen hatte, verstärkt Betriebsprüfungen betreffend der Höhe der gemeldeten Einnahmen aus „bäuerlichen Nebentätigkeiten“ durchzuführen, wurden die Bemühungen der Landwirte intensiviert, endlich eine befriedigende Klärung mit Rechtssicherheit zu erreichen.
Bekanntlich wurden schon seit langem gleichgelagerte Tatbestände von verschiedenen Stellen der Sozialversicherung und der Finanz verschieden interpretiert, so dass das Schlagwort vom „Feinkostladen Europas“ insbesondere für die kleinen Direktvermarkter ad absurdem geführt würde, wenn auf Jahre zurück Beitragsvorschreibungen erfolgten, die viele Betriebe in ihrer Existenz gefährdeten. Besonders nachteilig war dabei der Umstand, dass zur Abgrenzung überwiegend von der „Verkehrsauffassung nach der Gewerbeordnung“ ausgegangen wurde.
Auf dieser teilweise nicht nachvollziehbaren und widersprüchlichen Rechtslage konnte es geschehen, dass sogar der VwGH in seinem Erkenntnis vom 25. Oktober 2006 zu dem Schluss kommen konnte, „dass die landwirtschaftliche Produktion …, also das Halten von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse, nicht auch die Schlachtung der Nutztiere und deren Zerteilung durch den Landwirt selbst umfasst.“
Dem gegenüber hatte beispielsweise die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs bereits am 29.2.1998 in ihrem Schreiben an das BM für Finanzen festgehalten, dass auch Ziegenkäse steuerlich als Urprodukt und nicht als Verarbeitungsprodukt zu behandeln sei. Es stellte sich in der Praxis immer wieder heraus, dass nicht nur Schafmilch, sondern auch unbearbeitete Ziegenmilch als solche nicht verwertbar sei. Bei Schafkäse steht unbestritten fest, dass dieses Erzeugnis als Urprodukt einzustufen ist. Das BM für Finanzen hat daraufhin in seinem Schreiben vom 25. Juni 1999, GZ. 06 0810/3 – IV/6/99 bestätigt, dass seinerseits keine Bedenken gegen die Ansicht bestehen, wenn die Produktion von Ziegenkäse (und Sauerkraut) durch Landwirte nicht als Be- und/oder Verarbeitung im Sinn des § 6 der Pauschalierungsverordnung, sondern als Urproduktion beurteilt wird. Über diese Beurteilung wurden die für Bewertung zuständigen leitenden Vorstände der Finanzlandesdirektionen anlässlich einer Dienstbesprechung informiert und zur Weitergabe an andere Stellen innerhalb der Finanzlandesdirektionen und der Finanzämter angewiesen.
Nach den langwierigen Verhandlungen glaubten die kleinen Landwirte, mit der Veröffentlichung der Urprodukteverordnung am 24. November 2008 sei nun Klarheit gegeben, wurden aber durch die Praxis der SVB eines besseren belehrt. (Den großen Landwirten und Gutsbetrieben ist dies gleichgültig, weil ihre Abgaben durch die Höchstbeitragsgrundlage ohnehin gedeckelt sind): So wurde beispielsweise bei einer Betriebsprüfung der SVB in Niederösterreich im Jänner 2010 vom Prüfer festgehalten, dass „Schafschnittkäse, Schafschnittkäse geräuchert, Brimsen ab 1.1.2009 Urprodukt“ sei, während der darauf folgende Bescheid den geräucherten Schafschnittkäse als landwirtschaftliche Nebentätigkeit und die Einnahmen daraus als zur Bildung einer gesonderten Beitragsgrundlage nach dem BSVG zu berücksichtigen hätte.
Zu dem genannten Fall sei noch darauf hingewiesen, dass nach dem Wortlaut des § 1 Z 2 der Urprodukteverordnung typische bäuerliche, althergebrachte Käsesorten nur beispielsweise angeführt sind und es wohl allgemein bekannt ist, dass das Räuchern eine der ältesten Formen der Haltbarmachung von Produkten ist, lange bevor das Kühlen technisch möglich war. Es muss daher auch „Schafschnittkäse geräuchert“ als Urprodukt gelten.
Insgesamt handelt es sich bei den bäuerlichen Erzeugern von Schaf- und Ziegenprodukten zumeist um Kleinst- oder Kleinbetriebe, so dass gesamtwirtschaftlich gesehen eine Konkurrenz zu einschlägigen gewerblichen Betrieben praktisch nicht gegeben, für die Kleinbauern jedoch die Anerkennung von Urprodukten und somit auch die Ausnahme von zusätzlichen Abgaben- und Besteuerungsvorschriften von eminentem Interesse ist.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Welche Möglichkeit sehen Sie, die Urprodukteverordnung einheitlich so sachgerecht und nachvollziehbar anzuwenden, dass ohne einen erheblichen Verwaltungsaufwand durch aufwendige Betriebsprüfungen der Sozialversicherungsanstalt der Bauern (SVB) eine gerechte Einkommensverteilung für die arbeitenden kleinen Bäuerinnen und Bauern bleibt?
2) Sind Sie zu einer Änderung der Urprodukteverordnung bereit, um den DirektvermarkterInnen das wirtschaftliche Überleben und den KonsumentInnen unverfälschte natürliche Produkte zu gewährleisten?
3) Wie hoch sind die Beiträge, die die SVB im Bereich der Direktvermarktung in den Jahren 2005 – 2010 eingehoben hat (bitte um Aufschlüsselung nach Jahren)?
4) Wieviel Bäuerliche Selbstvermarkter haben eine Jahresmeldung ihrer Vermarktung in den Jahren 2005 – 2010 duchgeführt (bitte um Aufschlüsselung nach Jahren)?
5) Wie hoch ist der Freibetrag für die Einnahmen aus der bäuerlichen Selbstvermarktung derzeit?