10126/J XXIV. GP
Eingelangt am 12.12.2011
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ANFRAGE
des Abgeordneten Dr. Karlsböck
und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für Gesundheit
betreffend Schmerztherapie in Österreich - Sparsamkeit auf dem Rücken der Patienten?
In der parlamentarischen Anfrage 3411/J (XXIV. GP) betreffend chronischer Schmerzen wurde bereits auf diese Thematik hingewiesen, denn bereits jeder fünfte Österreicher ist von diesem Krankheitsbild betroffen. Insgesamt gibt es 1,7 Millionen Schmerzpatienten in Österreich. Mehr als die Hälfte, nämlich 54%, empfinden laut einer Studie[1] ihre Schmerzbehandlung als unzureichend. Das bedeutet nicht nur für die Betroffenen einen großen Leidensdruck, sondern stellt auch enorme Anforderungen an die Medizin.
In diesem Zusammenhang wird von schmerzbehandelnden Ärzten das geringe Angebot für Patienten mit chronischen Schmerzen bemängelt. Vorläufiger Höhepunkt dieser Problematik war die Schmerzpetition im August dieses Jahres. Diese wurde von der Österreichische Schmerzgesellschaft (ÖSG), der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), der Österreichischen Palliativ-Gesellschaft (OPG) und der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (ÖGPP) unter dem Titel "Die Versorgung von Schmerzpatienten muss besser werden" initiiert und innerhalb eines Monats wurden knapp 1.500 Unterschriften von Medizinern gesammelt. Kernpunkt der Kritik: Wer in Österreich von chronischen Schmerzen betroffen ist, muss mit einem im EU-Vergleich erschwerten Zugang zu innovativen medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapieformen rechnen.
Darüber hinaus haben auch zahlreiche Medien die Problematik in diesem Bereich erkannt und berichten darüber. „Österreich hinkt bei Schmerzmedikamenten oft jahrelang hinterher“, erklärte beispielsweise Anästhesist und Schmerzmediziner Prof. Burkhard Gustorff im Artikel „Kassenpatienten bekommen nicht die besten Schmerzmittel“ in den Salzburger Nachrichten vom 27. Mai 2011. In der Ärztekrone vom 2. August 2011 nimmt Prim.Univ.-Prof. Dr. Wilfried Ilias, Past Präsident der ÖSG zu dieser Thematik ebenfalls Stellung:
„(…)Keiner der neuen pain killers oder pain modifiers, die in den vergangenen zwei bis drei Jahren in Österreich gelauncht wurden, wurden vom Hauptverband für die Erstattung in Betracht gezogen(…)
Außerdem würden Ärzte aufgefordert, ihre Patienten auf Generika umzustellen. Schmerzpatienten und psychisch kranken Patienten hätten dasselbe Problem: ihr Leiden sei nicht messbar, sondern subjektiv(…)“
Vor diesem Hintergrund ist grundsätzlich zu hinterfragen, ob dieser „sparpolitische“ Zugang langfristig betrachtet nicht für die Betroffenen die schmerzhafteste und für das Gesundheitssystem die teuerste Variante ist. Die Ergebnisse einer österreichweiten Befragung[2] zeigen, dass 33 Prozent der Betroffenen aufgrund chronischer Schmerzen berufsunfähig und 21 Prozent in Frühpension sind. Chronische Schmerzen sind oftmals die Ursache für die Beanspruchung des Gesundheitssystems und eine häufige Ursache für Krankenstände, Frühpensionen und Produktivitätsverlust. Frühzeitige Therapie und innovative Medikamente könnten dieser Entwicklung entgegenwirken.
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Gesundheit folgende
Anfrage
1. Ist für Sie als Gesundheitsminister eine State of the Art-Schmerztherapie in Österreich ein Gesundheitsziel?
a. Wenn ja, wo sehen Sie angesichts der angeführten Ausgangssituation Problemfelder und Verbesserungspotentiale?
b. Ist das Thema Schmerz ein Gesundheitsziel?
2. Was unternehmen Sie bzw. Ihr Ressort angesichts der Tatsache, dass jeder zweite chronische Schmerzpatient in Österreich laut Patientenbefragung mit seiner Behandlung unzufrieden ist, um diese Situation zu verbessern?
3. Mit der Schmerzpetition machen Schmerzexperten österreichweit auf die mangelhafte Versorgung und den erschwerten Zugang zu innovativen medikamentösen Therapieformen aufmerksam. Vier medizinische Gesellschaften sind die Initiatoren dieser Petition.
a. Wie beurteilen Sie diese Initiative der Ärzte?
b. Werden Sie aufgrund dieser Initiative Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungssituation für Schmerzpatienten setzen?
c. Wenn ja, welche?
4. Laut dem Pressetext der Ärzte-Schmerz-Petition 2011[3] wurde keines von 7 neuen, innovativen Schmerzmedikamenten in den Erstattungskodex (EKO) aufgenommen, wohingegen dieselben Medikamente in vergleichbaren EU-Ländern auf Kassenkosten zur Verfügung stehen. Wie beurteilen Sie aus gesundheitspolitischer Sicht die Tatsache, dass keines dieser Schmerzmedikamente in den Erstattungskodex aufgenommen wurde?
5. Wie beurteilen Sie bzw. Ihr Ressort die Kritik, dass Österreich dadurch den internationalen Anschluss in der Schmerzbehandlung verlieren könnte?
6. Was sind aus ihrer Sicht die Gründe, warum Österreich sich in der Therapievielfalt von Schmerzmedikamenten anders als die übrigen Länder Europas?
7. Bei vielen Patienten als auch Schmerzexperten ist der Eindruck entstanden, dass sich die Vorgehensweise des Hauptverbandes nicht an einer State of the Art-Behandlung von Schmerzpatienten sondern vielmehr am kurzfristigen Spargedanken orientiert. Was gedenken Sie hinsichtlich Vorgehensweise des Hauptverbandes zu unternehmen?
8. Werden Sie als Gesundheitsminister Gespräche mit dem Hauptverband führen und darin die gängige Praxis hinterfragen?
9. Welche Maßnahmen wurden bzw. werden gesetzt, um die enormen volkswirtschaftlichen Auswirkungen des chronischen Schmerzes (Arbeitsunfähigkeit, Frühpensionen, Produktivitätsverluste) einzudämmen?
[1] Breivik H, Collett B et al. Survey of chronic pain in Europe: prevalence, impact on daily life, and treatment. Eur J Pain 2006
[2] Stein et al.: Schmerzpatienten und ihre Erwartungen an die ärztliche Versorgung; Ergebnisse aus dem österreichischen Schmerzbericht; Der Schmerz (Sonderdruck) Springer Medizin, 2010
[3] Pressetext zur PK Schmerzpetition am 27.10.2011; Ärzte fordern: Versorgung von Schmerzpatienten muss besser werden!