10127/J XXIV. GP
Eingelangt am 12.12.2011
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
des Abgeordneten Dr. Karlsböck
und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
betreffend chronische Schmerzen - häufige Ursache für zahlreiche Krankenstände und Frühpensionen
Jeder fünfte Österreicher leidet an chronischen Schmerzen. Insgesamt gibt es 1,7 Millionen Schmerzpatienten in Österreich. Mittlerweile betreffen chronische Schmerzen auch immer häufiger junge Patienten, die aufgrund ihrer Erkrankungen bereits ab einem Alter von 40 Jahren berufsunfähig werden. Mehr als die Hälfte, nämlich 54%, empfinden laut einer Studie[1] ihre Schmerzbehandlung als unzureichend.
In diesem Zusammenhang wird von schmerzbehandelnden Ärzten das geringe Angebot für Patienten mit chronischen Schmerzen bemängelt. Vorläufiger Höhepunkt dieser Problematik war die Schmerzpetition im August dieses Jahres. Diese wurde von der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG), der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), der Österreichischen Palliativ-Gesellschaft (OPG) und der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (ÖGPP) unter dem Titel "Die Versorgung von Schmerzpatienten muss besser werden" initiiert und innerhalb eines Monats wurden knapp 1.500 Unterschriften von Medizinern gesammelt. Kernpunkt der Kritik: Wer in Österreich von chronischen Schmerzen betroffen ist, muss mit einem im EU-Vergleich erschwerten Zugang zu innovativen medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapieformen rechnen.
Darüber hinaus haben auch zahlreiche Medien die Problematik in diesem Bereich erkannt und berichten darüber. „Österreich hinkt bei Schmerzmedikamenten oft jahrelang hinterher“, erklärte beispielsweise Anästhesist und Schmerzmediziner Prof. Burkhard Gustorff im Artikel „Kassenpatienten bekommen nicht die besten Schmerzmittel“ in den Salzburger Nachrichten vom 27. Mai 2011. In der Ärztekrone vom 2. August 2011 nimmt Prim.Univ.-Prof. Dr. Wilfried Ilias, Past Präsident der ÖSG zu dieser Thematik ebenfalls Stellung:
„(…)Keiner der neuen pain killers oder pain modifiers, die in den vergangenen zwei bis drei Jahren in Österreich gelauncht wurden, wurden vom Hauptverband für die Erstattung in Betracht gezogen(…)
Außerdem würden Ärzte aufgefordert, ihre Patienten auf Generika umzustellen. Schmerzpatienten und psychisch kranken Patienten hätten dasselbe Problem: ihr Leiden sei nicht messbar, sondern subjektiv(…)“
Vor diesem Hintergrund ist grundsätzlich zu hinterfragen, ob dieser „sparpolitische“ Zugang langfristig betrachtet nicht für die Betroffenen die schmerzhafteste und für das Sozialsystem die teuerste Variante ist. Die Ergebnisse einer österreichweiten Befragung[2] zeigen, dass 33 Prozent der Betroffenen aufgrund chronischer Schmerzen berufsunfähig und 21 Prozent in Frühpension sind. Chronische Schmerzen sind oftmals die Ursache für die Beanspruchung des Gesundheitssystems und eine häufige Ursache für zahlreiche Krankenstände, Frühpensionen und Produktivitätsverlust. Eine optimierte Schmerzbehandlung ist daher notwendig, um das individuelle Leid der Betroffenen und die volkswirtschafltichen Folgekosten zu reduzieren.
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz folgende
Anfrage
1. Wie beurteilen Sie den Zusammenhang zwischen der offensichtlich unzureichenden Behandlung chronischer Schmerzpatienten (jeder zweite chronische Schmerzpatient ist laut Patientenbefragung mit seiner Behandlung unzufrieden) und den volkswirtschaftlichen Auswirkungen wie Arbeitsunfähigkeit, Frühpensionen und Produktivitätsverlust in arbeits- und sozialpolitischer Hinsicht?
2. In Deutschland werden die volkswirtschaftlichen Auswirkungen hinsichtlich Arbeitsfähigkeit und Produktivität bei chronischen Schmerzen neben den direkten Kosten mit 20 – 40 Milliarden Euro beziffert. Haben Sie bzw. Ihr Ressort zu diesen Zusammenhängen österreichische Studien oder gedenken Sie, welche zu beauftragen?
3. Welche Maßnahmen wurden bzw. werden ergriffen, um die Betroffenen wieder in den Arbeitsmarkt zu reintegrieren?
4. Welche Maßnahmen wurden bzw. werden ergriffen, um die Anzahl der Frühpensionierungen aufgrund chronischer Schmerzen einzudämmen?
5. Welche weiteren Maßnahmen wurden bzw. werden ergriffen, um die enormen volkswirtschaftlichen Auswirkungen des chronischen Schmerzes einzudämmen?
6. Mit der Schmerzpetition machen Schmerzexperten österreichweit auf die mangelhafte Versorgung und den erschwerten Zugang zu innovativen medikamentösen Therapieformen aufmerksam. Vier medizinische Gesellschaften sind die Initiatoren dieser Petition.
a. Wie beurteilen Sie diese Initiative und das Anliegen der Ärzte aus arbeitsmarktpolitischer Sicht?
b. Halten Sie nach dieser Initiative der Ärzte Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung von Schmerzpatienten für unterstützenswert?
7. Wie beurteilen Sie aus sozialpolitischer Sicht die Tatsache, dass es in den letzten Jahren in Österreich keines von 7 neuen, innovativen und nebenwirkungsärmeren Schmerzmedikamenten in die Erstattung der Sozialversicherung geschafft hat, wohingegen dieselben Medikamente in vergleichbaren EU-Ländern auf Kassenkosten zur Verfügung stehen?
8. Halten Sie die derzeitige Vorgehensweise des Hauptverbandes für zielführend? (Dies vor dem Hintergrund der Herausforderung, die Anzahl der Frühpensionierungen aufgrund chronischer Schmerzen einzudämmen und Schmerzpatienten wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren.)
9. Werden Sie als Sozialminister Gespräche mit dem Hauptverband führen und eine volkswirtschaftliche Analyse fordern?
[1] Breivik H, Collett B et al. Survey of chronic pain in Europe: prevalence, impact on daily life, and treatment. Eur J Pain 2006
[2] Stein et al.: Schmerzpatienten und ihre Erwartungen an die ärztliche Versorgung; Ergebnisse aus dem österreichischen Schmerzbericht; Der Schmerz (Sonderdruck) Springer Medizin, 2010