1016/J XXIV. GP
Eingelangt am 23.02.2009
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ANFRAGE
der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend Martin Graf, der Spitzenmanager und Spitzenkandidat der FPÖ
Durch den jüngst veröffentlichten Bericht des Rechnungshofes über die Austrian Research Centers (ARC), aber auch durch das Auslieferungsbegehren der Staatsanwaltschaft Wien betr. Martin Graf sind einige Aspekte der Tätigkeit von Dr. Martin Graf bei ARC wieder ins Blicklicht der Öffentlichkeit gerückt.
In der Anfrage 861/J (XXIII.GP) vom 23. Mail 2007 betreffend Selbstbedienungsladen für Burschenschafter bzw. in der Antwort Ihres Amtsvorgängers 890/ AB (XXIII.GP) wurden schon einige Aspekte erörtert, doch fehlte manchmal noch die Kenntnis entscheidender Details.
Rekapitulieren wir kurz :
· Dr. Martin Graf wurde mit 1.5.03 zum Geschäftsführer der ARC- Tochter business services Gmbh bestellt. Sein Vertrag war zu diesem Zeitpunkt ein all inclusive –Vertrag mit fünfjähriger Laufzeit, also bis 30.4.2008. Wie der Rechnungshof (RH) in seinem Bericht schreibt, waren mit dem jährlichen Bruttobezug auch die Überstundenleistungen abgegolten und im Vertrag auch die Verpflichtung enthalten, unentgeltlich zusätzliche Funktionen im ARC-Konzern zu übernehmen. Der jährliche Bruttobezug soll sich auf 120.000 € belaufen haben.
· Anfang Mai hat Martin Graf nach eigener Darstellung (Presseaussendung Martin Graf, 12.2.2009) seinem Eigentümervertreter bekanntgegeben, dass er beabsichtige, zur Nationalratswahl 2006 zu kandidieren.
· Mit Schreiben der Eigentümervertreter vom 11.5.06 wurde Martin Graf laut Eigendarstellung (Presseaussendung, 12.2.09) die Erlaubnis zu kandidieren erteilt.
· Der „Standard“ berichtete am 14.2.2009 allerdings von einem Gutachten, das die Geschäftsführung im Oktober 2006 in Auftrag geben hatte und in dem es heisst: “Eine Genehmigung holte Herr Mag. Dr. Graf bei der Geschäftsführung nicht ein, sondern präsentierte bloß Anfang Oktober 2006 ein mit 11. Mai 2006 datiertes Schreiben des früheren (mit 30. September 2006 ausgeschiedenen) Geschäftsführers der ARC, Herrn DI Dr. Helmut Krünes, in dem dieser – vereinfacht gesagt – einer Nationalratskandidatur von Herrn Mag. Dr. Graf Wohlwollen entgegenbrachte,....und gleichsam in Aussicht stellte, man könne bei Annahme eines Mandats den zeitlichen Umfang der Tätigkeitsverpflichtung....auch entsprechend den Bezug reduzieren.“ Diese wohlwollende Fürsorge des damaligen Geschäftsführers Krünes mag wohl auch darin begründet gewesen sein, dass die beiden – Krünes und Graf – schon im Jahr 2005 einen Ausflug in die Wiener Landespolitik unternommen hatten und gemeinsam mit weiteren ARC-Mitarbeitern (Wansch, Boigner, Völk und Helperstorfer) auf der Kandidatenliste der FPÖ vereinigt waren.
· Im Juni 2006 wurde Martin Graf auf die Kandidatenliste der FPÖ Wien gesetzt und in der Folge als einer der Wiener Spitzenkandidaten der FPÖ präsentiert. Noch vor den Nationalratswahlen am 1. Oktober 2006 warben Krünes und Graf im Wiener Bezirksjournal für die Wahl der FPÖ, Graf mit den prophetischen Slogans „Graf fix im Parlament“ und „Damit Leistung wieder mehr zählt als das Parteibuch“.
· Am 12.7.2006 erhielt Graf trotzdem einen neuen unbefristeten Dienstvertrag als leitender Angestellter mit Wirksamkeit ab 1. Oktober 2006. Der RH dazu: „Eine Klausel besagte, dass eine Kündigung des Dienstverhältnisses während der ersten 36 Monate vom Dienstgeber nur aus wichtigen Gründen gemäß § 27 Angestelltengesetz möglich war“. Der RH merkt zu Recht an, dass dieser Vertrag nicht auf die Kandidatur (bzw. das Mandat) von Dr. Martin Graf einging. Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil ja zumindest einer der beiden damaligen Geschäftsführer (Krünes) nicht nur von der Kandidatur wusste, sondern sie auch unterstützte und in der schriftlichen Erklärung vom 11. Mai 2006 von einer möglichen Arbeitszeitreduktion gesprochen hatte. Da Martin Graf als einer der Spitzenkandidaten der FPÖ ja öffentlich im Wahlkampf präsent war, Pressekonferenzen, Podiumsdiskussionen und andere Veranstaltungen in der Wahlkampfzeit besucht hat, wird wohl auch dem zweiten damaligen Geschäftsführer das politische Engagement Grafs nicht verborgen geblieben sein. Schließlich braucht eine Kandidatur wie die von Graf auch Zeit, wohl auch Arbeitszeit und deshalb die Zustimmung des Eigentümervertreters.
· Am 5.10.2006 teilte der ehemalige Geschäftsführer der business services Gmbh, Martin Graf, der Geschäftsführung der ARC (ab 1.10.2006 war der Lebensbundbruder von der „Olympia“, Hans Rinnhofer neuer Geschäftsführer und Nachfolger von Helmut Krünes) mit, dass er bei der NR. Wahl ein Mandat erlangt hatte und dies annehmen wolle. Der RH: „Die Geschäftsführung der ARC genehmigte die Ausübung des Mandates nicht und teilte dem ehemaligen Geschäftsführer mit, dass die Annahme des Mandates ein Entlassungsgrund wäre“.
· Martin Graf stellt dies anders dar: „Durch die Verschmelzung und dann letztlich auch durch die Bekanntgabe, dass ich das Nationalratsmandat annehmen werde, hat man die Entlassung mir gegenüber ausgesprochen, die habe ich bekämpft und das ganze ist in einem Vergleich dann erledigt worden. Und da gab es auch Gutachten, die eingeholt wurden und die Gutachten bescheiden alle, dass ich sogar auf etwas verzichtet habe“ (Ö1 Mittagsjournal, 12.2.2009). Auch in seiner Presseaussendung vom 12.2.09 spricht Graf von „politisch motivierter“ Entlassung, die er mit anwaltlicher Hilfe bekämpft und angefochten habe.
Da kennen wir uns nicht mehr aus! Der Bundesbruder Rinnhofer von der „Olympia“ soll eine Entlassung ausgesprochen haben, die der Bundesbruder Graf von der „Olympia“ als „politisch motiviert“ bekämpft und vor Gericht angefochten hat?
Eine Entlassung – wenn sie denn am 5.10.06 überhaupt ausgesprochen wurde - ist sofort wirksam. Da aber am 5.10.06 von Martin Graf anscheinend nur angekündigt wurde, das Nationalratsmandat annehmen zu wollen (bei der konstituierenden Sitzung), konnte zu diesem Zeitpunkt eigentlich keine fristlose Entlassung ausgesprochen werden, sondern höchstens eine solche für den Fall, dass das Mandat angenommen werde, angekündigt werden.
Martin Graf spricht aber davon, dass er die „politisch motivierte“ Entlassung bekämpft und angefochten hat. Bloß wo? Der „Standard“ (14.2.09) recherchierte, dass es laut Arbeits- und Sozialgericht zu keinem Zeitpunkt eine Klage oder ein Verfahren gegen die fristlose gegeben habe.
Für Martin Graf hat sich sein „Kampf“ in eigener Sache jedenfalls gelohnt: die Geschäftsführung vereinbarte mit ihm am 20.10.06 eine einvernehmliche Auflösung seines Dienstverhältnisses mit 29.10.2006. Dabei werden Graf zugesprochen: 220.000 € für die vorzeitige Auflösung seines Dienstverhältnisses als Geschäftsführer, 50.000 € als Prämie für die Ausübung zusätzlicher Funktionen im ARC-Konzern (die er sich offensichtlich in den wenigen Tagen seit dem 1.10.06 „erarbeitet“ hat), 10.000 € netto als Zahlung für die Mitarbeiter-Pensionskasse. Zumindest in diesem Punkt sind sich alle einig, wenn auch nur wenige die Einschätzung von Graf („Ich war jeden einzelnen Euro wert!“) teilen dürften.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1). Von welchem Gremium bzw. welchen Personen wurde Martin Graf 2003 als Geschäftsführer der ARC business services Gmbh bestellt und wer hat an der Bestellung mitgewirkt?
2). Wie hoch war der im Geschäftsführer-Vertrag vereinbarte Bruttobezug?
3). Stimmt die Darstellung des Rechnungshofs, dass in dem Vertrag, der bis 30.4.2008 abgeschlossen, aber jedenfalls bis 30.9.2006 wirksam war, die Verpflichtung enthalten war, zusätzliche Funktionen im ARC-Konzern unentgeltlich zu übernehmen?
3a). Enthielt dieser Vertrag ebenfalls Klauseln, die die faktische Unkündbarkeit bedeutet haben?
4). Warum wurde Martin Graf bei der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses eine Prämie für die Ausübung zusätzlicher Funktionen im ARC-Konzern zugesprochen?
5). Gibt es ein Schreiben von Martin Graf von Anfang Mai an seine Eigentümervertreter, wonach er beabsichtige, bei den Nationalratswahlen 2006 zu kandidieren? Wenn ja, wie lautet dieses und an wen war es gerichtet?
5a). Wer von den Eigentümervertretern hat nachweislich Kenntnis von diesem Schreiben erhalten?
6). Gibt es ein Schreiben von Martin Graf vor der Gemeinderatswahl 2005 an seine Eigentümervertreter, wonach er beabsichtige, bei den Wiener Gemeinderatswahlen zu kandidieren? Wenn ja, wie lautet es und an wen war es gerichtet?
6a). Wer von den Eigentümervertretern hat 2005 nachweislich Kenntnis davon erhalten, dass der damalige Geschäftsführer der ARC (Krünes), der damalige Geschäftsführer der ARC business services (Graf), der damalige Prokurist der ARC business services (Wansch) und weitere MitarbeiterInnen der business services auf der Liste der FPÖ kandidierten bzw. wurden Dienstfreistellungen beantragt?
7). Gibt es ein Schreiben der Eigentümervertreter, in dem Martin Graf die Erlaubnis zur Kandidatur für die Nationalratswahlen 2006 erteilt wurde? Wenn ja, wie lautet es und von wem war es unterzeichnet?
8). Gab es eine Regelung betr. Karenz, Dienstfreistellung bzw. Arbeitszeiten von Martin Graf während des Wahlkampfes 2006? Wenn ja, wie lautet diese Regelung und wer hat sie unterzeichnet?
9). Wurde der Aufsichtsrat bzw. das Ministerium als Eigentümervertreter während bzw. vor der Wahlkampfzeit 2006 mit der Kandidatur von Martin Graf befasst?
10). Wurde der am 12.7.2006 vereinbarte unbefristete neue Dienstvertrag mit Martin Graf
a) von Seiten des Arbeitgebers durch die business services Gmbh vorbereitet?
b) Von wem wurde der Vertrag von Seiten des Arbeitgebers unterzeichnet?
11). Wurde der Aufsichtsrat mit diesem Dienstvertrag befasst? Wenn ja, wann und welche Stellungnahme gab es von Seiten des Aufsichtsrates? Wenn nein, warum nicht?
12). Warum wurde in dem Vertrag die Klausel verankert, wonach eine Kündigung während der ersten 36 Monate nur aus wichtigen Gründen gemäss § 27 AngG möglich ist?
13). Wurde das Ministerium oder der Aufsichtsrat darüber informiert, dass die Geschäftsführung Martin Graf am 5.10.06 entlassen hat? Wenn ja, wann und was wurde als Begründung angegeben?
14). Ist dem Ministerium bzw. seinen Vertretern im Aufsichtsrat mitgeteilt worden, dass Martin Graf ein arbeitsgerichtliches Verfahren gegen seine Entlassung eingeleitet hat? Wenn ja, wann?
15). Welche Schritte hat die Geschäftsführung von ARC am 5.10.06 betr. die Tätigkeit von Martin Graf als Prokurist und leitender Angestellter tatsächlich gesetzt?
16). Wurde Martin Graf mit 5.10.06 von der Sozialversicherung abgemeldet?
17). Hat Martin Graf nach dem 5.10.06 ein Hausverbot erhalten?
18). Welche anderen Schritte wurden gesetzt, aus denen Martin Graf schließen konnte, es habe sich um eine Entlassung gehandelt?
19). Wurden Gutachten betr. eine Auflösung des Dienstverhältnisses mit Martin Graf in Auftrag gegeben? Wenn ja, von wem und mit welchen Resultaten?
20). Ist die Darstellung von Martin Graf richtig, dass alle Gutachten bescheiden würden, dass er „auf etwas verzichtet habe“? Wenn ja, wodurch hat Martin Graf auf etwas verzichtet?
21). Ist der ARC bzw. deren Eigentümern durch die Vorgangsweise der alten bzw. neuen Geschäftsführung gegenüber Martin Graf ein Schaden entstanden?
22). Haben Sie die Absicht als Eigentümervertreter, die für die Erstellung des neuen Dienstvertrags bzw. für die Auflösung des Dienstverhältnisses von Martin Graf als leitendem Angestellten verantwortlichen Geschäftsführer zu klagen? Wenn nein, warum nicht?