10226/J XXIV. GP

Eingelangt am 22.12.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Genossinnen und Genossen,

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend „Unglaubliche Entwicklung" um den Buwog-Aktenskandal in Liechtenstein

Die jüngsten Vorkommnisse in Lichtenstein zur offenkundigen Verschleierung von
Handlungen des ehemaligen Finanzministers Grasser und seines Netzwerkes stellen die
diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich, wahrscheinlich auch der EU einerseits und
dem Fürstentum Liechtenstein auf der anderen Seite auf eine schwere Probe, welche es mit
gemeinsamen Kräften zu bewältigen gilt.

In Österreich vergeht kaum ein Tag, an welchem nicht entweder Mag. Grasser oder seine
rechtsfreundlichen Vertreter lauthals bedauern, dass die Verfahren um schwere kriminelle
Handlungen nicht umgehend eingestellt werden. Tatsachenwidrig wird behauptet, Mag.
Grasser und sein Netzwerk würden alle Schritte zur Offenlegung der Sachverhalte um die
gegenständlichen Unterschlagungen, Provisionen für strafbare Handlungen,
Schwarzgeldzahlungen etc. setzen, wohingegen die Organe der Privatstiftungen von Mag.
Grasser und deren Rechtsberatern alle nur erdenklichen Schritte setzen, um die
Wahrheitsfindung um den ehemaligen Finanzminister zu verunmöglichen.

Besonders heftig ist die nun festgestellte kriminelle Energie, zu welcher sich in Liechtenstein
ein Anwalt der renommierten Kanzlei Marxer und Partner hinreißen ließ. Ohne lange zu
fackeln hat der Rechtsanwalt, der auch Mitglied der Stiftung Waterland von Mag. Grasser ist,
aus den beschlagnahmten Dokumenten im Strafakt gegen Mag. Grasser jene rechtswidrig
entfernt, welche für den ehemaligen Finanzminister schädlich sein könnten. Damit nicht
genug, wurden diese Akten auch nicht über Aufforderung und Einleitung eines
Strafverfahrens gegen den Anwalt zurückgegeben, sondern erst nach sechswöchiger
Behaltedauer durch den Anwalt.

Genauso wie niemand glaubt, Mag. Grasser hätte sein aufgeblähtes Netzwerk von Stiftungen,
Konten, Bankverbindungen und Beratern im In- und Ausland - auch in Liechtenstein -
deshalb aufgebaut, um sich rechtmäßig zu verhalten, kann sich ein einigermaßen
klardenkender Mensch vorstellen, dass die Entwendung von Akten zu einem anderen Zweck
als der kriminellen Verschleierung der Aktivitäten von Mag. Grasser durchgeführt wurde.


Außenpolitische Sprengkraft

Besonders auffällig und außenpolitisch relevant ist aber, dass der die Akten unterschlagende
Anwalt nicht nur Anwalt und Vertrauter im Netzwerk Mag. Grassers ist, sondern auch
Abgeordneter des Staates Lichtenstein, der über zumindest behauptete blendende Kontakte zu
der aktuell tätigen Justizministerin verfügt.

Dadurch bekommt der Kriminalfilm aber seine außenpolitische Sprengkraft, zumal diese
einzigartige Konstellation naturgemäß die Frage der Verlässlichkeit eines EWR-Staates im
Rahmen von Rechtshilfe- und Strafverfolgungsaktivitäten stellen lässt. Naturgemäß kann es
nicht im Sine des Fürstentums Lichtenstein liegen, als Hort der Verschleierung von
Finanzkriminalität zu erscheinen, was im Lichte der jüngsten Ereignisse aber zumindest in
diesem Einzelfall der Fall war.

Ebenso wenig kann Liechtenstein daran Interesse haben, ständig mit einer erheblichen Anzahl
von durch die österreichischen Strafbehörden verfolgten Personen in Zusammenhang gebracht
zu werden, welche zueinander teils in einer der Öffentlichkeit demonstrierten
freundschaftlichen, teils zusätzlich in geschäftlicher Beziehung stehen, wie etwa die Herren
Meinl und Flöttl. Auffällig ist hier die hohe Anzahl von Vorkommnissen mit Bezug auf die
immer gleichen mitwirkenden Personen, Gesellschaften, Banken und Stiftungen.

Aus diesen Gründen sollte es im Sinne Liechtensteins gelegen sein, die Anscheinsrolle eines
für strafrechtliche Verhältnisse verschleiernden Landes gegen eine solche einzutauschen,
welche den europäischen Standards von Rechtsstaatlichkeit und Rechtshilfe entspricht.

Dem Außenministerium kommt daher zentrale Bedeutung in der Wiederherstellung der durch
grenzüberschreitende Kriminalakte ramponierten Beziehung zwischen Österreich und
Liechtenstein zu. Um dies zu unterstützen erlauben sich die unterzeichnenden Abgeordneten
daher nachstehende Anfrage zu stellen und sagen zu, das Ministerium zur Aufrechterhaltung
der relevanten Informationen über weitere Vorkommnisse in den gegenständlichen
Angelegenheiten durch ähnlich gelagerte Anfragen zu unterstützen:

1.              Warum hat die zuständige Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft erst über
Medienberichte von der Aktenaffäre in Liechtenstein erfahren?

2.              Wie kann es sein, dass Mag. Grasser als Verdächtiger mehr Einblick in Akten hat als
die heimische Justiz?

3.              Wie konnte es dazu kommen, dass im Zuge eines Rechtshilfeersuchens der Republik
Österreich um Hausdurchsuchung Herrn Mag. Grassers nahestehende Personen die
sichergestellten Informationen bzw. Aktenteile rechtswidrig an sich nahmen und
mutmaßlich verfälschten?


4.      Was läuft in der Kooperation zwischen Liechtenstein und Österreich falsch, dass
üblich Vorgänge durch Liechtensteinische Politiker als Anwälte hintertrieben und
verunmöglicht werden.

5.              Welche Initiativen könne wir bzw. Sie setzen um die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit mit ausländischen Justizbehörden, insbesondere mit Liechtenstein, zu
verbessern?

6.              Welche Schritte haben die österreichischen Behörden gesetzt um die Vorgänge in
Liechtenstein umfassend zu klären und zu welchen Zeitpunkt?

7.              Welche Schritte werden Sie setzen, um die original Akten so rasch wie möglich zu
erhalten?

8.              Wie gestaltet sich die Kooperation in Liechtenstein in der Causa Buwog im Vergleich
zu ähnlich gelagerten Fällen?

9.              Wie werden Verfahren in Liechtenstein geführt und wie eng ist die Zusammenarbeit
mit den österreichischen Behörden?