10295/J XXIV. GP

Eingelangt am 13.01.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Jarolim, Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Wissenschaft

betreffend weiterer Eklat an der Medizinischen Universität Innsbruck -
Bonuszahlungen trotz haarstr
äubender Behandlungsfehler und dramatischer
Finanznot

Die Lage an der Medizinischen Universität Innsbruck (MUI) ist ernst. Aus immer
mehr Abteilungen dringen unfassbare Schauergeschichten an die
Öffentlichkeit,
die mehr an ein Gruselkabinett als an eine medizinische Universit
ätsklinik mit
Heilauftrag erinnern. Die Vorw
ürfe massiver Behandlungsfehler mit schweren
Behinderungs- oder Todesfolgen h
äufen sich in erschütterndem und
unertr
äglichem Ausmaß: man erinnere sich, dass die Staatsanwaltschaft allein
gegen den Vorstand der HNO-Abteilung Prof. Riechelmann in rund 26 F
ällen
wegen fahrl
ässiger schwerer Körperverletzung und fahrlässiger Tötung ermittelt
bzw. ermittelt haben soll (siehe Anfrage 6688/J). Das Fehlverhalten auf der
Kinderklinik soll so massiv sein, dass der Elternverein Kinderklinik diese als
rote
Gefahrenzone“ bezeichnet und dem Tiroler Spitalsbertrieber Tilak Vertuschung im
großen Stil“ vor- und die Frage aufwirft, ob sich die Tilak nicht auch als
Organisation schuldig gemacht hat“. Angekreidet wird unter anderem, dass
Ärzte
mehrfach Qualit
ätsstandards hinsichtlich des Einsatzes von off label use“
Medikamenten missachtet haben sollen - unter Kenntnis des Vorstandes und der
Direktion (siehe auch Profilartikel vom 12.12).


Hohe Bonuszahlungen trotz dramatischer Finanznot - wo war die Leistung?

Die MUI hat jedoch nicht nur mit haarsträubenden Behandlungsfehlern zu
k
ämpfen, sondern leidet offenbar auch unter akuter Personal-, Platz- und
Finanznot, die das Strukturproblem darlegen. Nach schweren Operationen sollen
etwa PatientInnen in Betten auf dem Gang gelegen oder KrebspatientInnen ihre
Chemotherapie in Beisein von Besuchern am Gang verabreicht worden sein (siehe
Bericht von derPresse“ am 24.11). Auch die Kinderklink soll einer dramatischen


Bettenreduktion und Personalmangel unterliegen. Laut Gabriele Fischer vom
Elternverein Kinderklinik bestehe das Hauptproblem der Kinderklinik aber nicht
primär in der Infrastruktur, sondern an der Klinikführung: Ich mache keinen Hehl
daraus, dass der fr
ühere Leiter der Kinderklinik (der inzwischen verstorbene Dr.
Lothar Bernd Zimmerhackl, Anm.) f
ür uns nicht tragbar war“, wie die Salzburger
Nachrichten berichten.

Weder die Führungselite der MUI noch der Tilak machen den Anschein ihrer
Verantwortungs- und Managementfunktion endlich nachzukommen um dieses
ungeheuerliche Treiben zu beenden. Ganz im Gegenteil wird als jüngster Clou
das Rektoratsteam der MUI angeblich sogar noch mit Bonuszahlungen von
rund 80%
auf Beschluss des Universitätsrates rückwirkend für 2010/11 belohnt!
Und das obwohl bis 2012 rund 5,5 Millionen Euro fehlen sollen. Sogar das
Streichen von Abteilungen werde überlegt. Angesichts der dramatischen Zustände
dr
ängt sich die Frage auf, wo die Leistung des Rektorats war, das offensichtlich
seinem gesetzlichen Auftrag der medizinischen Basisversorgung nur unzureichend
nachkommt und die Universit
ätsklinik der Handlungsunfähig ausliefert. Die
Zahlungen mit einer vertraglichen Vereinbarung zu rechtfertigen ist angesichts der
kolportierten massiven Gef
ährdung für Leib und Leben der PatientInnen mehr als
unzureichend. Selbst der Betriebsrat der MUI spricht von einem "schlechten
politischen Signal bei einer Universit
ät in Finanznöten“. Die wirtschaftliche und
ethische Logik der MUI und Tilak, n
ähert sich dem feudalistischen Führungsstil
eines Großherzogtums an, indem das Wohl der PatientInnen auf erschütternde
Weise vollends aus dem Blickfeld gerät.


 

Strafanzeige gegen die MUI

Angeblich wurde bereits von Vertreter des Senats, der Professoren und des
Mittelbaus der MUI anonym Anzeige gegen die Mitglieder des Universit
ätsrats
sowie des Rektorenteams u.a. wegen schweren Betrugs, schwerer Untreue, der
grob fahrl
ässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen, der Bildung einer
kriminellen Vereinigung und des Amtsmissbrauchs erstattet. Die
Arbeitsbedingungen werden in der Strafanzeige wie folgt beschrieben: "Etliche
Ärztestellen sind durch massive Einsparungsmaßnahmen nicht besetzt, ein Großteil


der Ärzte am Rande des burn out, Dienste an der Klinik Innsbruck seit Jahren nicht
mehr ordentlich besetzt, Professuren seit Jahren nur interimistisch besetzt,
Abteilungen von der Schlie
ßung bedroht, Leib und Leben von Patienten der Klinik
Innsbruck daher massiv gefährdet (die StA Innsbruck ermittelt in zahlreichen Fällen
bereits), der Ruf und die Leistungsf
ähigkeit (medizinisch und wissenschaftlich) der
MUI daher ruiniert. Des weiteren drohen Millionenl
öcher im Budget der MUI. Dieses
Jahr konnte ein Millionenabgang noch durch Finanztricks auf das n
ächste Jahr quasi
verschoben werden. Aber im n
ächsten Jahr wird die MUI insolvent sein.

Wo bleiben die längst überfälligen Konsequenzen?

Die Bereitschaft der TILAK und des BMWF zur Behebung der unfassbaren Ereignisse
ist nach wie vor au
ßerordentlich gering. Wie das Beispiel in der Causa
Scholz/Riechelmann exemplarisch vor Augen gef
ührt hat, wird stattdessen alles von
der TILAK F
ührung unternommen, um kritische Stimmen mundtot zu machen. Das
Vertrauen der PatientInnen in eine funktionierende medizinische Versorgung und eine
seri
öse Klinikführung ist zu tiefst erschüttert. Das BMWF hat im Rahmen seiner
Rechtsaufsicht gr
ündlich zu klären, wer für die Schäden tatsächliche verantwortlich ist
und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher folgende


Anfrage

1.               Wie hoch waren die Bonuszahlungen an das Rektorenteam tatsächlich?

2.       Aufgrund welcher Kriterien wurden die Boni ausbezahlt und wer hat dies
beschlossen?

3.       Werden üblicherweise Bonuszahlungen in Arbeitsverträge mit Rektoren
vereinbart? Wenn ja, in welcher Höhe und anhand welcher Kriterien? Wenn
nein, wieso wurden bei der MUI derartige Boni vorgesehen?

4.       Selbst wenn der Universitätsrat laut Vertrag gehandelt hat, welche Leistung
hat das Rektorat erbracht um derartige Zahlungen politisch und wirtschaftlich
angesichts der aktuellen Finanznöten und den massiven
Behandlungsvorw
ürfen der MUI zu rechtfertigen?

5.       Wie hoch ist das Budgetloch der Universität Innsbruck für das Jahr 2012?

6.       Was sind die Ursachen für das Defizit?


7.   Wie viel Geld hat das BMFW an die MUI in der

Leistungsvereinbarungsperiode 2010 bis 2012 bezahlt? Wie hoch/niedrig ist
dieser Betrag im Vergleich zu anderen Medizinischen Universitäten?

8.       Ist es wahrscheinlich, dass die MUI nächstes Jahr insolvenz gehen wird?

9.       Wird das BMWF im Falle drohender Zahlungsunfähigkeit ein
Sanierungskonzept vorgeben oder einen Universitätskurator bestellen wie es
§12 Abs 3 UG vorsieht?

10. Wird das BMWF die MUI mit weiteren Zahlungen in diesem Jahr unterstützen?
11.Trifft es zu, dass anderes Personal der Klinik der MUI von K
ündigungen

bedroht ist?

12. Trifft es zu, dass die MUI auf vielen Abteilungen mit akuter Platz- und
Personalnot zu k
ämpfen hat? Welche Abteilungen sind besonders betroffen?

13. Hat das Rektorat der MUI dem BMWF einen Strategieplan vorgelegt? Wenn
ja, welche Einsparungsmaßnahmen sieht dieser vor? Trifft es zu, dass sogar
ganze Abteilungen geschlossen werden sollen?

14. Ist der Strategieplan ausreichend um die Versorgungsqualität und
Patientensicherheit zu gewährleisten?

15. Welche personellen Konsequenzen werden aus den dargelegten Missständen
gezogen werden?

16.Welche Schritte wird das BMWF setzten, damit die öffentliche Mittel und
Fördergelder für die dringensten Probleme eingesetzt werden?


17. Wer trägt die Verantwortung, dass es in der Universitätsklinik gehäuft zu
schweren Behandlungsfehlern kommt? Liegt ein Strukturversagen der MUI
und Tilak vor oder führen sie diese Umstände auf das Versagen einzelner
Ärzte zurück?

18. Hat das BMWF Kenntnis über die Zustände an der Kinderklinik und der
angeblichen Vertuschung von Seitens des Direktorats der Tilak?

19. Welche konkreten Veranlassungen beabsichtigt das BMWF zu treffen um die
Missstände an der MUI zu beseitigen?

20. Dürfen die unter Ermittlung stehenden Ärzte weiterhin ihrer Lehrverpflichtung
nachkommen? Wenn ja, sieht das BMWF hier keinen Handlungsbedarf?

21. Wie wird das BMWF sicherstellen, dass sich das Lehrpersonal nach dem
aktuellsten Stand der Wissenschaft fortbildet?