10391/J XXIV. GP
Eingelangt am 19.01.2012
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ANFRAGE
des Abgeordneten Dr. Johannes Hübner
und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend die Vergabe von Diplomatenpässen
Die Tageszeitung „Kurier“ berichtet in ihrer Ausgabe vom 10. Jänner 2012 unter dem Titel „Diplomatenpass-Affäre“ folgendes:
Die Vergabe an Ex-Politiker ist "eindeutig rechtswidrig"
Heftige Kritik der Verfassungsexperten Funk und Mayer: Das Außenministerium überlegt, die Richtlinien zu ändern.
„ Eindeutig rechtswidrig." So lautet das Urteil namhafter Rechtsexperten zur Causa Diplomatenpässe für Ex-Minister. "Es handelt sich offenbar um eine eingefahrene, eine gesetzesfremde Verwaltungspraxis, die niemals hinterfragt wurde", erläutert Bernd-Christian Funk. Der Verfassungsrechtsprofessor bezieht sich auf die KURIER-Berichte über die seltsame Vergabe von Diplomatenpässen an ehemalige Regierungsmitglieder.
So etwa hat der ehemalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der wegen dubioser Geldtransaktionen von der Justiz ins Visier genommen wird, erst im November seinen Diplomatenpass um fünf Jahre verlängern lassen.
Der prominente Verfassungsrechtler Heinz Mayer, Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät in Wien, fasst sich kurz und bündig: Diese Praxis sei "rechtswidrig. Eindeutig!" Denn der privilegierte Status müsste mit dem Ausscheiden aus dem Regierungsamt erlöschen. "Das Gesetz sieht vor, dass die Gültigkeit des Diplomatenpasses an die Funktion gebunden ist. Es ist also höchst merkwürdig, wenn ehemalige Minister mit Diplomatenpässen herumreisen", ergänzt Funk.
Umso bedenklicher:
KURIER-Recherchen haben ergeben, dass gleich mehrfach gesetzeswidrig vergeben wurde. Neben diversen Ex-Politikern (die Liste reicht von Hannes Androsch über Karl Blecha bis zu Alfred Gusenbauer) sind auch ehemalige Wirtschaftskapitäne wie der langjährige Casinos-Chef Leo Wallner im Besitz der begehrten, in grellerem Rot gehaltenen diplomatischen Dokumente. Nachgerade kurios mutet an, dass beispielsweise auch ein längst pensionierter Funktionär aus dem Behindertensportbereich bis vor Kurzem mit einem Diplomatenpass um die Welt jettete.
Prestigeobjekt
Der Diplomatenpass als Prestigeobjekt der Begierde. Als Türöffner, der zumindest längere Wartezeiten und mühsame Kontrollen auf Flughäfen oder Grenzübergängen erspart. Darauf dürfen neben den österreichischen Bischöfen - laut Funk - auch aktive Landeshauptleute zurückgreifen. Diese können das elitäre Reisedokument nutzen, soferne sie in offizieller politischer Mission unterwegs sind.
Ein Rundruf zeigt: Neben dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl nützen Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler oder der oberste Niederösterreicher Erwin Pröll den Diplomatenpass. Prölls Sprecher betont, der Landeshauptmann verwende den Pass "ausschließlich beruflich - er ist viel für Niederösterreich im Ausland unterwegs".
Eine Ausnahme unter den Landesfürsten bildet Oberösterreichs Josef Pühringer. Er verzichtet im Ausland auf diplomatische Weihen.
Interessant in diesem Zusammenhang: Der Tiroler Landeschef Günther Platter hat nach den KURIER-Berichten der letzten Tage umgehend reagiert - und seinen Diplomatenpass an das Außenministerium in Wien retourniert. Platters Begründung: "Ich brauche ihn ohnehin nicht."
Konsequenzen
Wie geht es weiter in der österreichischen Diplomatie-Groteske?
Grüne und SPÖ werden im Parlament gegen die Vergabepraktiken vorgehen. Nachdem Außenminister Michael Spindelegger in einer ersten Reaktion von einem "Pipifax-Problem" gesprochen hatte, hat man im Außenministerium nun mit Recherchen begonnen, wie denn in anderen Ländern die Diplomatenpass-Vergabe gehandhabt wird. In Deutschland etwa darf, wie der KURIER berichtete, ein Ex-Minister nur dann das begehrte Reisedokument erhalten, wenn er in offizieller Mission für die Bundesrepublik unterwegs ist.
Hunderte
Alexander Schallenberg, Sprecher des österreichischen Außenministeriums, spricht von "mehreren Hundert Diplomatenpassbesitzern" - und meint: "Wir überlegen, unsere Richtlinien für ehemalige Regierungsmitglieder zu ändern."
Richtlinien für die Praxis, die es laut Rechtsprofessoren gar nicht geben dürfte, zumal ja ohnehin eine gesetzliche Regelung festgeschrieben ist. Verfassungsjurist Funk: "Was hier passiert, ist eine gesetzesferne, privilegierende Praxis."
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten nachstehende
Anfrage: