10526/J XXIV. GP

Eingelangt am 03.02.2012
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Anfrage

 

der Abgeordneten Alev Korun, Freundinnen und Freunde an den/die Bundesministerin für Inneres

betreffend Ermittlung Staatsanwaltschaft gegen „Fremdenbehörden“

BEGRÜNDUNG

 

2006 trat eine Novelle des Fremdenpolizeigesetzes in Kraft, laut der AsylwerberInnen schon bei bloßem Verdacht, dass nicht Österreich, sondern ein anderer EU-Staat für ihr Verfahren zuständig sei, in Schubhaft eingesperrt werden konnten. Die Betroffenen wurden daher oft monatelang in den Polizeianhaltezentren inhaftiert, bis dieser Praxis durch eine Vielzahl eindeutiger Verwaltungsgerichtshof-Beschlüsse ein Ende gesetzt wurde.

Einer der Betroffenen war ein junger Mann aus Tschetschenien, der über drei Monate lang aufgrund eines Beschlusses eines Beamten der Badener Fremdenpolizei im Schubhaftgefängnis inhaftiert war. Auch der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) Niederösterreich hatte seine Beschwerde abgewiesen. Erst ein Verwaltungsgerichtshofs- Beschluss, der die gesamte Haft als rechtswidrig bezeichnete, konnte die Enthaftung erwirken. Der Anwalt des Betroffenen klagte Haftentschädigung für diesen ein. Aufgrund dieser Haftklage hat am 14. 11. 2011 das Landesgericht für Zivilrechtssachen  Wien den Fall dem Landesgericht Wiener Neustadt überantwortet um zu prüfen ob sich der Beamte der Fremdenpolizei und die UVS-Richterin „der vorsätzlichen Freiheitsentziehung" sowie des Amtsmissbrauchs schuldig gemacht haben (Der Standard vom 26.11.2011). Untermauert wird dieser Verdacht durch ein Besprechungsprotokoll einer "fremdenpolizeilichen Besprechung" am 18.12.2007, in dem mehrere BeamtInnen, darunter auch der genannte Beamte und die genannte UVS-Richterin und nach Möglichkeiten suchen trotz eindeutiger negativer Höchstgerichtsentscheidungen weiterhin die extensive Schubhaftverhängungen aufrecht zu erhalten (Der Standard vom 26.11.2011).

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Ist dem Innenministerium das Protokoll vom 18.12.2007 bekannt? Falls ja, seit wann?


2)    Falls ja, wurden aufgrund dieses Protokolls disziplinarrechtliche Schritte gegen die betreffenden BeamtInnen eingeleitet? Falls ja, welche? Falls nein, weshalb nicht?

 

3)    Wie erklären Sie sich die Vorgehensweise der genannten BeamtInnen sich trotz eindeutiger höchstgerichtlicher Beschlüsse zusammenzutun, um die zu Unrecht erklärte Schubhaftpraxis fortzusetzen?

 

4)    Welche allfälligen anderen Schritte wurden nach Bekanntwerden des genannten Protokolls seitens des Innenministeriums gesetzt?

 

5)    Werden Sie jene Personen, die anhand dieser Praxis der „vorsätzlichen Freiheitsentziehung“ damals rechtswidrig in Schubhaft gehalten wurden für diese Freiheitsentziehung entschädigen? Falls ja, in welcher Weise und Höhe? Falls nein, weshalb nicht?

 

6)    Werden Sie, da hier ein flächendeckender Fall missbräuchlicher Freiheitsentziehung durch Staatsbedienstete vorzuliegen scheint, eine Kommission zur Untersuchung dieser Vorgänge einrichten, die (auch) eine Opferentschädigung vorsieht? Falls ja, wann, wie und in welcher Höhe? Falls nein, wo liegt hier der Unterschied zu anderen Missbrauchsfällen in denen eine Kommission eingerichtet wurde? 

 

7)    Wann wurde diese Praxis, die Schubhaft trotz Vorliegens von Höchstgerichtsentscheidungen, welche den Freiheitsentzug in den jeweiligen Fällen für rechtswidrig erklären, aufrechtzuerhalten endgültig eingestellt?

 

8)    Erfolgte diese Einstellung durch eine Weisung oder einen Erlass? Falls ja, wann genau (mit der Bitte um Vorlage dieser Weisung bzw. des Erlasses)?

 

9)    Wie viele Personen wurden ab 2006 bis zur endgültigen Einstellung der genannten Praxis rechtswidrig in Schubhaft genommen bzw. gehalten?

 

10) Zu wie vielen Schubhäftlingen gab es UVS-Erkenntnisse  bzw. Verwaltungsgerichtshof-Urteile, die die rechtswidrige Schubhaft feststellten, wie viele wurden sonst rechtswidrig festgehalten?

 

11) Was hat das Innenministerium bisher unternommen, um die Zahl der Betroffenen festzustellen?

 

12) Was gedenken Sie grundsätzlich für die Opfer dieser rechtswidrigen Freiheitsentziehungspraxis zu tun?