10822/J XXIV. GP
Eingelangt am 29.02.2012
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
der Abgeordneten Vilimsky, Dr. Belakowitsch-Jenewein
und weiterer Abgeordneter
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend weniger Obduktionen
Dem Mittagsjournal vom 9.9.2011, http://oe1.orf.at/artikel/285695, konnte entnommen werden:
„Weniger Obduktionen: Mehr Morde unerkannt
Jeder zweite Mordfall betroffen?
In Österreich sinkt die Zahl der Obduktionen und Autopsien von Verstorbenen - mit drastischen Konsequenzen: Selbstmorde werden nicht erkannt und Morde nicht aufgeklärt. Zumindest jeder zweite Mord wird nicht als solcher identifiziert, davon geht die Kriminologin Katharina Beclin aus.
Suizidforscher: "Bedenklich"
Vor
etwa 20 Jahren ist noch jede dritte Leiche in Österreich obduziert worden,
jetzt nur mehr jede sechste. auch der Suizidforscher Gernot Sonneck findet es
in mehrfacher Hinsicht bedenklich, dass die Zahl der Obduktionen massiv
gesunken ist:
"Wenn der Täter versucht, einen Mord als Suizid darzustellen und dann
der Arzt feststellt, ja, das ist ein Suizid, dann wird natürlich niemals
bekannt, dass das in Wirklichkeit ein Mord war."
Nur 17 Prozent obduziert
Vor 20 Jahren wurden in Österreich etwa 35 Prozent aller Verstorbenen obduziert, im Vorjahr nur noch 17 Prozent. Meist werden diese Obduktionen im Auftrag der Spitäler durch Pathologen durchgeführt. Nur wenn es Verdacht auf Fremdverschulden gibt, so Sonneck, gibt es gerichtlich angeordnete Obduktionen durch Gerichtsmediziner - konkret bei knapp zwei Prozent aller Verstorbenen.
Auffällige Hinweise übersehen
Dabei
ergab laut der Kriminologin Beclin eine deutsche Studie in den 90er Jahren, wie
viele Morde durch gerichtsmedizinische Untersuchungen erkannt werden könnten.
"Es wurden etwa 13.000 Fälle untersucht, die an sich schon
abgeschlossen waren aufgrund der Todesursachendiagnose durch Mediziner, die
nicht konkret eine gerichtsmedizinische Ausbildung hatten. Und von diesen
13.500 waren aber 800 Fälle definitiv, wo teilweise sogar auffällige
Hinweise waren, dass ein Mord oder Totschlag dahintersteckt", so Beclin.
Selbst Einschüsse unentdeckt
Und Beclin nennt besonders drastische Einzelbeispiele aus Deutschland: "Es gibt auch Fälle wie einen Einschuss unterm Haaransatz. Das muss gar nicht viel bluten, das wird auch oft nicht entdeckt", sagt die Kriminologin.
"Falscher Spargedanke"
Der
Präsident der Gesellschaft für Gerichtsmedizin Walter Rabl
bestätigt, dass es beinahe übersehene Mordfälle auch in
Österreich in der Praxis gibt. "Irgendein zufälliger Aspekt
taucht dann auf, und dann beginnt man zu untersuchen, und letztendlich stellt
sich dann heraus: Da haben wir ein Tötungsdelikt", so Rabl.
Zu den Ursachen für den Rückgang bei Obduktionen sagt Rabl: "Ein
Teil davon ist wahrscheinlich ein falscher Spargedanke."
Wertvolle Informationen verloren
Einen
Rückgang bei Obduktionen gibt es in vielen Staaten, Österreich liege
im internationalen Vergleich noch relativ gut, sagt der Gerichtsmediziner Rabl.
Aber der Rückgang habe dramatische Auswirkungen auf das Gesundheitssystem.
Nicht nur, weil mehr Morde unentdeckt bleiben, sondern auch, weil wertvolle
Informationen über Erkrankungen und deren Häufigkeit verloren gehen.
Reaktionen auf die Kritik waren vorerst nicht zu bekommen - weder von der
Sprecherin der Gesundheitslandesräte, der Salzburger Landesrätin
Cornelia Schmidjell noch von Gesundheitsminister Alois Stöger. Und auch
aus dem Justizministerium gab es heute Vormittag keine Stellungnahme.“
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz folgende
Anfrage: