11000/J XXIV. GP
Eingelangt am 13.03.2012
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Johann Maier
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend „Vermögensrechtliche Anordnungen - Sicherstellung von illegalen Vermögenswerten (Strafrechtliche Gewinnabschöpfung)“
Es war strittig bzw. unklar, ob die österreichische Rechtslage und die Vollzugspraxis der unabhängigen Justiz den vier EU-Rahmenbeschlüssen hinsichtlich vermögensrechtlicher Anordnungen entsprachen. In welchem Umfang Sicherstellungen, Beschlagnahmen von Vermögenswerten nach den Bestimmungen der StPO bzw. StGB bislang durchgeführt wurden und welche Entscheidungen die unabhängigen Gerichte dazu getroffen haben, ist überhaupt nicht bekannt. Mit dem strafrechtlichen Kompetenzpaket wurde der Verfall (§ 20 StGB) als Generalmaßnahme zur strafrechtlichen Gewinnabschöpfung jedenfalls neu geregelt (seit 01.01.2011 in Kraft).
Der Öffentlichkeit ist bis heute aber nicht bekannt, ob und wie in den letzten 5 Jahren diese vermögensrechtlichen Anordnungen (z.B. Einziehung von illegalen Vermögenswerten) in Österreich tatsächlich erlassen und vollzogen wurden, d.h. wie viele „Einziehungen“ aus welchem Anlass tatsächlich vorgenommen wurden. Dies lässt auch ein Artikel vom 9. Februar 2012 im Kurier vermuten:
„Was geschieht mit dem Vermögen? Kurze Antwort: Der Staat kann es abschöpfen, sprich einziehen. Die sogenannte „Vermögensabschöpfung“ soll einerseits der Staatskasse Einnahmen bescheren. Auf der anderen Seite gilt sie als Instrument in der Verbrechensbekämpfung, weil Kriminellen ihr Betriebskapital entzogen wird. Das wäre die Theorie. In der Praxis lässt die Justiz jährlich viel Geld liegen. Es fehlt an Personal, um illegal erlangtes Vermögen einzuziehen. ´Wir wollen noch heuer eine eigene Gruppe einrichten, die sich um Vermögensabschöpfungen kümmert, sagt Thomas Vecsey, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien“.
Anders die Situation in Italien und andere Mitgliedstaaten wo u.a. nach der Verhaftung von „Mafiosi“ regelmäßig berichtet wird, welche Vermögenswerte dabei auch beschlagnahmt wurden:
„Italienische Mafia-Bekämpfer hatten es diesmal allein auf die riesigen Werte der Kriminellen abgesehen. Sondereinheiten beschlagnahmten am Donnerstag in Caserta bei Neapel nach Medienberichten Land, Immobilien und einen landwirtschaftlichen Betrieb der Mafia im Gesamtwert von mehr als 700 Mio. Euro“ (SN 09.04.2010).
Oder:
„Camorra-Vermögen in Höhe von 100 Mio. Euro beschlagnahmt. Im Rahmen ihrer Ermittlungen gegen die Camorra hat die italienische Polizei nach eigenen Angaben Vermögen der neapolitanischen Mafia in Höhe von 100 Millionen Euro eingezogen. Bei gemeinsamen Razzien in Neapel und Norditalien seien eine Reihe von Firmen – vor allem im Baugewerbe – Grundstücke, Autos, eine Diskothek in der Nähe von Rimini sowie bis zu zehn Bankkonten beschlagnahmt worden, teilte sie heute mit“. (news.orf.at 12.12.2011).
„Bulgarien hat nach amtlichen Angaben 2011 Eigentum der Mafia im Wert von fast fünf Millionen Euro beschlagnahmt“. (news.orf.at 14.02.2012)
Nach einem Bericht der EU-Kommission aus dem Jahr 2011 ist die Hälfte der EU-Staaten überdies säumig bei Beschlagnahmen von illegalen Vermögenswerten in einem anderen EU-Land. „Dass die EU-Mitgliedstaaten in Zeiten der Wirtschaftskrise Vermögenswerte verurteilter Straftäter in Milliardenhöhe durchs Netz schlüpfen lassen, ist äußerst bedauerlich, zumal sich die Regierungen bereits vor vier Jahren auf Einziehungsmaßnahmen verständigt haben“, so die scharfe Kritik der EU-Justizkommissarin Viviane Reding.
Die EU-Kommission wird in dieses Jahr einen Vorschlag für einen Rechtsakt über einen verstärkten Rechtsrahmen für die Beschlagnahme und Einziehung von illegal erworbenen Vermögenswerten vorlegen. Geplant sind eine Verschärfung der Einziehungsbestimmungen, insbesondere den Ausbau der Möglichkeiten der Einziehung gegenüber Dritten, die Erweiterung der Beschlagnahmebefugnisse und die Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung von Einziehungsentscheidungen ohne vorhergehende Verurteilung.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz nachstehende
Anfrage:
1. Wie oft kam es in den Jahren 2007, 2008, 2009, 2010 und 2011 zu einer Sicherstellung zur Sicherung der Abschöpfung der Bereicherung im Sinne der § 20a, 20b und 20c StGB, des Verfalls der Bereicherung und der Einziehung (jeweils Aufschlüsselung der Fälle auf Jahre)?
2. Welche Vermögenswerte wurden damit in diesen Jahren sichergestellt (Aufschlüsselung auf Jahre)?
3. In wie vielen Fällen kam es in diesen Jahren zu einer Beschlagnahme auf Anordnung des Gerichts (Aufschlüsselung der Fälle auf Jahre)?
4. Welche Vermögenswerte wurden in diesen Jahren beschlagnahmt (Aufschlüsselung auf Jahre)?
5. Wie oft kam es in diesen Jahren zu rechtskräftigen Urteilen, mit denen Personen zur Zahlung eines Geldbetrages wegen der eintretenden unrechtmäßigen Bereicherung verurteilt wurden (Aufschlüsselung auf Jahre)?
6. In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2007, 2008, 2009, 2010 und 2011 durch eine gerichtliche Entscheidung über die Abschöpfung der Bereicherung, den Verfall oder eine Einziehung entschieden (Aufschlüsselung auf Jahre)?
7. Wie wurden durch die Gerichte dabei jeweils entschieden (Aufschlüsselung auf Jahre)?
8. Welche Vermögenswerte wurden in diesen Jahren abgeschöpft, dem Verfall zugeführt oder eingezogen (Aufschlüsselung der abgeschöpften Vermögenswerte auf Jahre)?
9. In wie vielen Fällen kam es in den Jahren 2007, 2008, 2009, 2010 und 2011 zu einem selbständigen Verfahren gemäß § 445 StPO (Aufschlüsselung nach Jahren)?
10. In wie vielen Fällen kam es in den Jahren 2007, 2008, 2009, 2010 und 2011 zu einstweiligen Verfügungen gemäß § 115 Abs. 4 StPO und wie hoch waren die so gesicherten Vermögenswerte (Aufschlüsselung nach Jahren)?
11. Welche organisationsrechtlichen Maßnahmen wurden vom Ressort im Jahr 2011 getroffen, um vermögensrechtliche Anordnungen durch die Rechtsprechung sicherzustellen?
12.
Welche konkreten
Schulungsmaßnahmen zu vermögensrechtlichen Anordnungen im
Strafverfahren wurden im Bereich der Aus- und Fortbildung der RichterInnen und
StaatsanwältInnen in den Jahren 2007, 2008, 2009, 2010 und 2011
gesetzt?
Wie viele Seminare wurden zu diesem Thema abgehalten?
13. Welche Schwerpunktsetzung ist in diesem Zusammenhang für die nächsten Jahre im Bereich der Aus- und Fortbildung geplant?
14.
Wie hat sich aus Sicht des Ressorts die
neuformulierte Verfallsbestimmung nach § 20 StGB im Jahr 2011
bewährt?
Welche besonderen Ergebnisse konnten erzielt werden?
15.
Wo und wie werden diese
abgeschöpften Vermögenswerte im Budget des Justizressorts unter
Einnahmen verbucht?
Wenn im BMJ-Budget nicht, wo dann?
16. Wie oft hat Österreich in den Jahren 2007 bis 2011 Beschlagnahmeentscheidungen (Einziehungsentscheidungen) von illegalen Vermögenswerten in einem anderen EU-Land angefordert und erwirkt (Aufschlüsselung der einzelnen Fälle auf Jahre)?
17. Welche Vermögenswerte konnten dabei in diesen Jahren beschlagnahmt werden (Aufschlüsselung der beschlagnahmten Vermögenswerte auf Jahre)?
18.
Werden in Österreich Einziehungsentscheidungen
aus anderen EU-Mitgliedstaaten bekannt?
Wenn nein, warum nicht?
19. Wie viele Einziehungsentscheidungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten wurden in den Jahren 2007 bis 2011 anerkannt (Aufschlüsselung der einzelnen Fälle auf Jahre)?
20. Welche Vermögenswerte konnten dabei in diesen Jahren beschlagnahmt werden (Aufschlüsselung der beschlagnahmten Vermögenswerte auf Jahre)?