11006/J XXIV. GP

Eingelangt am 15.03.2012
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Mag.a Gisela Wurm

und GenossInnen

an die Bundesministerin fürJustiz

betreffend das Vorhaben, das Bezirksgericht Telfs zu schließen

 

 

Die unterzeichneten Abgeordneten akzeptieren das Vorhaben der Bundesregierung, im Zuge von maßvollen, sinnvollen Sparmaßnahmen und noch mehr im Sinn eines besseren Funktionierens der Justiz eine Neuordnung der Gerichtsstruktur in Österreich anzustreben und dabei insbesondere auch Kleinstgerichte zu schließen.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten treten aber massiv dagegen ein, dass Gerichte geschlossen werden, wenn es zu einer schlechteren Justizversorgung der Bevölkerung führt, Einsparungen gar nicht erzielt werden und insgesamt äußerst negative Folgen für die Region und die dort lebenden Menschen zu gewärtigen wären.

 

Ein Musterbeispiel für eine sinnlose, ja sogar kontraproduktive Bezirksgericht-schließung ist das Vorhaben, dass das Bezirksgericht Telfs zugesperrt und die dort bisher anfallenden Gerichtsverfahren nach Innsbruck verlegt werden sollten. Zu Recht gibt es gegen diese bürgerfeindliche Maßnahme großen Widerstand von Seiten der Bürgermeister der Region, den Rechtsanwälten, Notaren und betroffenen Bediensteten, aber vor allem von Seiten der künftig von der Gefahr der groben Benachteiligung betroffenen Bevölkerung.

 

Bei sachlicher und nüchterner Betrachtung überwiegen die Nachteile einer allfälligen Schließung des Gerichtes die allfälligen Vorteile, dass natürlich zu hoffen ist, dass der Landeshauptmann von Tirol von seinem verfassungsmäßig festgeschriebenen Recht Gebrauch machen wird und einer solchen Bezirksgerichtschließung niemals zustimmen wird.

 

Sinnvoller wäre es aber, wenn das Bundesministerium für Justiz und die Bundesregierung von sich aus diese bevölkerungsfeindliche Maßnahme gar nicht vorschlagen.

 

Nur einige der wichtigsten Gründe gegen die Bezirksgerichtschließung seien hier angeführt:


Ø  Im Bezirksgericht Telfs arbeiten derzeit drei Richter, drei Rechtspfleger, 14 Beamte und Vertragsbedienstete, zwei Rechtspfleger-Anwärter, eine Reinigungskraft sowie ständig zwei bis vier Rechtspraktikanten. 15 der ständigen BG-Bediensteten wohnen in Telfs, nur drei außerhalb des Gerichtsbezirks.

Ø  Besonders wichtig ist hervorzuheben, dass bei den drei Richtern des Gerichtes eine ausreichende Spezialisierung vorliegt: Es gibt einen Richter für Strafsachen, einen für Familienrechtssachen und einen für Zivilrechtssachen. Ein Argument, welches bei manchen Kleinstbezirksgerichten – welches Telfs nicht ist – manchmal tatsächlich zutrifft, nämlich, dass mangelnde Spezialisierung eine schlechtere Versorgung der Bevölkerung bringe, trifft in Telfs absolut nicht zu.

Ø  Das Bezirksgericht Telfs ist kein Kleinstbezirksgericht:
Die Statistik betreffend Geschäftsfälle/Aktenanfall im Jahr 2011 (Auswahl) zeigt folgendes an:

2143 Zivilverfahren, 55 strittige und 80 einvernehmliche Scheidungen, 267 Verlassenschaftssachen, 153 Strafsachen, 4105 Exekutionssachen (davon 26 Zwangsversteigerungen), 53 Privatkonkurse, 211 Tätigkeiten in Pflegschaftssachen, 85 neue Pflegschaftssachen und 2937 Grundbuchsachen.

Bei den Sachwaltersachen ist die Tendenz stark steigend.

Ø  Die Marktgemeinde Telfs ist nach Innsbruck und Kufstein die drittgrößte Gemeinde Tirols. Im Gerichtssprengel Telfs wohnen ca. 40.000 Menschen und die Bevölkerung wächst weiter. Jährlich wenden sich mindestens 1000 Rechtsuchende an den Amtstagen an das Bezirksgericht Telfs.

Ø  Das Bezirksgericht Telfs wurde vor kurzem mit sehr viel Steuergeld neu renoviert und ausgebaut. Andererseits wäre es sehr schwer zu vermieten oder zu veräußern. Die Büroräumlichkeiten der Gendarmerie standen mehr als fünf Jahre leer!

 

Ø  Umgekehrt wurde in Innsbruck erst kürzlich ein neues Gebäude angemietet, um das Bezirksgericht Innsbruck unterzubringen, weil das bestehende Gebäude für das Bezirksgericht Innsbruck mit seinem derzeitigen Personal zu klein ist und im neuen Gebäude gerade genug Platz für die Beschäftigten des Bezirksgerichtes Innsbruck ist. Unter Berücksichtigung der Erhöhung der Streitwertgrenze werden die neuen noch nicht bezogenen Räumlichkeiten weitaus zu klein sein, um hier auch das Bezirksgericht Telfs aufnehmen zu können.

 

Ø  Natürlich spielt auch die Bürgernähe eine gewisse Rolle (in vielen Bereichen sind der Kontakt und die Nähe der Bevölkerung von besonderer Bedeutung, ganz besonders bei Pflegschaftssachen, aber auch bei anderen). Dies wäre bei einer Verlegung der bezirksgerichtlichen Zuständigkeit nach Innsbruck neben den viel größeren Entfernungen ein zusätzliches Problem.

 

Ø  Eine Ausdünnung des ländlichen Raumes würde auch wirtschaftlich starke Nachteile für den betreffenden Bezirk bedeuten und insgesamt die Lebensqualität für die dort lebende Bevölkerung verschlechtern. Immerhin hat das Bezirksgericht Telfs eine Zuständigkeit für Telfs, Pfaffenhofen, Oberhofen, Flaurling, Polling, Hatting, Inzing, Ranggen, Unterperfuss, Oberperfuss, Zirl, Pettnau und Wildermieming.


Die unterzeichneten Abgeordneten würden also eine Schließung des Bezirksgerichtes Telfs als einen Schildbürgerstreich ansehen, weil diese eindeutig zu Lasten der Bevölkerung ginge und richten an die Bundesministerin für Justiz nachstehende

 

 

Anfrage:

 

1.    Gibt es von Seiten des Bundesministeriums für Justiz bzw. der Bundesregierung konkrete Pläne, das Bezirksgericht Telfs in Tirol zu schließen?
Wenn nein: Es erübrigt sich die Beantwortung der restlichen Anfragen.

Wenn ja: Siehe die nächsten Fragen.

 

2.    Aufgrund welcher Faktoren und welcher Motivation ist von ihrer Seite geplant, das Bezirksgericht Telfs zu schließen?

 

3.    Sofern sie die Schließungspläne mit der erforderlichen Spezialisierung der Richter begründen: Wie beurteilen sie die in der Begründung dieser Anfrage dargestellte bereits vorhandene vorbildhafte Spezialisierung am Bezirksgericht Telfs?

         

4.    Falls sie die Schließungspläne mit dem Argument verbinden, dass es sich beim Bezirksgericht Telfs um ein kleines Bezirksgericht handle: Wie beurteilen sie die hohe Anzahl von Bediensteten am Bezirksgericht Tels und die außerordentlich hohe Anzahl von Geschäftsfällen und Aktenanfall z. B. im Jahr 2011?

 

5.    Glauben Sie, dass es den 40.000 Menschen im Gerichtssprengel Telfs zuzumuten ist, dass sie künftig eine wesentlich schlechtere Versorgung durch die Justiz zu gewärtigen hätte?

 

6.    Wie beurteilen sie das Argument, dass das Bezirksgericht Telfs vor kurzem mit sehr viel Steuergeld renoviert und ausgebaut wurde und das Gerichtsgebäude im Falle der Bezirksgerichtsschließung nicht leicht zu veräußern oder zu vermieten sein wird?

 

7.    Wie beurteilen Sie das Argument, dass umgekehrt im Bezirksgericht Innsbruck auch ohne Zusammenlegung mit dem Bezirksgericht Telfs eine jetzt schon angespannte Raumsituation gegeben ist und unter Berücksichtigung der Erhöhung der Streitwertgrenze es äußerst schwierig bis gar nicht vorstellbar scheint, unter sinnvollen ökonomischen Gesichtspunkten und vor allem bei Beachtung der Rechte der Bediensteten auf einen den arbeitsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Arbeitsplatz, die Rechtssachen des Bezirksgerichts Telfs an das Bezirksgericht Innsbruck zu verlagern?

 

8.    Wie beurteilen sie das Argument, dass bei der genannten Gerichtszusammenlegung die Bürgernähe auf der Strecke bleiben würde und vor allem der Zugang zur Rechtspflege wesentlich erschwert würde?


9.    Wie beurteilen sie das Argument, dass bei Schließung des Bezirksgerichtes Telfs in der Region ein nicht gering zu schätzender Wirtschaftsfaktor verloren ginge?

 

10. Sind sie nicht auch der Auffassung, dass angesichts aller in der Einleitung der Anfrage dargelegten Argumente eine Schließung des Bezirksgerichtes Telfs sachlich nicht gerechtfertigt und eindeutig zu Lasten der Bevölkerung wäre?