11023/J XXIV. GP

Eingelangt am 16.03.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend Abfallbehandlungsprojekt der STRABAG in St. Gertraudi/Tirol

BEGRÜNDUNG

Genehmigung 1996

Am 12. November 1996 erteilte die BH Kufstein Herrn J.L. eine gewerbebehördliche Genehmigung zu „Errichtung und Betrieb einer Schottergrube“ auf insgesamt 9.632 m² in St. Gertraudi (in der Gemeinde Reith im Alpachtal). Gemäß der technischen Beschreibung handelt es sich um einen „Schotterlager- bzw Verwertungsplatz mit einer Siebanlage, zwei mobilen Schotter/Sandboxen und einem Schottersieb inkl zwei Radlader und einen Radbagger. Folgende „Schotterarten bzw Materialien“ waren von der Anlagengenehmigung umfasst: „Findlinge 10-30 cm, Findlinge 50 - 100 ch, Humus, Aushubmaterial von diversen Baustellen, Drainageriesel 16/32 mm, Asphaltbrocken, Asphaltgranulat, Wegschotter 0/70 mm, sämtlich Sande in den verschiedensten Körnungen, Beton- und Ziegelbrocken“. Ursprünglich erfolgte an dieser Stelle bloß die Schottergewinnung aus dem Zillerfluss.

Projekt 2010

Am 1. Juni 2010 wurde die STRABAG „Mieterin" des ggst Betriebsgeländes. Das Unternehmen „zeigte“ am 17.11. 2010 eine Änderung bei der BH Kufstein für Teile des Betriebsgeländes(KG Nr 1111, 1124 und 1125) an. Das Ansinnen der „Errichtung einer Zwischenlager- und Aufbereitungs- sowie Manipulationsfläche für Bodenaushubmaterialien als auch Betonabbrüchen und Asphaltgranulaten“ bedinge „eine Erweiterung des bestehenden Bescheides“.

Geplante zu manipulierende Materialien:

SN 31409 18 - Bauschutt (keine Baustellenabflälle)

SN 31410 Straßenaufbruch (Asphalt, zum Teil mit Beton oder Schotter vermischt; Bitumen)

SN 31411 29 - 33 Bodenaushub (ua Bodenaushubmaterial mit Hintergrundbelastung, Bodenaushubmaterial, das für Deponien für Inertabfälle tauglich ist)

SN 31427 17 Betonabbruch

SN 31467 Gleisschotter

SN 54912 Bitumen, Asphalt

An neuen Maschinen sollten insbesondere 1 mobile Brechanlage und eine mobile Siebanlage zum Einsatz kommen. Bezüglich der Brechanlagewurde die Genehmigung einer mobilen Anlage für das Unternehmen Koppensteiner GmbH angeführt, welche pro Standort und Kalenderjahr aber max 100 Stunden (mit Abfällen für insges 4 Schlüsselnummern) betrieben werden darf. An- und Abtransport sollten bei einer jährlichen Durchsatzmenge von 65.000 Tonnen über LKW-Fuhren im Ausmaß von 2,0 bis 2,5 LKW 4-Achsern pro Stunde erfolgen.

Abfallrechtliche Augenscheinsverhandlung 2011

Am 31. Mai 2011 wurde über das Projekt eine Augenscheinsverhandlung, u.a. mit fünf Sachverständigen (Naturkunde, Humanmedizin, Gewerbetechnik, Abfalltechnik) und dem Naturschutzbeauftragten sowie der Standortgemeinde abgeführt. Ein Bescheid wurde bis dato unseres Wissens nicht ausgestellt.

Gewerbebehördliche Zurkenntnisnahme des Projekts 2012

Die BH Kufstein erteilte am 6. 2. 2012 einen Bescheid, womit der Ersatz einer mobilen Siebanlage der Type Powerscreen Mark 1 durch eine mobile Siebanlage der Type Powerscreen Chieftain 600 und eine mobilen Brech- und Siebanlage zur Kenntnis genommen wurde. Die Änderung sei emissionsneutral und falle daher unter § 81 Abs 2 Zif 9 GewO. Gemäß dieser Bestimmung bedürfen Anlagenänderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflussen, keiner ordentlichen oder vereinfachten Genehmigung, sondern sind bloß der Behörde anzuzeigen, welche binnen 2 Monaten diese Anzeige bescheidmäßig zur Kenntnis zu nehmen hat. Das dem Bescheid zugrunde liegende gewerbetechnische Gutachten umfasst drei Sätze.

Diese behördliche Vorgangsweise wirft aus rechtlicher Sicht doch - gelinde gesagt - viele Fragen auf und ist insbesondere aus Sicht der unmittelbaren Nachbarn und der örtlichen Gemeinschaft höchst unbefriedigend. Grob gesagt ist verwunderlich, warum ein und dieselbe Anzeige a) einmal abfallrechtlich und einmal gewerberechtlich beurteilt wird und b) einmal als Anzeige und einmal als Verfahrensantrag erledigt wird bzw erledigt werden soll. Eine umfassende Prüfung unter Einbeziehung der Nachbarn und Nachbarinnen ist unerlässlich. Der aktuelle Betrieb ist zu überprüfen,

ob er bescheidkonform erfolgt. Das Abfallwirtschaftsgesetz wird vom Bundesminister für Forst- und Landwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und den nachgeordneten Behörden (LH und BH) vollzogen, ebenso das Wasserrechtsgesetz. Im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren für gemäß § 37 AWG genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen sind alle Vorschriften - mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren - anzuwenden, die im Bereich des Gas-, Elektrizitätswirtschafts-, Landesstraßen-, Naturschutz- und Raumordnungsrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projekts anzuwenden sind.

Flächenwidmung

Das ggst Gelände ist derzeit als Sonderfläche „Lagerung und Aufbereitung von Erden und Gesteinen“ gewidmet. Die gewerberechtliche Genehmigung von 1996 und damit auch der Bescheid von 2012 widersprechen dieser Widmung, da auch Asphaltbrocken, Asphaltgranulate, Beton- und Ziegelbrocken zugelassen werden. Das Projekt 2010 überschritt die von der Widmung gezogenen Grenzen noch in viel umfassenderer Weise (zur Materialliste siehe bereits oben). Anders als nach dem Gewerberecht ist das Raumordnungsrecht in der abfallrechtlichen Beurteilung unmittelbar anzuwenden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1)             Welche Anzeigen und Anträge zur Änderung der Betriebsanlage in St. Gertraudi/T wurden seitens der STRABAG bei der BH Kufstein eingereicht, wann wurden diese Schreiben eingereicht und welche Änderungen hatten sie zum Gegenstand?

2)             Welchen behördlichen Erledigungen wurden diese Anzeigen und Anträge zugeführt, sind noch Anträge oder Anzeigen unerledigt?

3)             Über welchen Antrag, allenfalls über welche Anzeige wurde die abfaIIrechtliche Verhandlung vom 31. 5. 2011 abgeführt?

4)        a)    Ist das Projekt, wie in der „Anzeige" vom 17. 11. 2010, eingegangen in der

BH Kufstein am 23. 11. 2010, nach dem Abfallwirtschaftsgesetz zu prüfen? Wenn ja, nach welcher Bestimmung des AWG? Wenn nein, warum nicht?

b)    Abgesehen von anderen rechtlichen Hindernissen: In einem

abfallrechtlichen Genehmigungs- bzw Anzeigeverfahren wäre das Projekt 2010 schon wegen Verstoß gegen die Flächenwidmung abzuweisen. Bestätigen Sie diese Aussage?

5)        Entspricht die Vorgangsweise der BH Kufstein (siehe erwähnten Bescheid vom 6.2.2012, GZ 5 Ab-1321/7-12), allein auf den Austausch der Maschinen abzustellen und die Anzeige gewerberechtlich zu beurteilen, den Vorschriften des Abfallwirtschaftsgesetzes?

6)        Welche Rolle spielt die Angabe im gewerberechtlichen Bescheid vom 6.2.2012, dass die mobile Brech- und Siebanlage nach § 52 AWG genehmigt ist? Ist nicht vielmehr die gesamte Anlagenänderung nach dem Abfallwirtschaftsrecht zu beurteilen?

7)             Die Angabe, dass die Brech- und Siebanlage nur 100 Stunden im Jahr eingesetzt wird, ist angesichts der beabsichtigten Durchsatzmenge von 65.000 Tonnen und der mit Bescheid von 6.2.2012 erlaubten Durchsatzmenge von 30.000 m3 äußerst unglaubwürdig. Außerdem darf eine nach § 52 AWG genehmigte mobile Anlage nur 6 Monate am selben Standort betrieben werden.

 

a)             Wie kontrolliert die Behörde effektiv, dass die Brech- und Siebanlage nur 100 Stunden im Jahr bzw nur das halbe Jahr eingesetzt wird?

b)             Welche Behörde (Abfallbehörde oder Gewerbebehörde) muss einschreiten, wenn die 100 Stunden Betriebszeit bzw das Halbjahr überschritten wird?

 

8)             Welche Möglichkeiten hat die Abfallbehörde/die Gewerbebehörde, wenn sie erkennt, dass der Bescheid vom 6.2.2012 rechtswidrig ist, weil a) die Anlagenänderung nach dem Abfallwirtschaftsrecht zu beurteilen ist und/oder b) die Anlagenänderung wesentlich ist und damit ein ordentliches Verfahren abzuführen wäre?

9)             Sollte das Ministerium zur Auffassung kommen, der Bescheid vom 6.2.2012 ist rechtens und rechtskräftig: Welche Menge an den im Bescheid von 1996 genannten Materialien darf pro Jahr in dieser Betriebsanlage bearbeitet werden?

10)         a)    Welche Anträge zur ggst Betriebsanlage wurden im Zuge der                                                 Anlagenänderung 1996 und später an die Wasserrechtsbehörde gestellt?

b)             Wie wurden diese Anträge erledigt (zulässige Wasserentnahmemenge)?

c)             Welche Anträge sind noch unerledigt?