11336/J XXIV. GP
Eingelangt am
11.04.2012
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Justiz
betreffend milde Urteile für FrauenhändlerInnen
Menschenhandel, im speziellen Frauenhandel, ist eine der schlimmsten Menschen-rechtsverletzungen. Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen werden die Betroffenen von Frauenhandel nach Österreich gelockt. Ihre rechtlose Lage wird ausgenützt, um sie zur Ausübung von Dienstleistungen in der Sexarbeit oder anderen Bereichen zu zwingen. Doch die Zahl der Verurteilungen ist äußerst gering und auch die Höhe des Strafausmaßes fällt zum Teil erschreckend niedrig aus. Eine Ursache dafür könnte in einem unzureichenden Aus- und Fortbildungsangebot im Bereich Menschenhandel für Justizbedienstete liegen.
Erst kürzlich kam ein Fall vor Gericht, in dem sechs Personen wegen grenzüberschreitendem Prostitutionshandel, Zuhälterei und organisierter Kriminalität verurteilt wurden. Es wurde ihnen zur Last gelegt, dass sie Frauen - aus der armen bulgarischen Region Montana - unter Anwendung brutalster Methoden in Österreich in die Prostitution geschickt haben. Nur einer der Verurteilten ein Wiederholungstäter, erhielt eine unbedingte Gefängnisstrafe von vier Jahren. Bei den anderen Verurteilten wurden Strafen zwischen einem und 2,5 Jahren ausgesprochen, wobei der Großteil des Strafausmaßes nur bedingt verhängt worden ist. Da die Untersuchungshaft angerechnet wird, sind einige TäterInnen direkt nach dem Urteil schon wieder auf freiem Fuß.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Wie viele der aktiven StaatsanwältInnen sind derzeit auf den Bereich Frauen- und Menschenhandel und wie viele auf den Bereich des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels spezialisiert?
2) Wie viele dieser spezialisierten StaatsanwältInnen sind derzeit
tatsächlich in diesem Bereich eingesetzt und in welchem Stundenumfang, in
Vollzeitäquivalenten gerechnet, können sie sich diesem Arbeitsbereich
widmen?
3) Wie viele der aktiven RichterInnen sind auf den Bereich des Frauen- und
Menschenhandels und wie viele auf den Bereich des grenzüberschreitenden
Prostitutionshandels spezialisiert?
4) Wie viele dieser spezialisierten RichterInnen sind derzeit
tatsächlich in diesem Bereich eingesetzt und in welchem Stundenumfang, in
Vollzeitäquivalenten gerechnet, können sie sich diesem Arbeitsbereich
widmen?
5) Wie viele Schulungen von StaatsanwältInnen und RichterInnen zur Erhöhung der Identifizierung mutmaßlicher Opfer von Menschenhandel hat es seit 2011 gegeben? Bitte das Jahr der Schulung und die Zahl der TeilnehmerInnen anführen.
6)
Wie viele
in der Justiz tätige Personen haben nach der Durchführung des
Nationalen Aktionsplans zur Bekämpfung des Menschenhandels, also bis Ende
2011, an einer Schulung zur Erhöhung der Identifizierung
mutmaßlicher Opfer von Menschenhandel teilgenommen?
7) Sind im Jahr 2012 noch Schulungen für StaatsanwältInnen und RichterInnen zur Erhöhung der Identifizierung mutmaßlicher Opfer von Menschenhandel geplant?
8) In welchem Kontext und unter welchen Gesichtspunkten wird das Thema Menschenhandel in der Aus- und Fortbildung schwerpunktmäßig behandelt (zB: Opferschutz, Menschenrechte, Organisierte Kriminalität)? Wie werden multidisziplinäre Ansätze in die Aus- und Fortbildung konkret eingebracht?
9) Inwiefern wird in den Schulungen zum Thema Menschenhandel und zu
grenzüberschreitendem Prostitutionshandel die Wahrnehmung zu den
Ausbeutungsformen gegenüber Frauen, insbesondere bei Betroffenen von
Menschenhandel, im gesellschaftlichen Kontext thematisiert?
10) Inwieweit ist in den letzten Jahren im Rahmen der Aus- und Fortbildung
auch auf externe Expertise zum Thema Menschenhandel zurückgegriffen?
Falls ja, in welcher Form?
11) Sehen Sie aufgrund des international geforderten regelmäßigen
und multidisziplinären Schulungsangebots für StaatsanwältInnen
und RichterInnen im Bereich des Menschenhandels einen Arbeitsauftrag zur
Ausweitung des Schulungsangebots?
12) Wie viele Verurteilungen nach § 104a StGB („Menschenhandel“) hat es im Jahr 2011 gegeben und wie hoch war das Strafausmaß in den einzelnen Fällen?
13) Wie viele Verurteilungen nach § 217 StGB
(„grenzüberschreitender Prostitutionshandel“) hat es im Jahr
2011 gegeben und wie hoch war das Strafausmaß in den einzelnen
Fällen?
14) Wie unterscheidet sich generell das gesetzliche Strafausmaß
in einem Fall von Menschenhandel verglichen mit einem Fall von
grenzüberschreitendem Prostitutionshandel in Verbindung mit organisierter
Kriminalität?
15) Bei wie vielen Verfahren gegen Menschen- bzw. Frauenhandel kam es
2011 zu einer Beschlagnahmung des Vermögens der TäterInnen nach
§ 115 StPO und wie hoch war der Wert des beschlagnahmten
Vermögens?
16) Wie oft wurde im Jahr 2011 bei Gericht den Betroffenen von
Menschen- bzw. Frauenhandel beschlagnahmtes Vermögen aus dem Besitz der
TäterInnen zugesprochen?
17) In wie vielen Fällen kam es dann tatsächlich zu einer
Auszahlung aus dem beschlagnahmten Vermögen der TäterInnen an die
Betroffenen und wie hoch waren diese Auszahlungen?
18) Wenn Sie die gängige Spruchpraxis und die Mindest- und
Höchststrafen bei den Delikten „grenzüberschreitender
Prostitutionshandel“ in Verbindung mit organisierter Kriminalität
bzw. „Menschenhandel“ betrachten, sehen Sie dann einen gesetzlichen
Verbesserungsbedarf, um diese Problematik adäquat zu behandeln und eine
energische Strafverfolgung von MenschenhändlerInnen zu gewährleisten?
Falls ja, welche Verbesserungen werden sie anstreben?
19) Welchen gesetzlichen Umsetzungsbedarf auf nationaler Ebene sehen
sie aufgrund der EU-Richtlinie zum Menschenhandel?