11492/J XXIV. GP
Eingelangt am 04.05.2012
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ANFRAGE
der Abgeordneten Strache, Dr. Graf
und Kollegen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend BAWAG-Vermögen
Ab 25. April 2012 kommt es zu einem neuerlichen Strafprozess in Sachen BAWAG-Vermögen. Rund fünf Jahre nach dem ersten BAWAG-Strafprozess im Juli 2007 muss das Verfahren in zentralen Teilen wiederholt werden. Der OGH kippte das erstinstanzliche Urteil von Richterin Claudia Bandion-Ortner, 2008 bis 2011 ÖVP-Justizministerin, in großen Teilen wegen Formalfehler. Wegen Untreue gemäß § 153 StGB sind der Investmentbanker Wolfgang Flöttl sowie die früheren BAWAG-Vorstände Peter Nakowitz, Christian Büttner, Hubert Kreuch und Josef Schwarzecker angeklagt. Auch Ex-BAWAG-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger und Ex-BAWAG-Wirtschaftsprüfer Robert Reiter werden als Beschuldigte geführt. Einzig Ex-Generaldirektor Johannes Zwettler muss diesmal nicht auf die Anklagebank.
Kern der Anklage sind die Spekulationsverluste von Wolfgang Flöttl, der BAWAG-Gelder in Milliardenhöhe verspekuliert haben soll. Im ersten BAWAG-Prozess ging man von einem Gesamtschaden von 1,72 Milliarden Euro aus, diese Summe reduzierte der OGH auf 1,2 Milliarden Euro. Flöttl behauptet bis heute, dass er jenes Geld, das ihm die SPÖ-nahe Gewerkschaftsbank für Investments überlassen hatte, bei riskanten Finanzspekulationen verloren hatte.
Demgegenüber erhebt der frühere BAWAG-Generaldirektor Helmut Elsner in diesem Punkt schwere Vorwürfe gegen Wolfgang Flöttl. Laut Elsner hätte Flöttl mindestens eine Milliarde nicht verspekuliert, sondern veruntreut. Demnach hätten die Spekulationsverluste nicht in diesem hohen Ausmaß stattgefunden, sondern wären vorgetäuscht. Gleichzeitig werden von Elsner auch immer wieder die Vergleichsverhandlungen der BAWAG mit dem US-Investmenthaus Refco kritisiert, deren Ergebnisse zu Lasten des BAWAG-Eigentümers ÖGB sowie letztendlich der Republik Österreich als Retter der BAWAG gegangen seien.
Elsner vertritt den Standpunkt, dass sich weder der BAWAG-Eigentümer ÖGB, noch der neue BAWAG-Vorstand Ewald Nowotny und auch nicht die Republik Österreich um eine Ausforschung der angeblich verspekulierten Gelder bemüht hätten. Vielmehr sei ein Vergleich, d.h. ein Non-Prosecution-Agreement zu Lasten der BAWAG abgeschlossen worden, man hätte Ausforschungsinitiativen gegen Flöttls Vermögen vorschnell abgebrochen und dessen Vermögen freigegeben. Unter anderem soll in diesem Non-Prosecution-Agreement von einer „Beihilfe des Verschleierns der erheblichen Überschuldung von Refco vor Investoren und Gläubigern“ durch frühere Angestellte der BAWAG die Rede sein.
Da die Republik Österreich durch das Bundesministerium für Justiz und damit die Strafbehörden an der Aufklärung dieser Angelegenheit zur Wahrung des Rechtsstaates ein fundamentales Interesse haben sollte, scheinen diesbezügliche ergänzende Erhebungen unbedingt notwendig.
Daher richten die unterzeichneten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz nachfolgende
ANFRAGE
1. Welcher aktuelle Ermittlungsstand steht den Justizbehörden zu den tatsächlichen Verlusten, die Wolfgang Flöttl im Zuge von Spekulationsgeschäften für die BAWAG erzielt hatte, zur Verfügung?
2. Auf welchen Dokumenten gründet sich dieser Ermittlungsstand?
3. In welchem Zeitraum wurde dieser Ermittlungsstand erhoben?
4. Für welchen Zeitraum wurde dieser Ermittlungsstand erhoben?
5. Welche staatsanwaltschaftlichen Organwalter sind mit der Erhebung dieses Ermittlungsstandes befasst gewesen?
6. Welche Akten mit welchen Aktenzahlen, mit welchen Akteninhalten wurden zu diesen Ermittlungen in der Staatsanwaltschaft Wien, in der Oberstaatsanwaltschaft Wien und im Bundesministerium für Justiz geführt?
7. Welche dieser Akten wurden in Papierform und welche in elektronischer Form geführt?
8. Wer waren die diesbezüglichen Sachbearbeiter im Bundesministerium für Justiz?
9. Welche Einsichtsbemerkungen wurden in diesen Akten vorgenommen?
10. Wer hat diese Einsichtsbemerkungen verfasst?
11. Wem wurden diese Akten vor Abfertigung und wem vor Hinterlegung vorgeschrieben?
12. Welche Informationen zu den Verlusten wurden von Seiten der Justizbehörden bei der BAWAG angefordert?
13. Wer hat diese Informationen angefordert?
14. Welche Informationen zu den Verlusten wurden von Seiten der Justizbehörden beim ÖGB angefordert?
15. Wer hat diese Informationen angefordert?
16. Welche Informationen zu den Verlusten wurden von Seiten der Justizbehörden bei Dritten angefordert?
17. Wer hat diese Informationen angefordert?
18. Haben die Justizbehörden Kenntnis darüber, ob die BAWAG, der ÖGB oder das Bundesministerium für Finanzen Informationen zu den tatsächlich eingetretenen Verlusten gesichert haben?
19. Ist Ihnen bekannt, dass der Hauptvertreter der REFCO Gläubiger in den Vereinigten Staaten, John P. Coffey, eidesstattlich erklärte, dass die BAWAG und der ÖGB, vertreten durch die Vorstände bzw. Organwalter Nowotny, Koren, Hundstorfer, Foglar u.a. Unterlagen lieferte, welche die BAWAG belasteten und dadurch erst die Anklageerhebung und milliardenschwere Vergleichszahlung zustande kam?
20. Wie werten Sie daher die öffentliche Behauptung des Herrn Gouverneur Nowotny, dass er diesen Vergleich schließen musste, um die Bank 2006 zu retten?
21. Wie werten Sie in diesem Zusammenhang den Antrag Nowotnys und Hundstorfers auf Übernahme einer Staatsgarantie für die Bank?
22. Sind Ihnen die vollständigen Dokumente zum Vergleich in den USA zugänglich gemacht worden?
23. Ermittelt die Staatsanwaltschaft diesbezüglich wegen Untreue und anderer Delikte, welche sich aus den dolosen Handlungen der BAWAG und ÖGB Vorstände des Jahres 2006 ergeben, welche wiederum die BAWAG und den ÖGB im Ausmaß von mindestens einer Milliarde Euro schädigten?
24. Sind Ihnen die Namen der BAWAG Kunden bekannt, welche durch den Vergleich profitierten, da ihr eingefrorenes Vermögen binnen weniger Tage durch den Vergleich freikam?
25. Wann ja, welche Kunden profitierten vom Vergleich?
26. Ist Ihnen bekannt, ob das Vermögen von Wolfgang Flöttl oder seiner Frau Anne Eisenhower vom US Gericht vor dem Vergleich eingefroren war und durch den Vergleich freikam?
27. Sind Ihnen die „Temporary Restraining Order“ des US Gerichts bekannt?
28. Ist Ihnen bekannt, ob das US Gericht den Vergleich zwischen BAWAG, ÖGB und den US Gläubigern und der US Staatsanwaltschaft nur unter der Bedingung genehmigte, dass die BAWAG an ein US Unternehmen verkauft werden durfte?
29. Wenn ja, bei wem wurden diese Informationen gesichert?
30. Welcher aktuelle Ermittlungsstand steht den Justizbehörden zum Non-Prosecution-Agreement, das BAWAG und ÖGB bzw. andere der BAWAG und dem ÖGB zurechenbare Gesellschaften am 02.06.2006 in den USA abgeschlossen haben, zur Verfügung?
31. Welcher aktuelle Ermittlungsstand steht den Justizbehörden zu Dokumenten zur Verfügung, die die BAWAG, der ÖGB bzw. die Republik Österreich potentiellen Klägern gegen das Bankinstitut im Zusammenhang mit der Refco-Causa zur Verfügung gestellt haben?
32. Welcher aktuelle Ermittlungsstand steht den Justizbehörden zu den Kosten zur Verfügung, die der BAWAG, dem ÖGB bzw. der Republik Österreich durch dieses Non-Prosecution-Agreement erwachsen sind?
33. Welcher aktuelle Ermittlungsstand steht den Justizbehörden zum Vorhalt zur Verfügung, dass frühere Angestellte der BAWAG sowie Funktionäre und Organwalter des ÖGB in den Gremien der BAWAG, von einer „erheblichen Überschuldung von Refco“ Kenntnis hatten?
34. Welcher aktuelle Ermittlungsstand steht den Justizbehörden zur Verfügung, welche BAWAG-Manager sowie Funktionäre und Organwalter des ÖGB im Non-Prosecution-Agreement einer Generalamnestie unterzogen worden sind?
35. Welcher aktuelle Ermittlungsstand steht den Justizbehörden über die im Zuge des Non-Prosecution-Agreement erfolgte Zustimmung von BAWAG bzw. ÖGB, das eingefrorene Vermögen von Dr. Wolfgang Flöttl freizugeben, zur Verfügung?
36. Welcher aktuelle Ermittlungsstand steht den Justizbehörden über eine Zustimmung des Bundesministeriums für Finanzen zur Freigabe des eingefrorenen Vermögens von Dr. Wolfgang Flöttl zur Verfügung?
37. Welche Maßnahmen betreffend Vermögenswerte von Dr. Wolfgang Flöttl haben die Justizbehörden bis zum heutigen Tage getroffen?
38. Gab es diesbezüglich Weisungen?
39. Wann wurden diese Weisungen erteilt?
40. Wer hat diese Weisungen erteilt?
41. Welche Akten mit welchen Aktenzahlen, mit welchen Akteninhalten wurden betreffend Vermögenswerte von Dr. Wolfgang Flöttl im Bundesministerium für Justiz geführt?
42. Welche dieser Akten wurden in Papierform und welche in elektronischer Form geführt?
43. Wer waren die diesbezüglichen Sachbearbeiter?
44. Welche Einsichtsbemerkungen wurden in diesen Akten vorgenommen?
45. Wer hat diese Einsichtsbemerkungen verfasst?
46. Wem wurden diese Akten vor Abfertigung und wem vor Hinterlegung vorgeschrieben?
47. Welcher aktuelle Ermittlungsstand steht den Justizbehörden zu den Ergebnissen der Arbeit des New Yorker Detektivbüro Nadrello bzw. anderer Nachforschungen und zu deren Verwertung bezüglich des Vermögens von Dr. Wolfgang Flöttl zur Verfügung?
48. Welcher aktuelle Ermittlungsstand steht den Justizbehörden zur Verfügung, ob und zu welchem Zeitpunkt dem Bundesministerium für Finanzen Kenntnisse zu den Ergebnissen der Arbeit des New Yorker Detektivbüro Nadrello bzw. anderer Nachforschungen zum Vermögen von Dr. Wolfgang Flöttl zugegangen sind?
49. Gab es diesbezüglich Weisungen?
50. Wann wurden diese Weisungen erteilt?
51. Wer hat diese Weisungen erteilt?
52. Welche Akten mit welchen Aktenzahlen, mit welchen Akteninhalten wurden betreffend Vermögenswerte von Dr. Wolfgang Flöttl im Bundesministerium für Justiz geführt?
53. Welche dieser Akten wurden in Papierform und welche in elektronischer Form geführt?
54. Wer waren die diesbezüglichen Sachbearbeiter?
55. Welche Einsichtsbemerkungen wurden in diesen Akten vorgenommen?
56. Wer hat diese Einsichtsbemerkungen verfasst?
57. Wem wurden diese Akten vor Abfertigung und wem vor Hinterlegung vorgeschrieben?
58. Welcher aktuelle Ermittlungsstand steht den Justizbehörden zur Verfügung, in welcher Höhe eingefrorenes Vermögen von Dr. Wolfgang Flöttl bestanden hatte und in welchem Zeitraum dieses in den USA eingefroren war?
59. Welcher aktuelle Ermittlungsstand steht den Justizbehörden zur Verfügung, ob das Bundesministerium für Finanzen über eingefrorenes Vermögen von Dr. Wolfgang Flöttl in Kenntnis war?
60. Gab es diesbezüglich Weisungen?
61. Wann wurden diese Weisungen erteilt?
62. Wer hat diese Weisungen erteilt?
63. Welche Akten mit welchen Aktenzahlen, mit welchen Akteninhalten wurden betreffend Vermögenswerte von Dr. Wolfgang Flöttl im Bundesministerium für Justiz geführt?
64. Welche dieser Akten wurden in Papierform und welche in elektronischer Form geführt?
65. Wer waren die diesbezüglichen Sachbearbeiter?
66. Welche Einsichtsbemerkungen wurden in diesen Akten vorgenommen?
67. Wer hat diese Einsichtsbemerkungen verfasst?
68. Wem wurden diese Akten vor Abfertigung und wem vor Hinterlegung vorgeschrieben?
69. Welcher aktuelle Ermittlungsstand steht den Justizbehörden zur Verfügung, welche Kundengelder und in welcher Höhe laut Mitteilung des ehemaligen BAWAG-Generaldirektors Ewald Nowotny durch eine Nichtunterzeichnung des Non-Prosecution Agreement gefährdet gewesen sind?
70. Welcher aktuelle Ermittlungstand steht den Justizbehörden zur Verfügung, ob es sich bei den Geldern der BAWAG nicht ausschließlich um Guthaben aus dem Titel des Dollar Clearing gehandelt hat?