11665/J XXIV. GP
Eingelangt am 16.05.2012
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ANFRAGE
der Abgeordneten Grosz
Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend die Anzeige gegen Dr. Beatrix Karl und Abg.z.NR Johann Singer wegen §§ 12, 118, 310 StGB
Der Anfragesteller hat am 20. Jänner 2011 gemeinsam mit anderen Abgeordneten des Nationalrates einen Antrag auf Durchführung des Verlangens der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Wolfgang Zanger, Gerald Grosz und Kolleginnen und Kollegen auf Prüfung der Gebarung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, der ÖBB-Holding AG sowie den nachgeordneten Gesellschaften des ÖBB-Konzerns und des Bundesministeriums für Justiz hinsichtlich bestimmter Vorgänge im ÖBB-Bereich gestellt. Der ständige Unterausschuss des Rechnungshofausschusses des Nationalrates hat sich hierauf mit der verlangten Angelegenheit befasst.
Auf Grund der Prüfungserkenntnisse aus den Sitzungen des ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses des Nationalrates und der darin zu Tage getretenen massiven Widersprüche der Auskunftspersonen hat der Anfragesteller der Staatsanwaltschaft Wien sowie der Korruptionsstaatsanwaltschaft die Protokolle dieses ständigen Unterausschusses zur strafrechtlichen Überprüfung übermittelt. Hierüber machte der Anfragesteller der Medienöffentlichkeit mit einer Originaltextaussendung des Pressereferates des Parlamentsklubs des BZÖ am 11. Mai 2011 Mitteilung.
Hierauf erfolgte eine Strafanzeige gegen den Anfragesteller durch das Bundesministerium für Justiz am 24. Mai 2011. Der Anfragesteller hatte von diesem zu GZ 30 St 183/11 i von der Staatsanwaltschaft Wien geführten Strafverfahren allerdings keine Kenntnis. Ein verfassungsmäßig erforderliches Auslieferungsbegehren an den Nationalrat wurde nicht gestellt. Der Anfragesteller erlangte von diesem Strafverfahren erst durch die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Wien vom 21. September 2011 über die Einstellung des Verfahrens Kenntnis, wobei aus dieser Benachrichtigung hervorgeht, dass dem Strafverfahren der Verdacht der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs. 2 StGB wegen der OTS-Presseaussendung vom 11. Mai 2011 zu Grunde lag.
In der 124. Sitzung des Nationalrates vom Mittwoch vom 19. Oktober 2011 wurde der Bericht des ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses als Tagesordnungspunkt 8 beraten.
Im Zuge der Debatte war auch der ÖVP-Abgeordnete Josef Singer zu Wort gemeldet. Seine Wortmeldung wurde um 13:43 Uhr aufgerufen. Dabei führte er unter anderem wie folgt aus:
„Ein Wort noch zum Kollegen Grosz (Abgeordneter Grosz: Ja! Ja!). Er hat sehr ausführlich das Schreiben der Staatsanwaltschaft zitiert. Er hat allerdings vergessen, dass er am 6. Oktober auch ein Schreiben des Justizministeriums erhalten hat, in dem - ich zitiere kurz - zum Ausdruck gebracht worden ist, dass der Vorwurf des Amtsmissbrauches zurückgewiesen wird, dass die dargestellten Abläufe vermeidbar waren (Abgeordneter Grosz: Ich habe das Schreiben noch gar nicht!) und dass es nicht vorsätzlich zu diesem verursachten Missverständnis gekommen ist. (Abgeordneter Öllinger: Missverständnisse? Na, bitte!) Es wurde unmissverständlich klargestellt, dass sie keine strafbaren Handlungen begangen haben. Ich möchte das noch ergänzen, weil Sie, wie gesagt, nur einen Teil … ((Abgeordneter Öllinger: Und das Ganze war ein Missverständnis! Das ist aber blöd! Woher haben Sie dieses Schreiben?) Das Schreiben ist an den Herrn Abgeordneten Gerald Grosz in Wien ergangen am 6. Oktober 2011. (Abgeordneter Grosz: Ich habe das Schreiben noch gar nicht!) Ich werde es Ihnen zur Verfügung stellen. (Beifall bei der ÖVP - Abgeordneter Mag. Stadler: Können Sie uns dieses Schreiben zeigen, bitte!)“
Zudem zeigte der Abgeordnete Johann Singer im Rahmen dieser Debatte eine Kopie des Schreibens des Bundesministeriums für Justiz vom 6. Oktober 2011 im Plenum des Nationalrates.
Da der Anfragesteller das vom Abgeordneten Singer zitierte Schreiben des Bundesministeriums für Justiz vom 6. Oktober 2011 noch gar nicht hatte, veranlasste er einen Mitarbeiter, ihm sofort die ungeöffnete Post aus seinem Büro zu bringen. Bei der wenige Minuten später in den Plenarsaal hergeschafften Post des Anfragestellers befand sich ein ungeöffneter Brief des Bundesministeriums für Justiz an den Anfragesteller, welcher wie folgt adressiert war:
„Herrn Abgeordneten
Gerald Grosz
BZÖ
Volksgartenstraße 3/5
1010 Wien“.
Im Zuge der Debatte vom 19. Oktober 2011 ging sodann der Abgeordnete Mag. Ewald Stadler im Rahmen seiner Wortmeldung um 13:57 Uhr auf den geschilderten Vorgang ein und öffnete auf Ersuchen des Anfragestellers vor den Augen der Sitzungsteilnehmer am Rednerpult des Plenarsaales das Poststück des Bundesministeriums für Justiz, welches am 13. Oktober 2011 in die BZÖ-Geschäftsstelle in der Volksgartenstraße 3/5 zugestellt und von dort, d.h. von der Volksgartenstraße 3/5, ungeöffnet in den BZÖ-Parlamentsklub im Parlament bzw. in das Büro des Anfragestellers gebracht wurde, wo es bis zum 19. Oktober 2011 ungeöffnet im Posteingang verblieb. Im Kuvert befand sich das Original des vom Abgeordneten Singer zitierten Schreibens des Bundesministeriums für Justiz vom 6. Oktober 2011, GZ BMJ-S1147/0005-IV/2011, welches von Mag. Christian Pilnacek unterfertigt ist.
Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass das Schreiben des Bundesministeriums für Justiz vom 6. Oktober 2011, welches an den Abgeordneten Gerald Grosz persönlich adressiert war und laut Ministerium als Poststück am 12. Oktober 2011 abgefertigt wurde, bereits zu einem Zeitpunkt in Kopie beim ÖVP-Abgeordneten Johann Singer landete, bevor der eigentliche Adressat dieses Briefes selbst Kenntnis von diesem Schreiben erlangt hat. Über diesen Vorgang wurde auch von den Medien berichtet, wobei nur beispielhaft auf die APA-Meldung vom 19. Oktober 2011, auf einen diesbezüglichen Bericht der „Wiener Zeitung“ vom 20. Oktober 2011 und einen Bericht der Tageszeitung „Österreich“ vom 20. Oktober 2011 verwiesen wird.
Als Reaktion auf die APA-Meldung vom 19. Oktober 2011, 15:03 Uhr, hat Mag. Christian Pilnacek gegenüber der APA glaubhaft in Abrede gestellt, dass er den von ihm unterfertigten und an den BZÖ-Abgeordneten Gerald Grosz persönlich adressierten Brief an den ÖVP-Parlamentsklub weitergegeben hat. Bereits in diesem Interview, das von der APA am 19. Oktober 2011 um 15:22 Uhr veröffentlicht wurde, weist Mag. Pilnacek daraufhin, dass er einen solchen Brief nur schreiben konnte, weil die zuständige Ministerin informiert worden sei.
Ausgehend von der zitierten APA-Meldung ist davon auszugehen, dass Mag. Pilnacek seinerseits das Schreiben des Bundesministeriums für Justiz vom 6. Oktober 2011 dem ÖVP-Parlamentsklub nicht zugänglich machte. Vielmehr besteht der Verdacht, dass die Justizministerin selbst, politische „Gewährsleute“ aus ihrem Kabinett oder sonstige Ministeriumsmitarbeiter das gegenständliche Schreiben an den ÖVP-Parlamentsklub weiterleiteten bzw. der ÖVP-Abgeordnete Singer die Justizministerin oder unbekannte Täter dazu veranlasste, ihm dieses Schreiben in Kopie auszuhändigen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach dem geltenden ÖVP-Klubstatut nicht nur sämtliche ÖVP-Nationalratsabgeordnete und ÖVP-Mitglieder des Bundesrates und des Europäischen Parlamentes Mitglieder des ÖVP-Parlamentsklubs sind, sondern auch alle ÖVP-Regierungsmitglieder. Alles in allem besteht insbesondere der Verdacht von strafrechtlich relevanten Verstößen gegen die §§ 118, 310 (iVm. § 12) StGB. Offensichtlich ist, dass der Anfragesteller durch das geschilderte Geschehen in seinen Rechten, insbesondere hinsichtlich seiner Rechte auf Wahrung der Amtsverschwiegenheit und des Briefgeheimnisses, verletzt wurde.
Folgerichtig hat der Anfragesteller am 27. Oktober 2011 bei der Staatsanwaltschaft Wien angeregt, gegen die Verdächtigen Strafverfahren einzuleiten.
Bis dato ist weder dem Anfragesteller noch der medialen Öffentlichkeit bekannt, welche Maßnahmen die Staatsanwaltschaft Wien getroffen hat. Einmal mehr scheint die ÖVP überführt, wie sie den Justizapparat für parteipolitische Zwecke missbraucht.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen in diesem Zusammenhang an die Bundesministerin für Justiz folgende
Anfrage: