11701/J XXIV. GP

Eingelangt am 16.05.2012
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Kickl

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

betreffend Langzeitarbeitslosigkeit versus Langzeitbeschäftigungslosigkeit

 

 

Unter dem Link http://science.orf.at/stories/1697988/ findet sich folgender Artikel vom 30.04.2012:

„Arbeitslosigkeit abseits der Statistik

[…]

Euphemismus "Arbeitsmarktferne"

Die Festlegung der Zielgruppe ist das nächste Politikum. Wer meint, der Begriff "arbeitslos" sei selbsterklärend, irrt. So haben Langzeitarbeitslose mit langzeitbeschäftigungslosen Menschen gemeinsam, bereits länger als zwölf Monate keiner unselbstständigen Erwerbsarbeit nachgegangen zu sein. Was die beiden Gruppen unterscheidet, ist, dass Langzeitbeschäftigungslose in diesem Jahr an einer AMS-Maßnahme von mindestens 28 Tagen teilgenommen haben.

Wer Schlagzeilen liest wie "Langzeitarbeitslosigkeit um Hälfte gesunken", sollte weder euphorisch noch gutgläubig sein: Es handelt sich um keine "geschönten" Zahlen, vielmehr wurde bereits bei der Definition von längerer Arbeitslosigkeit der Weichzeichner angesetzt. Im März 2012 wurde von einem Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit in Österreich auf 4.791 Personen berichtet; die 73.716 Langzeitbeschäftigungslosen jedoch blieben unerwähnt.

Seit 2012 bereichert der Ausdruck der "Arbeitsmarktferne" den arbeitsmarktpolitischen Begriffsapparat. Wer in den letzten zwölf Monaten höchstens zwei Monate angemeldet beschäftigt und zusätzlich vier Monate beim AMS gemeldet war, gilt als arbeitsmarktfern. Arbeitsmarktferne Personen stehen nun im Fokus arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen; aufgrund gleichbleibender Ressourcen besteht die Tendenz, eine zielgruppengerechte Arbeitsmarktpolitik zu verwässern.

[…]

"Weiterbildung" floriert

Auch wissenschaftlich sind die destruktiven Auswirkungen von Langzeitarbeitslosigkeit seit über 80 Jahren bekannt. In ihrer epochalen Studie "Die Arbeitslosen von Marienthal" sprechen Lazarasfeld/Jahoda/Zeisel von einer "müden Gesellschaft": Menschen, die lange Zeit arbeitslos sind, gehen selten wählen, nehmen weniger am gesellschaftlichen Leben teil und sind öfter krank.

Im modernen Soziologendeutsch spricht man von multifaktoriellen Problemlagen, gemeint sind Verschuldung, Gesundheitsprobleme, prekäre Wohnungssituation, Suchtproblematik. Diese "Vermittlungshemmnisse" aus dem Weg zu räumen ist bei einem Beratungsgespräch von durchschnittlich zwölf Minuten selbst bei motiviertester AMS-Betreuung praktisch unmöglich.

[…]

Aufstiegsleiter in den ersten Arbeitsmarkt …

In den 1980er Jahren entdeckte man in den sozialökonomischen Betrieben ein Sprungbrett für Langzeitarbeitslose zurück in den regulären Arbeitsmarkt. Es sind gemeinnützige Einrichtungen, die geförderte befristete Beschäftigungsverhältnisse bieten und durch den Verkauf von Waren oder Dienstleistungen Erlöse erwirtschaften; wie z. B. Carla, das Secondhand-Geschäft der Caritas, der Würfel und die Trashdesign-Manufaktur gabarage.

Die von öffentlicher Hand geförderten Betriebe arbeiten in den Branchen Gastronomie, Handel, Handwerk, Reparatur-, Recycling- sowie Besuchs- und Reinigungsdienste oder vermitteln geförderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Personalüberlassung in alle Branchen.

Die Beschäftigten erhalten sozialarbeiterische Unterstützung, um persönliche oder familiäre Problemstellungen nachhaltig zu lösen; sie bleiben meist ein halbes Jahr im Betrieb und werden persönlich bei der Arbeitsplatzsuche unterstützt. Eigens ausgebildetes Arbeitsanleitungspersonal unterstützt die Beschäftigten bei im Arbeitsprozess auftretenden Schwierigkeiten.

… sozialökonomische Betriebe

Zwei Drittel der Menschen, die in einem sozialökonomischen Betrieb arbeiten, haben lediglich einen Pflichtschulabschluss. Wird berücksichtigt, dass jede/r dritte/r Pflichtschulabsolvent/in als funktionaler Analphabet gilt, also nicht sinnerfassend lesen kann, gehört Qualifizierung "on the job" zum wichtigsten Vorteil dieser Betriebe.

Im Vergleich zu anderen Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik gelten Beschäftigungsinitiativen als teuer. Dennoch ist es ein Aufwand, der sich gesamtgesellschaftlich "rechnet": 40 Prozent der Beschäftigten sind nachhaltig beschäftigt und verdienen innerhalb von drei Jahren um 6.000 Euro mehr als jene, die in keinem sozialökonomischen Betrieb gearbeitet haben.

Der Großteil der Betroffenen - 87 Prozent - beurteilt ihre Mitarbeit in einem Beschäftigungsprojekt durchwegs positiv. Wobei neben der fachlichen Qualifizierung gerade soziale Kompetenzen geschätzt werden wie die Stärkung des Selbstwertgefühls.

[…]“

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Herrn Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz nachstehende

 

ANFRAGE

 

1.    Wie definieren Sie bzw. Ihr Ressort den Begriff „Langzeitarbeitslosigkeit?

2.    Wie definieren Sie bzw. Ihr Ressort den Begriff „Langzeitbeschäftigungslosigkeit?

3.    Wie definieren Sie bzw. Ihr Ressort den Begriff „Arbeitsmarktferne“?

4.    Wie ist die Entwicklung der langzeitarbeitslosen Menschen in Österreich verlaufen? (Bitte um Aufgliederung nach Monaten seit dem Jahr 2000)

5.    Wie ist die Entwicklung der langzeitbeschäftigungslosen Menschen in Österreich verlaufen? (Bitte um Aufgliederung nach Monaten seit dem Jahr 2000)

6.    Wie ist die Entwicklung der arbeitsmarktfernen Menschen in Österreich verlaufen? (Bitte um Aufgliederung nach Monaten seit dem Jahr 2000)

7.    Welche Maßnahmen haben Sie bzw. Ihr Ressort gesetzt, um langzeitarbeitslose Menschen in Österreich zu fördern? (Bitte um Aufzählung der einzelnen Maßnahmen und Zeitpunkt seit dem Jahr 2008)

8.    Welche Maßnahmen haben Sie bzw. Ihr Ressort gesetzt, um langzeitbeschäftigungslose Menschen in Österreich zu fördern? (Bitte um Aufzählung der einzelnen Maßnahmen und Zeitpunkt seit dem Jahr 2008)

9.    Welche Maßnahmen haben Sie bzw. Ihr Ressort gesetzt, um arbeitsmarktferne Menschen in Österreich zu fördern? (Bitte um Aufzählung der einzelnen Maßnahmen und Zeitpunkt seit dem Jahr 2008)

10. Welche Maßnahmen setzen Sie bzw. haben Sie gesetzt, um den arbeitslosen Menschen eine bessere bzw. längere AMS-Gesprächsbetreuung zu ermöglichen?

11. Wie viele sozialökonomische Betriebe – wie oben beschrieben – werden von öffentlicher Hand gefördert, um langzeitarbeitslosen und langzeitbeschäftigungslosen Menschen ein Sprungbrett in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen? (Bitte um Auflistung der Betriebe nach Bundesländern und Förderhöhe seit Beginn der Maßnahme)

12. Wie vielen langzeitarbeitslosen bzw. langzeitbeschäftigungslosen Menschen wurde in diesen sozialökonomischen Betrieben die Möglichkeit eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses geboten? (Bitte um Auflistung der Betriebe nach Bundesländern und Anzahl der Dienststellen seit Beginn der Maßnahme)

13. Ist die Angabe des Artikels korrekt, dass 40 Prozent der Beschäftigten dieser sozialökonomischen Betriebe nachhaltig in Beschäftigung bleiben?