11807/J XXIV. GP
Eingelangt am 06.06.2012
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Anfrage
der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend "Funktionale Ausschreibung" bei der ASFINAG und ihre potenziell dramatischen Kostenfolgen für StraßenbenutzerInnen und Allgemeinheit
Die offenbar zwecks Baudurchsetzung krass überhöht angesetzten Verkehrsprognosen für die A 5 werden deutlich verfehlt: Derzeit sind selbst im Nahbereich von Wien an Werktagen im Mittel nur knapp über 30.000 Kfz unterwegs, im Wien-ferneren Teil des derzeitigen Abschnitts bis Schrick sind es nur wenig mehr als 20.000 Kfz, bei Einbeziehung der Wochenenden nochmals deutlich weniger. Betreiber und Land NÖ wollen Zeitungsberichten zufolge (zB Kurier NÖ 24.5.2012) aktiv verkehrssteigernde Maßnahmen setzen. Dies widerspricht allen offiziellen verkehrspolitischen Zielen der Bundesregierung.
Die versprochenen Vorteile der PPP-Vorgangsweise im hochrangigen Straßenbau für die „Public“-Seite im PPP wurden wie absehbar gewesen und von allen Kritikern angekündigt beim entsprechend umgesetzten Projekt in der Ostregion auch sonst nicht erreicht.
Daraufhin präsentierte die ASFINAG nun kürzlich unter dem Titel „Innovative Wege bei der Ausschreibung von Bauleistungen“ ein neues Modell für künftige Straßenbauprojekte. Dieses soll bereits beim nächsten - trotz Nichterfüllung diverser BMVIT-eigener Evaluierungskriterien - zur Umsetzung vorgesehenen Abschnitt der A 5 (Nordautobahn) im Weinviertel/NÖ angewendet werden.
Konkret soll dies laut Unternehmensangabe folgendermaßen ablaufen:
„Mit dem Modell der Funktionalen Ausschreibung beschreitet die ASFINAG neue Wege bei der Abwicklung von Bauvorhaben. So soll die Detailplanung nicht durch die ASFINAG, sondern durch das ausführende Unternehmen erfolgen und gemeinsam mit den Herstellern von Baustoffen und Baumaterialien vermehrt neue Technologien eingesetzt werden. In weiterer Folge werden Aspekte der baulichen Erhaltung den errichtenden Unternehmen übertragen. Durch diese frühzeitige Bündelung von Know-how und der verstärkten Verantwortung des Auftragnehmers erwartet sich die ASFINAG Vorteile bei den Lebenszykluskosten und eine verbesserte Bestandsdauer von Neubaustrecken. Die Finanzierung verbleibt weitgehend bei der ASFINAG.
Im Rahmen der üblichen Bauvergabe wird eine Straße durch die ASFINAG geplant und für die Bauherstellung im Detail vorgegeben. Die im Rahmen einer Ausschreibung bestellte Baufirma errichtet das "Werk" und übergibt es an die ASFINAG. Auf diese Weise wurden über 2.000 km Autobahnen und Schnellstraßen in Österreich errichtet.
Mit dem Modell "PPP Ostregion" wurde die Beteiligung Privater in Österreich auch im hochrangigen Straßennetz begonnen und dabei internationalen Standards gefolgt. Dem Konzessionär wurden Finanzierung, Planung, Errichtung, bauliche und betriebliche Erhaltung für 30 Jahre übertragen. Für die ASFINAG fielen Ausgaben erst an, als der Bau abgeschlossen war und Mauteinnahmen lukriert wurden.
Die ASFINAG kann Fremdkapital anders als bei der Finanzierung durch Private zu besonders günstigen Konditionen aufnehmen. So verbleibt die Finanzierung künftig weitgehend bei der ASFINAG. Der gewichtige Vorteil der entsteht, wenn Baufirmen und innovative Produkthersteller bereits in der Detailplanung mitarbeiten und Lebenszykluskosten optimiert werden können, soll aber genutzt werden.
Dieses neue Beschaffungsmodell nennt sich "Funktionale Ausschreibung". Es wird erstmals bei der A 5 Nord Autobahn im Abschnitt Schrick bis Poysbrunn (Baubeginn 2013) angewendet und geht im April 2012 in die entscheidende Phase des Verhandlungsverfahrens - die an der Ausschreibung teilnehmenden Unternehmen sind nun zur Legung eines Angebotes eingeladen.
Die ASFINAG plant künftig auch weitere Strecken nach diesem Modell auszuschreiben. Für die bauliche Erhaltung soll für einen Zeitraum von 25 Jahren das ausführende Unternehmen zuständig sein. Damit wird unter anderem ein Anreiz geschaffen, mit hoher Qualität zu bauen. Der Betrieb dieses Abschnittes soll zum größten Teil im Verantwortungsbereich der ASFINAG verbleiben - die Beauftragung von notwendigen Einzelleistungen, wie Mäharbeiten, Winterdienst etc. wird gesondert erfolgen.
Dies klingt nun zunächst sehr positiv und so, als würde künftig das Beste aus zwei bisher ausgetesteten Straßenbau- und Finanzierungs-Welten kombiniert.
Allerdings erscheint dieses Modell nur auf den ersten Blick für die ASFINAG „optimal“ bzw. günstiger. Langfristig droht dieses Modell die StraßenbenutzerInnen und in der Folge auch den Staat, der von entgangenen ASFINAG-Gewinnen durch fehlende Möglichkeiten für Dividendenzahlungen und Haftungen betroffen wäre, wesentlich teurer zu kommen:
Denn die beteiligten Ausführungs-Unternehmen werden unter diesen Rahmenbedingungen so planen (lassen), dass die entsprechende Straße möglichst punktgenau so lange hält wie die Gewährleistungsfrist der Firmen läuft. Wenn diese Frist abläuft, ist der Abschnitt dem Verfall nahe und muss somit aufwendigst grundsaniert bzw. de facto ein weiteres Mal neu gebaut werden. Nach Einschätzung von Straßenbau-ExpertInnen könnten sich dadurch die Gesamtkosten eines so umgesetzten Projekts über die Zeit auf das bis zu Dreifache (!) erhöhen.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Welche Konsequenzen werden Sie aus der deutlichen Unterschreitung der Prognosewerte durch die reale Verkehrsfrequenz im bereits fertiggestellten Abschnitt der A 5 Nordautobahn ziehen?
2) Werden Sie insbesondere den vorgesehenen, in ähnlicher Weise durch überhöhte, praxisferne Prognosen „herbeigerechneten“ Bau der Folgeabschnitte angesichts der realen Verkehrszahlen neu überdenken? Wenn nein warum nicht?
3) Was unternehmen Sie gegen die Aktivitäten von A 5-Betreiber und Land NÖ zur künstlichen Steigerung der Verkehrszahlen auf der A 5, die im Widerspruch zu Ihren verkehrspolitischen Zielen (wie „Verlagerung auf die Schiene“, Reduktion der Klimabelastung durch den Verkehr) steht und im Personen-/Pendlerverkehr die mit öffentlichen Geldern bestellten Züge auf der mit öffentlichen Geldern ausgebauten Strecke Laa/Thaya-Wien direkt konkurrenziert?
4) Wie werden Sie die durch die Pläne der ASFINAG für sog. „funktionale Ausschreibungen“ für Bau und Erhaltung von hochrangigen Straßenbauprojekten über die Zeit drohende Kosten-Vervielfachung verhindern?
5) Welche Schritte haben Sie bzw Ihre VertreterInnen im ASFINAG-Aufsichtsrat konkret wann gesetzt, um dieses große Risiko auszuschalten?
6) Falls Sie die diesbezüglichen Bedenken von StraßenbauexpertInnen – Straßenbauunternehmen werden ihnen zur Aufwands- und damit Kostenminimierung eingeräumte Spielräume ggf auch auf Kosten des Auftraggebers und der Haltbarkeit der errichteten Straßenabschnitte „optimieren“ - nicht teilen sollten: Auf welcher Grundlage kommen Sie bzw. Ihre ExpertInnen zu dieser abweichenden Einschätzung?