11808/J XXIV. GP
Eingelangt am 06.06.2012
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Anfrage
der Abgeordneten Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung
betreffend Umsetzung der Tierversuchsrichtlinie und Meldung strengerer nationaler Maßnahmen
Nach langen Verhandlungen ist die EU-Tierversuchsrichtlinie im November 2010 in Kraft getreten. Die Inhalte der neuen Richtlinie zur Nutzung von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken bleiben leider weit hinter den Erwartungen zurück:
Am gravierendsten scheint allerdings, dass es den Mitgliedstaaten künftig nicht mehr möglich sein wird, strengere nationale Regelungen zu erlassen.
Die Richtlinie muss nun bis Ende 2012 in nationales Recht umgesetzt werden, bietet aber nationale Spielräume.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Haben Sie für die nationale Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie Kontakt mit VertreterInnen der Tierschutzorganisationen aufgenommen?
a. Wenn ja, mit welchen?
b. Wenn nein, warum nicht?
2) Haben Sie andere Ministerien wegen der nationalen Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie konsultiert?
a. Wenn ja, welche? Und welche Stellungnahmen wurden von diesen abgegeben?
3) Ist für die nationale Umsetzung ein Stakeholderprozess oder eine andere Form der Beteiligung von relevanten Gruppen für die nationale Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie geplant?
a. Wenn ja, wie ist der diesbezügliche Zeitplan?
4) Laut der EU-Richtlinie Art. 2 Absatz 1 können „die Mitgliedstaaten unter Einhaltung der allgemeinen Bestimmungen des AEUV am 9. November 2010 geltende Vorschriften aufrecht erhalten, die die Gewährleistung eines umfassenden Schutzes der unter diese Richtlinie fallenden Tiere zum Ziel haben, als die in dieser Richtlinie festgelegten Bestimmungen“. Welche diesbezüglichen Vorschriften werden Sie der Kommission bis zum 1. Januar 2013 mitteilen?
5) Werden Sie das LD-50 Verbot, das in Österreich seit 1992 gilt, als strengere geltende Vorschrift beibehalten?
6) In der Richtlinie sind Kontrollen der Versuchslabore alle 3 Jahre und nicht zwingend unangemeldet vorgesehen. Werden Sie die strengere Regelung, dass laut §12 TVG in Österreich jedes Versuchslabor jährlich einmal unangemeldet kontrolliert werden muss, beibehalten?
7) Nach Art. 8 Abs. 3 RL muss der Mitgliedstaat das grundsätzliche Verbot von Tierversuchen an Menschenaffen gewährleisten, während er nach Art. 55 Abs. 2 Satz 1 RL Ausnahmen von diesem Verbot vorsehen kann. Die Schutzklausel räumt den Mitgliedstaaten lediglich die Möglichkeit ein, Ausnahmen vom Verbot vorzusehen und zu genehmigen. Der Wortlaut des Art. 55 Abs. 2 Satz 1 RL weist auf eine Ermächtigung, nicht Pflicht der Mitgliedstaaten hin, das von der Richtlinie als absolut vorgesehene Verbot von Menschenaffenversuchen unter bestimmten Voraussetzungen zu relativieren.
Werden Sie das absolute Verbot von Menschenaffenversuchen in Österreich beibehalten?
8) Grundsätzlich gilt nach Art. 8 Abs. 1 und 2 für nichtmenschliche Primaten, dass sie in Verfahren nicht verwendet werden dürfen. Von diesem Grundsatz sieht die Richtlinie in Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 jedoch weitreichende Ausnahmen vor. Innerhalb dieses Ausnahmebereichs sind Primatenversuche unter strengeren Voraussetzungen zulässig. Die Schutzklausel in Art. 55 Abs. 1 sieht diesbezüglich einen Umsetzungsspielraum vor, sodass über Art. 8 Abs. 1 hinaus Primatenversuche zugelassen werden können oder nicht. In welcher Weise schlagen Sie vor, den Spielraum zu nutzen? Sollen in Österreich über Art. 8 Abs. 1 hinausgehend Primatenversuche zugelassen werden oder nicht?
9) Wird der Tierversuchsantrag aufgrund der EU-Richtlinie verändert werden?
a. Wenn ja, wie (bitte um genaue Aufschlüsselung)?
10) Wird es für die Benennung der Bedeutung und Rechtfertigung für die Verwendung von Tieren, insbesondere der in Art. 38 Abs. 2 f genannten Schaden-Nutzen-Analyse unter Berücksichtigung ethischer Erwägungen einen Kriterienkatalog für eben diese ethischen Erwägungen geben?
a. Wenn ja, durch wen wird dieser erstellt? Wer wird in diese Erstellung eingebunden?
11) In der Richtlinie wird durch Artikel 19 die Freilassung oder private Unterbringung von Tieren, die in Verfahren verwendet werden oder verwendet werden sollen ermöglicht. Wollen Sie dies umsetzen?
a. Wenn ja, wird das Ministerium Programme und Fördermittel bereitstellen, um Tiere, die in Verfahren verwendet werden oder verwendet werden sollen, frei zu lassen oder privat unterzubringen?
12) Die Richtlinie legt in den Erwägungsgründen fest: Der Einsatz von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken oder zu Bildungszwecken sollte deshalb nur dann erwogen werden, wenn es keine tierversuchsfreie Alternative gibt. Welche Programme oder Projekte zur Entwicklung von tierversuchsfreien Alternativen wurden in den vergangenen fünf Jahren durch das Ministerium initiiert oder gefördert? In welcher Höhe wurden diese ggf. gefördert? Wie viel Mittel planen Sie im kommenden Jahr für die Entwicklung von tierversuchsfreien Alternativen zur Verfügung zu stellen?
13) In Art. 38 Abs. 3 der Richtlinie wird ausgeführt, dass die Behörde für die Projektbeurteilung auf darin definiertes Fachwissen zurückgreift. Wie wollen Sie sicherstellen, dass auch die Expertise von unabhängigen Tierschutzorganisationen genutzt wird?
14) Werden Sie in das neue TVG aufnehmen, dass es eine ethische Prüfung aller Anträge auf Tierversuche geben muss?
a. Wenn ja, werden für diese ethische Prüfung EthikerInnen in die Fachkommission zur Prüfung aufgenommen werden?
15) Damit eine etwaige Ablehnung eines Tierversuches aus ethischen Gründen nicht durch das Argument des Einschnittes in die gesetzlich verbürgte Forschungsfreiheit ausgehebelt wird, sollte Tierschutz als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen werden. Werden Sie vom Parlament fordern, Tierschutz in die Verfassung aufzunehmen?
16) In Art. 43 Absatz 3 der RL wird festgelegt: „Die Mitgliedstaaten veröffentlichen die nichttechnischen Projektzusammenfassungen genehmigter Projekte und deren Aktualisierungen.“ Welche Fristen schlagen Sie für die Veröffentlichung vor?