12504/J XXIV. GP

Eingelangt am 11.07.2012
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Anfrage

 

 

der Abgeordneten Eva Glawischnig-Piesczek, Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Finanzen

betreffend Belo Monte – österreichische Förderung für naturzerstörendes Österreichisches Unternehmen

BEGRÜNDUNG

 

Schlagzeilen als eines der sozial- und umweltschädlichsten Projekte weltweit machte in den letzten Wochen und Monaten der Bau eines gigantischen Staudamms in Belo Monte, einem bisher unberührten Gebiet im brasilianischen Amazonas. Mit einer Leistungskapazität von 11.233 Megawatt soll Belo Monte zum drittgrößten Wasserkraftwerk der Welt werden. Laut amtlichen Angaben wird eine Fläche von 500 Quadratkilometern geflutet, 20.000 Menschen müssten zwangsumgesiedelt werden. Durch die Stauung des Flusses werden noch viele weitere indigene Völker gegen ihren Willen ihrer Existenzgrundlage beraubt.

 

Darüber hinaus wird die Region „Volta Grande“ (Große Schlinge) des Xingu durch den Bau des Kraftwerks praktisch trocken gelegt - ca. 80 % des Wassers wird abgeleitet werden. „Belo Monte“ wird auf einer Strecke von hundert Kilometern Wasserfälle, Stromschnellen und natürliche Flussläufe zerstören und verändern. Die Nebenflüsse des Xingu werden austrocknen und die Menschen, die vom Fischfang und von klein strukturierter Landwirtschaft leben, werden ihre Lebensgrundlage verlieren. Die Fischbestände würden drastisch reduziert, einige Arten werden höchst-wahrscheinlich aussterben. Die lokale Bevölkerung deckt derzeit 70 % ihres Proteinbedarfs mit Fisch und anderen Flusstieren. Der Xingu ist derzeit einer der Flüsse mit dem größten Fisch-Artenreichtum weltweit. Er bietet drei- bis viermal so vielen Arten einen Lebensraum wie ganz Europa zusammen.


Durch den gefallenen Wasserpegel werden v.a. in den Trockenmonaten die Wasserwege nach Altamira unterbrochen. Indigene Gemeinschaften werden die Stadt nicht mehr erreichen können, um Produkte zu kaufen oder verkaufen. Oberhalb des Kraftwerks besteht die Gefahr, dass der steigende Grundwasserspiegel die Quellen verunreinigt und so die Wasserversorgung von Altamira gefährdet wird - unterhalb wird der Spiegel sinken, was negative Effekte für die landwirtschaftliche Produktion mit sich bringt.

 

Gegen die massiven Umweltzerstörungen und gravierenden Menschenrechtsverletzungen protestieren indigene Gruppen genauso wie internationale Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen sowie Kirchenvertreter, darunter der mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnete österreichische Bischoff Erwin Kräutler.

 

Die österreichische Firma Andritz AG wird, wie schon beim Megastaudamm im türkischen Ilisu, über ihr Tochterunternehmen Andritz HYDRO Turbinen und Kraftwerkstechnik für das Kraftwerksprojekt bereitstellen. Mit über 300 Millionen Euro ist Andritz einer der wichtigsten Projektteilnehmerinnen in Belo Monte.

 

Für ihre Beteiligung am Projekt Belo Monte hat die Andritz AG keinen Antrag auf Ausfuhrförderung gestellt. Die Republik Österreich übernimmt jedoch im Rahmen der Ausfuhrförderung seit Jahren immer wieder Bundeshaftungen für Exportgeschäfte der Andritz Gruppe, insbesondere der Andritz HYDRO GmbH und der Andritz AG. Lediglich im ersten Quartal 2012 wurden über die OeKB Garantien in einer Mindesthöhe von je mehr als 10 Millionen Euro für die Lieferung einer Glüh- und Beizanlage nach Malaysien, einer Schubbeize und Mischsäureregenerationsanlage nach China, und von elektromechanischer Ausrüstung für zwei Wasserkraftwerke in die Türkei von Andritz übernommen. Jedes dieser Projekte wird von der OECD als Projekt mit möglichen erheblichen ökologischen Auswirkungen eingestuft. 2011 erhielt Andritz laut Unterlagen, die dem Parlament vorliegen, Ausfuhrförderung für mindestens 5 weitere  Großprojekte mit potentiell signifikanten negativen Umweltauswirkungen.

 

Die politische Verantwortung für die Übernahme von diesen Exportgarantien, durch die Andritz gefördert wird, liegt beim Ministerium für Finanzen. Ohne diese Garantien für ihre anderen Exportgeschäfte wäre es Andritz kaum möglich, sich ohne Risikoabsicherung am Belo Monte Staudammprojekt zu beteiligen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Sind Ihnen die zu erwartenden Menschenrechtsverletzungen und Naturzerstörung im Zuge der Errichtung des Belo Monte Staudammes bekannt?

2)    Ist Ihnen bekannt, dass die Firma Andritz an dem Belo Monte Projekt beteiligt ist?

3)    Haben Sie sich bei der Firma Andritz für eine Beendigung ihrer Beteiligung am Belo Monte Projekt eingesetzt?

4)    Wenn nein, warum nicht?


5)    Wenn ja, was konkret haben Sie getan?

6)    Für welche Projekte der Andritz-Gruppe wurden seit 01.01.2008 bis einschließlich heute (06.07.2012) Haftungen im Rahmen des Ausfuhrförderungsgesetzes übernommen?

7)    In welcher Höhe wurden (insgesamt und nach Projekten aufgeschlüsselt) seit 01.01.2008 bis einschließlich heute (06.07.2012) Haftungen im Rahmen des Ausfuhrförderungsgesetzes übernommen?

8)    Welche der Projekte der Andritz Gruppe, für die seit 01.01.2008 bis einschließlich heute (06.07.2012) Haftungen im Rahmen des Ausfuhrförderungsgesetzes übernommen wurden, sind laut OECD Common Approaches und des OeKB Umweltprüfverfahrens als Projekte der Umweltkategorie A einzustufen?

9)    Welche der Projekte der Andritz Gruppe, für die seit 01.01.2008 bis einschließlich heute (06.07.2012) Haftungen im Rahmen des Ausfuhrförderungsgesetzes übernommen wurden, sind laut OECD Common Approaches und des OeKB Umweltprüfverfahrens als Projekte der Umweltkategorie B einzustufen?

10) Liegen derzeit (mit Stichtag 06.07.2012) Anträge der Andritz-Gruppe auf Übernahme einer Bundeshaftung der OeKB bzw. dem Ausfuhrförderungs-Beirat vor? Wenn ja, um welche Anträge in welcher Höhe handelt es sich?

11) Auf der Webseite der OeKB heißt es: „Die Vergabe von öffentlich unterstützten Exportkrediten soll verantwortungsbewusst erfolgen und zur nachhaltigen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung des Abnehmerlandes beitragen.“ Wird bei der jeweiligen Entscheidung, einen Exportkredit zu vergeben, nur das isolierte Einzelprojekt betrachtet oder wird auch das Gesamtprofil des Exporteurs auf seine Auswirkungen auf nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung der Abnehmerländer geprüft und in die Entscheidung miteinbezogen?

12) Wenn nicht, können Sie sich vorstellen, die Bedingungen für die Übernahme von Haftungen dahin gehend anzupassen, dass das Gesamtprofil eines Exporteurs in Hinblick auf Kriterien der nachhaltigen Entwicklung Berücksichtigung findet?

13) Bei der Vergabe von Haftungen muss ein Projekt das Österreichische Umweltprüfverfahren bestehen. Dazu heißt es auf der Webseite der OeKB: „Der Begriff "Umwelt" gilt als umfassend verwendet und schließt ökologische Aspekte und soziale Themen mit ein. Dazu gehören beispielsweise der Schutz von Kulturgütern, die Berücksichtigung von unfreiwilligen Umsiedlungen und die Auswirkungen auf indigene Völker (Urvölker).“ Wird bei der jeweiligen Entscheidung, eine Haftung zu übernehmen, nur das isolierte Einzelprojekt betrachtet oder wird auch das Gesamtprofil des Exporteurs im Umweltprüfverfahren berücksichtigt und in die Entscheidung miteinbezogen?

14) Wenn nicht, können Sie sich vorstellen, die Bedingungen für die Übernahme von Haftungen dahin gehend anzupassen, dass das Gesamtprofil eines Exporteurs in Hinblick auf das Umweltprüfverfahren Berücksichtigung findet?

15) Wie würde sich die Einbeziehung der Gesamtaktivitäten eines Exporteurs im Falle der Andritz-Gruppe auf die weitere Übernahme von Haftungen im Rahmen des Ausfuhrförderungsgesetzes auswirken?

16) Werden Sie trotz der Beteiligung am Belo-Monte Projekt weiterhin Haftungen im Rahmen des Ausfuhrförderungsgesetzes für die Andritz-Gruppe übernehmen?