12536/J XXIV. GP

Eingelangt am 16.07.2012
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Anfrage

 

 

der Abgeordneten Albert Steinhauser, Harald Walser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport

betreffend Traditionspflege österreichischer Gebirgsjäger

BEGRÜNDUNG

 

Am 27. Juni 2012 besuchten Sie die Khevenhüller-Kaserne und das dort kasernierte Jägerbataillon 25. Es ist geplant, dort in Zukunft keine Grundwehrdiener mehr zu kasernieren, sondern ausschließlich Zeit- und Berufssoldaten. Das Jägerbataillon 25 ist eines der bereits im Jänner 2012 vorgestellten Pilotprojekte für ein „neues“ Bundesheer.

Wolfgang Ischinger, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, zählt in einem aktuellen Artikel (Die Zeit, Nr.4/2012) drei Hauptaufgaben für ein gemeinsames europäisches Militär auf, nämlich die „gemeinsame Rüstungsproduktion“, die „gemeinsame Ausbildung“ und die „Spezialisierung“: Während Österreich bei den ersten beiden Punkten aufgrund seiner geringen Größe keine Rolle spielen kann, käme Österreich Ischinger zufolge die Aufgabe zu, sich auf Gebirgsjäger zu spezialisieren: „Die Dänen konzentrieren sich auf die Marine, die Österreicher auf die Gebirgsjäger.“

Auch wenn dies nur eine Einzelmeinung ist, deutet sie auf einen Trend hin. Im österreichischen Bundesheer lassen sich zahlreiche Anzeichen und Vorarbeiten in Richtung Spezialisierung ausmachen. Die Frage nach deren grundsätzlicher Sinnhaftigkeit (und gar Zulässigkeit) ist Gegenstand zahlreicher wehrpolitischer, sicherheitspolitischer und auch verfassungsrechtlicher Debatten. Wie auch immer man zu dieser Konzentration auf einige wenige vermeintliche Kernkompetenzen steht – es stellt sich jedenfalls die Frage, wie es um die Traditionspflege dieser spezialisierten Verbände bestellt ist.


Vorfälle mit rechtsextreme Vorfälle im Bundesheer ereignen sich nicht selten  im Umfeld von Gebirgsjäger-Verbänden, sowohl im In- wie auch Ausland. Und immer wenn man davon liest, dass die Khevenhüller-Kaserne nur mehr von Elite-Einheiten genutzt werden soll, drängt sich das Faktum in den Vordergrund, dass der Gebäudekomplex von KZ-Häftlingen erbaut und bis 1945 von der SS genutzt wurde.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Stimmen Sie den Aussagen des Leiters der Münchner Sicherheitskonferenz zur Zukunft des österreichischen Bundesheeres in einer europäischen oder europäisierten Armee zu, insbesondere was die Gebirgsjäger betrifft?

2)    Wenn ja: Auf welche weiteren Spezialisierungsmodule neben der Gebirgsjägerausbildung wird das österreichische Bundesheer setzen? Bitte diese auszuführen.

 

3)    Der Presseinformation „Darabos, Entacher und Höfler präsentieren Pilotprojekte“ vom 23. Jänner 2012 ist zu entnehmen, dass das Jägerbataillon 25, der neue Musterverband, befähigt sein soll, „jegliche Art von In- und Auslandseinsätzen erfolgreich zu bewältigen“. Wie sieht das genaue Aufgabenprofil für Inlandseinsätze des Jägerbataillons 25 als „Musterverband“ und aller weiterer in dieser Art aufgestellter (Gebirgs-)Jägereinheiten aus?

4)    Wie sieht das genaue Aufgabenprofil für Auslandseinsätze des Jägerbataillons 25 als „Musterverband“ und aller weiterer in dieser Art aufgestellter (Gebirgs‑)Jägereinheiten aus?

5)    In dieser Presseinformation wird der Einsatz des Jägerbataillons 25 „bei den Unruhen im Kosovo“ exemplarisch angeführt. Sollen die Spezialkompetenzen des Jägerbataillons 25 vor allem dahingehend ausgebaut werden, um bei „Unruhen“ im Ausland zum Einsatz zu kommen?

6)    Ist es Ihr Ziel, die Gebirgsjägerausbildung generell so zu gestalten, dass österreichische SoldatInnen im europäischen oder internationalen Bereich zur Unruhebekämpfung eingesetzt werden können?

7)    Der Musterverband Jägerbataillon 25 erfüllt laut Presseinformation als einziger „Luftlandeverband des Bundesheeres vielseitige Aufgaben im In- und Ausland“. Welche vielseitigen Aufgaben im Inland sind damit gemeint? Bitte diese auszuführen.

8)    Welche vielseitigen Aufgaben im Ausland sind damit gemeint? Bitte diese auszuführen.

 

9)    In den letzten Jahren kam es immer wieder zu Verfahren nach dem Verbotsgesetz gegen Bundesheerangehörige jeglichen Ranges. Gebirgsjäger im Auslandseinsatz waren, so hat es den Anschein, besonders oft betroffen. Führt Ihr Ministerium eine nach Einheiten gegliederte Rechtsextremismus-Statistik?


10) Wenn ja: In welchen Einheiten sind die meisten rechtsextremen Vorfälle zu verzeichnen?

11) Wenn ja: Welche Stelle führt diese Statistik?

12) Wenn nein: Warum wird keine solche Statistik geführt?

 

13) Der Musterverband Jägerbataillon 25 betreibt eine merkwürdige und nicht sachlich nachvollziehbare Traditionspflege. Eigentlich hat das Bataillon die Schlacht von Peterwardein 1716 als Traditionstag. Dennoch nimmt es in seiner Verbandszeitschrift und seiner Festschrift zum 50. Jubiläum der Aufstellung positiv auf einen Verband der Wehrmacht Bezug: das Gebirgsjägerregiment 139, „legendär geworden durch das Narvik-Unternehmen 1940“. Auch wenn in der entsprechenden Festschrift eine „Traditionspflege“ zu dieser Einheit als „allerdings explizit ausgeschlossen“ angeführt ist, wird durch die obige Formulierung ein positiver Bezug hergestellt. „Legendär geworden“ ist der Überfall auf Narvik aber vor allem durch die Propaganda des Dritten Reiches: Nach dem Überfall auf Polen war dies der zweite große militärische Erfolg der Wehrmacht. Nicht zuletzt ergibt sich auch auf persönlicher/personeller Ebene eine Traditionslinie vom Jägerbataillon 25 zum Gebirgsjägerregiment 139 da mehrere Angehörige des Gebirgsjägerregiments 139 wurden in die 1956 aufgestellten Bundesheer-Einheiten übernommen wurden, diese aufbauten und ausbildeten. Sieht sich das Jägerbataillon 25 tatsächlich in Tradition zum Gebirgsjägerregiment 139?

14) Inwiefern war der Überfall auf das neutrale Norwegen im Jahr 1940 „legendär“ – wie in dieser Publikation des Bundesheeres dargestellt?

15) Anton Holzinger war Bataillonsführer im Gebirgsjägerregiment 139. Später wurde er der erste Militärkommandant Kärntens, 1956 Kommandant der 7. Jägerbrigade, dem das Jägerbataillon 25 untersteht. Auch er war der Meinung, der Überfall auf Norwegen sei „eines der kühnsten Unternehmen der Kriegsgeschichte“ gewesen, außerdem: „Heute tragen wieder Söhne des Landes Kärnten als Soldaten der 7.Gebirgsbrigade den grauen Rock. Sie werden, stolz auf ihre Väter, (…) das Erbe, die Tradition und das Vermächtnis der Gefallenen würdig bewahren.“ Wird sich das Jägerbataillon 25 dieser zweifelhaften Tradition weiterhin würdig erweisen oder werden Schritte gesetzt, diese Bezugnahme zu unterbinden?

16) Welche Außenwirkung erzeugt ein militärischer Verband, der sich positiv auf den Überfall auf das neutrale Norwegen 1940 bezieht und in Hinkunft vor allem Auslandseinsätze unter europäischem und UN-Mandat durchführen soll?

17) 2014 soll der Musterverband Jägerbataillon 25 fertig aufgestellt sein, 2015 jährt sich die Niederwerfung des Nationalsozialismus zum 70. Mal. Haben Sie vor, anlässlich dieses Jubiläums die Geschichte der Khevenhüller-Kaserne als Außenlager des KZ Mauthausen und Ausbildungs- und Aufstellungsort mehrerer SS-Einheiten sowie die Geschichte der verschiedenen hier stationierten Verbände in zeitgemäßer Form wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen?


18) Sie haben Ende Juni 2012 bei einem Besuch in der Kaserne angekündigt, in der Kaserne würden zukünftig keine Grundwehrdiener mehr Dienst versehen, sondern nur noch ausgewählte Elitetruppen, zusammengestellt aus Kader-, Berufs- und Zeitsoldaten. Auch in der Zeitschrift des Verbandes wurde die Umstellung freudig begrüßt: „Wir haben die Chance, den Luftlandeverband als Elitebataillon aufzustellen“ (Ausgabe 01/2012). Werden Sie dafür Sorge tragen, dass die zukünftigen ElitesoldatInnen sich in geeigneter Weise mit der Verbands- und Kasernengeschichte auseinandersetzen und insbesondere jegliche Bezugnahme auf die Waffen-SS unterlassen?

19) Im Ehrenhain des Ulrichsbergs, nur wenige Kilometer von der Khevenhüller-Kaserne entfernt, hängen Gedenktafeln für das Gebirgsjägerregiment 139 neben mehreren Gedenktafeln für das Österreichiche Bundesheer. Die Gedenktafeln tragen das Hoheitszeichen des ÖBH, dessen Nutzung nur in speziellen Fällen erlaubt werden kann. Seit Jahren bleibt Ihre Ankündigung unerfüllt, diese Bundesheer-Tafeln abzuhängen. Warum?

20) Auch die Vorgängerverbände des ersten Bundesheeres und der k.u.k. Armee haben ihre Gedenktafeln am Ulrichsberg. Es befinden sich dort also Gedenktafeln zu jedem militärischen Verband des 20.Jahrhunderts: k.u.k. Armee, erstes Bundesheer, Wehrmachtsverband, B-Gendarmerie-Verband, Bundesheer-Verband. Ist die Gedenkstätte am Ulrichsberg die Gefallenengedenkstätte für die Jäger in der Khevenhüller-Kaserne?

21) Bis zum Verbot 2009 nahm das Jägerbataillon 25 an den jährlichen Gedenkfeiern am Ulrichsberg teil. In der Festrede 2007 wurde etwa auch unterstrichen, dass es eine „ganz besondere Verbundenheit“ der Ulrichsberggemeinschaft mit dem Jägerbataillon 25 gebe. 2008 nahm der nunmehrige Militärkommandant von Kärnten, Oberst Walter Gitschthaler, nicht nur an der Ulrichsbergfeier teil, sondern führte auch zu Beginn der Feier die „militärische Meldung“ durch und legte in Ausgehuniform einen Kranz in Ehrenhain und am Kreuz ab. Besteht diese „besondere Verbundenheit“ noch immer?