12669/J XXIV. GP

Eingelangt am 20.09.2012
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Anfrage

 

des Abgeordneten Venier

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Inneres

betreffend die Schließung von Zwangsehen in Österreich

 

Am 10. August 2012 veröffentlichte der renommierte freie Publizist Dr. Andreas Unterberger auf seinem Netz-Blog folgenden Kommentar:

In der Schweiz hat die (sozialistische!) Innenministerin eine erschütternde Studie über Zwangsheiraten präsentiert. In den vergangenen zwei Jahren wurden dort rund 1400 junge Frauen von ihrer Umgebung zu einer Ehe oder zur Aufgabe einer Liebesbeziehung gezwungen. Zu diesem Schluss kamen Forscherinnen der Universität Neuenburg. So schmerzhaft wie diese Schicksale ist für den Österreicher die Frage, warum das österreichische Innenministerium keine solche Studie in Auftrag gibt und veröffentlicht. Weil man unangenehme Wahrheiten fürchtet, die Handlungsbedarf aufwerfen würden? Weil man wirklich glaubt, mit einer halben Ausländerpolitik (also mit der Beschränkung auf die an sich lobenswerten Themen Spracherwerb und Leistung) alle negativen Seiten der Massenmigration aus Drittwelt-Ländern übertünchen zu können? Weil irgendwelche kaum gelesenen Linksblättchen vom Falter bis zum Profil daraus sofort wieder einen Rassismus!- oder Islamophobie!-Vorwurf machen würden? Oder weil man in Österreich ohnedies keine Wissenschaftler mehr findet, die halbwegs objektiv an ein politisch unkorrektes Thema herangehen?

 

Dass das vom Autor aufgeworfene Thema auch in Österreich relevant ist, beweisen nicht nur öffentliche Publikationen, die nach der Jahrtausendwende entstanden sind wie Information zum Thema Zwangsheirat, hsg. vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, 2005 oder Maßnahmen gegen traditionsbedingte Gewalt gegen Frauen in Österreich, hsg. vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, 2006. Letztere Broschüre verzeichnet die Maßnahmen von 6 österreichischen Bundesministerien gegen traditionsbedingte Gewalt gegen Frauen.

 

Dass Österreich mit der Problematik der Zwangsehen nicht allein ist, bestätigte 2011 auch eine Studie der deutschen Bundesregierung, welche von diversen Medien rezipiert wurde. So schreibt etwa Roland Preuß in Süddeutsche Zeitung, Ausgabe vom 09.11.2011 unter dem Titel Zwangsehen in Deutschland - Zum Jawort genötigt: () Demnach sind fast die Hälfte (44 Prozent) der Zwangsverheirateten oder davon Bedrohten deutsche Staatsbürger, rund 95 Prozent sind Frauen und Mädchen, fast 30 Prozent von ihnen Minderjährige. Fast zwei Drittel der erfassten Fälle stammen aus stark religiös geprägten Familien. () Fast alle Betroffenen stammen jedoch aus Zuwandererfamilien, das häufigste Herkunftsland der Eltern ist die Türkei, gefolgt von Serbien/Kosovo/Montenegro und Irak. Die Eltern der Heiratskandidaten gehören in ihrer breiten Mehrheit (gut 83 Prozent) dem Islam an, fast zehn Prozent der unter Kurden verbreiteten Religion des Jesidentums und immerhin 3,4 Prozent dem Christentum. () Auffällig ist, dass Zwangsheiraten auch in Familien vorkommen, in denen der Vater eine Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss (6,3 Prozent) hat. Im Schnitt brächten die Väter eine unter Migranten durchaus übliche Bildung mit, schreiben die Autoren, ihre Ehefrauen hingegen haben zu fast 90 Prozent keine Ausbildung vorzuweisen. Die Opfer sollten in den Beratungsstellen auch Angaben zu den Motiven ihrer Familie machen. Diese wollten demnach vor allem ihr Ansehen wahren oder hatten die Tochter oder den Sohn bereits an eine andere Familie versprochen. Die Ehe mit einem Unbekannten wurde als Mittel gegen unerwünschte Freunde und Freundinnen oder sogar gegen Homosexualität angesehen. Gut ein Drittel der Ehepartner sollten nach der Heirat ins Ausland ziehen oder lebte bereits dort. Diese Familien zeigen damit, wie sehr sie Denkweisen aus dem Heimatland verhaftet sind, welche die Ehre der Familie daran festmachen, ob die Braut unberührt in die Ehe geht und in der schwule Söhne als ,Schande gelten. Diese Vorstellungen sollen in vielen Fällen offenbar rigoros durchgesetzt werden. Ein gutes Viertel der Opfer berichtete davon, dass sie mit Waffen oder dem Tode bedroht worden seien, bei mehr als der Hälfte der Fälle wendete die Verwandtschaft Gewalt an, Drohungen und Erpressungen sollten zu mehr als 70 Prozent zur Heirat bewegen. ()

Ein Artikel dazu erschien u.a. auch auf Zeit.online (http://www.zeit.de/gesellschaft/2011-11/zwangsehe-studie-migrantinnen).

 

 

Für Österreich gibt es allerdings weder seriöse Zahlen zu den Zwangsheiraten noch echte Gegenmaßnahmen bzw. Sanktionen gegen die unfreiwilligen Eheschließungen. Dies geht u.a. auch aus einem in der Zeitschrift News veröffentlichten Artikel vom 21.03.2011 hervor, der unter dem Titel Zwangsheirat passiert auch in Österreich: Die Dunkelziffer ist bei uns sehr, sehr hoch festhält: „‚Man kann nicht genau sagen, wie viele betroffene Frauen es gibt. Die Dunkelziffer ist bei uns sehr, sehr hoch, erklärt Gül Ayse Basari von der Wiener Beratungsstelle Orient Express gegenüber NEWS.at. Orient Express ist österreichweit die einzige Frauenberatungsstelle, die auch eine intensive Krisenbetreuung für von Zwangsheirat Betroffene anbietet. Seit zehn Jahren arbeiten wir gegen Zwangsheirat. Wir haben ständig Klientinnen, nicht nur aus der Türkei. Zwangsheirat ist in vielen Ländern ein Thema: Wir betreuen unter anderem Frauen aus arabischen Ländern, aus Ex-Jugoslawien, aus Tschetschenien oder dem Kosovo, sagt Basari. () Im Durchschnitt sind die Betroffenen zwischen 15 und 24 Jahre alt. Insgesamt sind laut Organisation rund 80 Prozent der Klientinnen akut gefährdet. Und von Jahr zu Jahr wenden sich mehr Opfer an die Krisenberatungsstelle. Während es im Jahr 2004 noch 26 Klientinnen waren, wurden 2010 bereits 79 Schützlinge betreut. () Dennoch gibt es genügend Probleme, die es noch zu lösen gilt: Es gibt in Österreich noch keine eigene Einrichtung für von Zwangsheirat betroffene Mädchen. Das ist ein großes Problem. Wir können nur schwer Schutz bieten, sagt Basari. Ab dem Alter von 17 Jahren sind die anonymen Frauenhäuser eine Möglichkeit der Unterkunft, Minderjährige kommen jedoch ins Krisenzentrum. Dort können die Mädchen von den Eltern leicht aufgespürt werden, denn die Adressen sind für jedermann zugänglich. Einziger Ausweg: Das Jugendamt entzieht den Eltern die Obsorge. Andernfalls ist ein Schutz nicht mehr möglich: Wenn die Kinder zu ihren Eltern zurückkommen, besteht die Gefahr, dass die Mädchen ins Heimatland geschickt, verheiratet werden und dort für einige Zeit bleiben müssen, so die Betreuerin. Eine weitere Schwierigkeit stellt der Kampf gegen die eigenen Eltern dar. Die Bedrohung ist meistens massiv, dennoch ist es nicht leicht für junge Mädchen, sich gegen ihre Eltern und den ganzen Familienverband zu stellen, betont die Mitarbeiterin von Orient Express. Viele Betroffene fürchten sich, vor Gericht gegen ihre Eltern auszusagen und diese somit ins Gefängnis zu schicken. Auch wenn die Aussage bei Minderjährigen per Videoübertragung erfolgt, ist es daher keine Seltenheit, dass die Anzeige wieder zurückgezogen wird. () Physische Gewalt spielt jedoch eine große Rolle. () Neben der Aufklärungsarbeit sei auch der Schutz, gerade für minderjährige Mädchen, wichtig. Einmal mehr plädierte die Expertin deshalb für eine spezielle Einrichtung, wie es sie in Deutschland bereits gibt: Seit zehn Jahren kämpfen wir bereits für eine eigene Unterkunftsmöglichkeit und bisher hat sich nichts getan.

 

Auch Radio Ö 1 kann in einem Bericht vom 20.01.2011 nur von Schätzungen ausgehen, die von ca. 200 Betroffenen pro Jahr in Österreich sprechen. Festhalten kann man aber jedenfalls 3 Tatsachen:

1. Es handelt sich um ein von Zuwanderern importiertes Phänomen.

2. Die weit überwiegende Zahl der (bekannten) Fälle spielt sich im muslimischen Milieu ab.

3. Es handelt sich keinesfalls um Einzelfälle, sondern um ein relevantes Phänomen mit kulturellem und wert-fundamentalen Hintergrund.

 

In Österreich fällt Zwangsehe unter den Tatbestand der schweren Nötigung, der Strafrahmen beträgt sechs Monate bis fünf Jahre. Leider wurden Zwangsehen bis dato immer noch nicht als eigener Strafrechtstatbestand mit einem ein höheren Strafmaß im StGB verankert.

                                                                                           

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Inneres folgende

 

 

Anfrage:

 

1. Welche Gründe standen bisher einer genauen, vom BMI oder anderen Bundesministerien beauftragten Erhebung der Faktenlage zu Zwangsehen in Österreich entgegen?

 

2. Ist eine solche Erhebung in absehbarer Zeit beabsichtigt?

 

3. Wenn ja, bis zu welchem Zeitpunkt sollen die Ergebnisse dieser Untersuchung veröffentlicht werden, wenn nein, warum nicht?

 

4. Welche Initiativen wurden seitens des BMI seit dem Jahr 2011 gesetzt, um Zwangsehen in Österreich effektiv zu unterbinden?

 

5. Wurden seitens des BMI insbesondere Vorstöße dahingehend unternommen, Zwangsehen als eigenen Straftatbestand im StGB festzuschreiben?

 

6. Falls nein, warum nicht?

 

7. Findet sich das Thema Zwangsehen in der von Hrn. Staatssekretär Kurz medial angekündigten Neufassung der Staatsbürgerschafts-Tests wieder, welche ja nach Angaben des Hrn. Staatssekretärs einen neuen Schwerpunkt auf Werten haben sollen?

 

8. Ist die Schaffung einer eigenen Bundesstelle für von Zwangsehen betroffenen Mädchen und Frauen in absehbarer Zeit beabsichtigt?

 

9. Falls nein, warum nicht?